DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki
gesucht werden; obwohl, natürlich, wenn man das Außen leugnet, muss man auch das Innen leugnen, denn es ist relativ in Bezug auf das Außen. Die Wahrheit ist weder das eine noch das andere. Also, wo ist es in diesem Augenblick? Wie Lin-chi wiederholt gesagt hat: „Es ist keine Zeit zu zögern.“
Der Glaube ist in jeder Religion wichtig. Der Buddha sagte, dass der Glaube die Mutter ist, die uns zur Erde bringt, die Existenz der Wirklichkeit. Wenn ihr den höchsten Punkt des Buddhismus erreichen möchtet, ist es eure Aufgabe, wie die eines alpinen Kletterers, euch vom Fuß des Berges zu seinem Höhepunkt zu kämpfen. Wenn ihr euch entscheidet, die Wahrheit der Welt, oder jenseits der Welt zu erreichen, seht die Wahrheit in beiden: in Phänomenen und Numena. Mit anderen Worten: Ihr müsst ES in euch selbst suchen, bis ES sich in seiner Kraft im Spiegel eures Schreins [DJW: eurem Herzen, eurem Heiligtum] manifestiert. Wenn ihr kein Vertrauen in eure in euch wohnende Kraft habt, habt ihr keine Basis, auf der ihr stehen könnt, ihr werdet nicht mehr ein und aus wissen und ihr werdet nicht wissen, was zu tun ist.
Ein Zen-Lehrer unterrichtet nicht Zen. Wenn du ein Samenkorn pflanzt und es wächst, hat dir die ganze Natur geantwortet. Wenn du bis in den Grund deiner Seele gräbst, antworten dir ebenso alle Phänomene und teilen dir mit, dass die Sache, die sich in deinem Geist manifestiert, wahr ist; und die vierundachtzigtausend Buddhas und Bodhisattvas werden deine Verwirklichung (deine Erfahrung) bestätigen. Aber derjenige, dessen Sicht der Welt umgekehrt wurde, der veränderliche Dinge als ewig sieht und Qual als Freude fühlt, ist wie die Krähe, die ständig die wechselnden Wolken betrachtet, damit sie zu dem Baum geführt wird, in dem sie ihre Nahrung aufbewahrt hat. Es ist das Gleiche mit den Menschen und ihren sich ständig verändernden Freuden. Am Veränderlichen zu haften ist wie das Abrutschen in Treibsand. Aber wenn ihr das geschäftige Treiben eures Verstandes aufgebt, aufhört herumzurennen und eurem Verstandes-Zeug zu folgen, werdet ihr unmittelbar beweisen, dass ihr ein Buddha seid. Und wer sich als Buddha begreift, „derjenige hinter deinem Gesicht, der meiner Predigt zuhört“, lebt in Selbstvertrauen. Wenn ihr den Ton der einen Hand gehört habt, so habt ihr den Mikrokosmos in euch selbst bewiesen und es gibt nichts mehr, um darüber zu reden.
Aber, wie Lin-chi betont, ist es schwer für die Übenden daran zu glauben, denn es bedeutet, dass du den Buddha in dir beweisen musst. Jeder der seinen Vortrag hört, ist Buddha, aber nicht alle von euch glauben das. Ihr sucht Außen nach der Wahrheit, in Büchern, in anderen Lehren, in Aberglauben. Ihr seid nichts Anderes als Worte, Ideen und Vorstellungen. Wenn die Wörter sich ändern, ändern sich eure Vorstellungen mit ihnen. Dies ist wahres Verständnis und es ist nicht der entscheidende Punkt des Buddhismus. Der entscheidende Punkt der Lehre Buddhas ist der mittlere Weg.
Einst fragte ein Brahmane den Buddha: „Ohne zu sprechen, ohne zu schweigen, bitte zeigen Sie ihre Verwirklichung.“ Diese Frage ist so etwas wie eine doppelte Tür, nicht wahr? Der Buddha antwortete, indem er sich in SCHWEIGEN hüllte. Das war alles, aber es war, als ob er diese doppelten Türen mit seinen Füßen zerbrach – Peng! – Zerschlagung der doppelten Türen und sie wegwerfen.
Dieser Moment des SCHWEIGENS (der STILLE) hat große Bedeutung. Der Buddha fiel nicht in gewöhnlichen Stille, noch begann er zu „sprechen“, weder im negativen noch im positiven Sinn. Wie der erste Patriarch des Zen Bodhidharma sagte: „Ohne Worte zu gebrauchen, weise ich direkt auf die Seele des Menschen. Es ist nicht nötig, darüber zu reden.“ Später, als der zweite Patriarch Hui-k'o als Schüler zu Bodhidharma kam, sagte Hui-k'o: „Meine Seele ist noch nicht beruhigt. Bitte beruhigen Sie meine Seele.“ Bodhidharma antwortete: „Wo ist deine Seele? Zeig sie mir!“
„Edle Zen Übende, lasst euch nicht täuschen! Außer wenn ihr Buddha in diesem Leben trefft, wenn nicht, werdet ihr für Kalpas – für unendliche Zeit – durch die drei Welten (in einem anderen Körper) wandern und unzählige Menschenleben führen. Getrieben durch die Umstände, an die ihr euch klammert, werdet ihr im Schoß eines Esels oder einer Kuh geboren.“
SOKEI-AN SAGT:
Die drei Welten sind die Welten des Verlangens (der Wünsche), (kamadhatu), der Formen (rupadhatu) und der Formlosigkeit (arupadhatu). Der Mensch wandert, wie ich schon viele Male gesagt habe, durch die sechs labyrinthischen Wege in den Welten des Begehrens und der Form. Wir gehen entsprechend den Umständen, mit denen wir zusammengeschweißt sind, denn, wir sind nicht frei von der Außenwelt, nicht frei von Anhaftung, wir werden weggetragen von unseren Umständen, so wie ein kleines Boot weggetragen wird von den Wellen und an den Felsen zerschlagen wird. Natürlich ist der Schoß einer Kuh oder eines Esels den Lin-chi erwähnt nicht ein Ort, sondern der Geist des Menschen.
Ich wiederhole immer wieder, dass die Außenwelt nicht wirklich existiert, dass unser Verlangen aus der Unwissenheit kommt, das bewirkt unsere Anhaftung an die Umstände. Normalerweise lassen wir uns nur vorwärtstreiben, aber, wenn wir erkennen, dass dies alles nur Phänomene sind, wenn wir den Status der Nicht-Existenz bewiesen haben, können wir von dieser Umwelt frei sein. Wenn das, was uns an Phänomene bindet abgeschnitten ist, sind wir aus der Knechtschaft befreit. Alles was wir „nehmen“ wollen ist unsere eigene Entscheidung. Anzuhaften oder nicht anzuhaften ist ebenfalls unsere eigene Wahl. Auf diese Weise sind wir nicht weggetragen vom Karma. Wir sind die Gestalter des Karmas, nicht seine Sklaven. Das ist die Befreiung von der Buddha gesprochen hat.
Allerdings, getrieben vom Karma, das man in der Vergangenheit verursacht hat, erzeugt man Karma im eigenen Geist, nicht außerhalb. Mit ihm reist man durch die drei Welten. Aber wenn man höchstes Verständnis erreicht, wenn man die Stufe von arupadhatu, die Welt der Formlosigkeit zerstört und die Stufe über diesem Begriff des Nichts erreicht, kann man in jeden Zustand kommen, den man wünscht. In arupadhatu, aber denkt man, dass man sich in einer formlosen Welt befindet, aber das ist wirklich nur „großes Ego“ und man erzeugt weiterhin Karma. Daher ist die Stufe von arupadhatu nicht wirklich die höchste Stufe.
Es gibt ein Koan: Der Tee-Schöpflöffel (in der Teezeremonie) geht in kochendes Wasser und in eisiges Wasser, fühlt aber keinen Schmerz, da er keine Seele hat, kein Ego. In diesem Koan muss man beweisen, warum der Schöpflöffel keine Seele hat (der Schöpflöffel ist euer Selbst). Der Tee-Schöpflöffel geht nicht durch diese Stufen und wird nie geboren im Schoß von irgendetwas.
In Lin-chi's Zeit gab es einmal einen Künstler, der Pferde so wunderbar malte, dass sein Zen-Lehrer dieser Zeit zu ihm sagte: „Du musst aufhören, solche Bilder zu malen, oder du wirst im Schoß eines Pferdes geboren. Dein Gesicht ähnelt bereits einem und dein Verhalten auch.“ Der Maler änderte sein Thema und malte Avalokiteshvara, den Buddha des Mitgefühls.
Dann war da noch der Dichter, der wunderbare Gedichte schrieb, eine Art von erotischen Liebesliedern. Die Gedichte waren so betörend, dass die Menschen ein romantisches Leben begannen. Der Zen-Lehrer sagte zu ihm: Du musst aufhören solche zauberhaften Liebeslieder zu schreiben.“ Der Dichter lachte und sagte: „Sie denken, dass ich auch im Schoß eines Pferdes wiedergeboren werde?“ Der Roshi sagte: „Nein, du wirst im Geist eines Flohs geboren werden.“
Der Glaube an Seelenwanderung existierte schon vor der Zeit des Buddha. Dieser nahm diese Hypothese in den Buddhismus auf und benutzte es als Werkzeug und Hilfsmittel, um ein Aufwachen aus der Illusion zu erreichen und zu wahrem Verständnis zu kommen. Ich glaube nicht, dass Buddha tatsächlich an die Hypothese der Seelenwanderung geglaubt hat. Aber wenn ihr Buddhas springenden Punkt nicht begreift, wandert ihr jeden Moment in andere Körper – ihr werdet euer Selbst nie finden, nie zu euch selbst zurückfinden.
Im Buddhismus versucht man nicht weise zu sein. Buddhismus ist nicht eine Theorie, um euch weise zu machen. Es ist eine Religion, die euch sehr schlicht und einfach macht. Ein Zen-Lehrer sagte einmal, weise zu werden ist einfach, aber zu einem Idioten zu werden ist schwierig. Natürlich, ein normaler, alltäglicher Idiot ist nichts. Die Seele eines großen Idioten muss etwa so aussehen wie eine riesige Steinspitze. Eine aus Holz gemachte Spitze ist nicht groß genug als Symbol für das Herz eines Idioten.
So sagt Lin-chi, du musst dem Buddha in diesem Leben begegnen. Was oder wen treffen? Dem zentralen, lebenswichtigen Punkt begegnen, dem Buddha in dir.
Ein