DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki

DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki


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dieser wertvolle religiöse und philosophische Text – übersetzt aus dem chinesischen Original – in unserer Sprache erscheinen kann.

      Die Rechte an diesem Text sollten aber in allen Sprachen dieser Erde beim First Zen Institute of America verbleiben – dies mache ich auch im Copy Right dieses Buches für die deutsche Sprache deutlich.

      Der Hinweis (J.) bedeutet Japanisch; (C.) bedeutet Chinesisch; (Skr.) bedeutet Sanskrit; kursiv sind die Texte von Lin-chi Roshi buddhistische Kommentare von Sokei-an werden teilweise im Glossar erklärt.

      Vorträge

      X(b)

       Der Roshi sagte: „Wer auch immer heute wünscht, Buddhas Dharma zu lernen, muss wahres Verständnis finden. Um wahres Verständnis zu erlangen, braucht man sich nicht Leben und Tod zu unterwerfen. Man hat die Freiheit zu gehen oder zu bleiben. Man sucht nicht das Außergewöhnliche, sondern gewinnt es ganz natürlich.

       Brüder! Die Alten hatten Wege (wahre) Menschen zu schaffen. Was ich für Euch betonen möchte, ist, dass ihr euch nicht durch Andere verwirren lassen sollt. Wenn ihr [wahres Verständnis] nutzen wollt, nutzt es! Zöaert nicht!“

      SOKEI-AN SAGT:

      Lin-chi (japanisch: Rinzai) sagt „heute“ aus einem bestimmten Grund. Der Buddhismus in China zu dieser Zeit erreichte seine höchste metaphysische Entwicklung. Die Chinesen hatten Buddhas Dharma, die Lehre aus Indien, rational akzeptiert. Nun bemerkten sie, dass dies ein „intellektueller“ Buddhismus war. Eine Sackgasse war erreicht, aus der es unmöglich war, einen weiteren Schritt zu tun. Lin-chi brach die Sackgasse auf und kreierte einen neuen Weg, der sich aus einem langsamen Fluss der Zeit in einen schnellen Strom entwickelte. Es ist das Gleiche zurzeit hier in Amerika. Wahrscheinlich wird es noch fünfhundert Jahre dauern, bis der Buddhismus in euren Herzen angekommen ist.

      Lin-chi sagt: „Wer auch immer heute wünscht, Buddhas Dharma zu lernen, muss wahres Verständnis finden.“ Wahres Verständnis ist die wahre Lehre des Buddha - der Dharma. Und es ist weder durch Brain Power, noch durch die Emotionen zu erreichen. Buddhismus zeigt uns, wie man zu ihm kommt im „Achtfachen Pfad“. Der „Achtfache Pfad“, die vierte der „Vier edlen Wahrheiten“ (das sind: Leiden, der Ursprung des Leidens, die Beendigung des Leidens und 4. der Weg zur Aufhebung des Leidens), ist der Weg, der uns zu dem bringt, was Lin-chi „wahres Verständnis“ nennt. Wahres Verständnis ist nicht Erkenntnis, die aus dem Außen gewonnen wird, sondern inhärente Weisheit, die Fähigkeit, Erfahrungen zu sammeln und neue Ideen zu kreieren. Diese Fähigkeit manifestiert sich in uns durch Meditation. Die innere Sammlung ist das Schärfen des Schwertes der Weisheit.

      Um seine scharfe Spitze zu verstehen, muss man meditieren und ES verwirklichen, das ist es, was man „erreichen“ nennt.

      „Um wahres Verständnis zu erlangen, braucht man sich nicht Leben und Tod zu unterwerfen.“ Mit anderen Worten, es ist nicht Gegenstand von Samsara, dem Lauf der Natur, der Leben und Tod bedeutet.

      Im Herbst, wenn ein rotes Ahornblatt in einen Wassertümpel fällt, glauben wir das Wasser ist rot; schöpfen wir aber eine Handvoll heraus, so sehen wir, dass das Wasser nicht gefärbt, sondern rein ist. Wie der Lotus nicht gefärbt wird, wenn er aus dem Schlamm wächst, so wird die Seele nicht berührt von Leben und Tod, wenn du dich – gemäß der buddhistischen Lehre – durch die Bereiche der drei Welten, der tridhatu, kämpfst: den drei Stationen unserer Betrachtung des Universums.

      Die erste Welt oder Phase ist kamadhatu, die Welt des Verlangens. In diesem Stadium erfolgt unsere Beobachtung durch die fünf Sinne, wo alles Agonie (Leid, qualvoller, auswegloser Zustand) ist. Und in unserer Agonie beobachten wir die Welt auf fünf Arten: als Höllen-Bewohner, hungriger Geist, zorniger Geist, Tier und menschliches Wesen.

      Die zweite Welt oder Phase ist rupadhatu, die Welt der Formen. In diesem Stadium ist unsere Beobachtung ohne Wunsch, nur durch die Sinne. Hier beobachten wir die Welt mit dem sechsten Weg als Gott oder Engel, was Buddhisten eine Deva nennen würden.

      In der Dritten Welt, der arupadhatu, ist unsere Beobachtung ohne die Sinne, aber mit dem Geist (dem Bewusstsein). Es ist die formlose Phase.

      Diese Stufen oder Welten sind im Buddhismus als eine Treppe der Meditation beschrieben worden, mit der wir unseren Aufstieg zum Zustand der völligen Vernichtung und die Beendigung des Leidens erreichen, die dritte der vier edlen Wahrheiten. Wenn man das Wissen der vierten edlen Wahrheit erreicht hat, die nicht-dualistische Sicht, weiß man, dass Leben und Tod zusammen genommen eins sind. Dieses Leben verändert sich nicht – es ist das Leben im Himmel. Es ist also aus der arupadhatu Sicht des reinen Bewusstseins, das die Verwirklichung ist, wie Zen sagt, unmittelbar. Es ist nicht nötig, irgendetwas zu leugnen oder zu behaupten – alles ist Realität. Sprich Realität mit großer STILLE!!! In Sanskrit wird diese „unaussprechbare“ Realität avyakrita genannt, denn sie ist nicht beschreibbar. Wenn du dies erreichst, verstehst du, dass alle Phänomene Wirklichkeit sind.

      „Man hat die Freiheit zu gehen oder zu bleiben“. Das heißt, man kann in jeder der drei Stufen des Verstehens leben. Die drei Stufen haben viele Bereiche, einschließlich der Aufenthaltsorte der fühlenden Wesen, die durch diese Bereiche ständig wandern. Diese Stufen bilden das Rückgrat des Buddhismus. Alle aufsteigenden und absteigenden Erfahrungen sind hier zu finden, und derjenige, der versteht, kann gehen oder bleiben wie er will. Die Masse der Menschheit jedoch, kennt nur die ersten beiden Stufen, die Welt des Begehrens und die Welt der Form. Auch die Stufe der Formlosigkeit, der Dritten Welt, ist immer noch im Bereich der Vorstellung. Es ist jedoch der höchste Punkt für den Menschen.

      „Er sucht nicht das Außergewöhnliche, sondern gewinnt es natürlich.“ Er hat das Stadium von Buddhas wahrem Verständnis erreicht und hat seine Buddhaschaft bestätigt. Doch zugleich ist er fähig, in das Leben eines jeden empfindenden Wesens mit Sympathie einzutreten.

      „Brüder! Die Alten hatten Wege (wahre) Menschen zu schaffen.“ Frühere Zen-Priester wussten, wie sie gute Schüler mit ihren Stöcken schaffen konnten. Unter ihren Schlägen bewiesen die Schüler die Erfahrung der Nicht-Existenz, wobei sie jede Scham oder Folter leicht wie Federn ertrugen. Es ist durch den Schrei eines Zen-Priesters möglich, dass sich plötzlich der Blick für die Realität öffnet – dass man erkennt, dass Existenz Nichtexistenz ist.

      „Was ich für Euch betonen möchte, ist, dass ihr euch nicht durch Andere verwirren lassen sollt. Wenn ihr [wahres Verständnis] nutzen wollt, nutzt es! Zögert nicht!“ Einmal sagte der Buddha seinen Jüngern so-und-so zu handeln und ein anderes Mal sagte er etwas ganz Anderes. Was machst du dann? Lin-chi sagt euch, ihr sollt euch nicht durch andere verwirren lassen, sondern nur eurem eigenen Urteil glauben. Nutzt ES und zögert nicht. Aber seid ihr in der Lage, es im täglichen Leben anzuwenden? Und was ist dieses „ES“? [hier hebt Sokei-an sein nyo-i, ein kleines Zepter, das seinen Rang als Zen-Roshi symbolisiert]. Verstehst du? „Es“ ist die Kraft, die du durch wahres Verstehen erlangen kannst.

      Lin-chi spricht hier natürlich zu jenen, die die Fähigkeit haben Erleuchtung zu erreichen, die der seinen gleicht.

       „Warum sind Übende von heute nicht fähig wahres Verständnis zu erreichen? Welche Schwäche macht euch unfähig es zu erreichen? Der Grund ist, weil euch Selbstvertrauen fehlt. Wenn ihr kein Selbstvertrauen habt, werdet ihr die wirkliche Sache, die für euch unerlässlich ist, verlieren. Hilflos werdet ihr in Umstände verwickelt und durch unzählige Phänomene invertiert. Wenn euer Geist aufhört herum zu wuseln, werdet ihr euch in keiner Weise von Buddha unterscheiden. Ihr möchtet Buddha kennenlernen? Er ist nichts Anderes als derjenige hinter eurem Gesicht, der meiner Predigt zuhört.

       Es ist schwierig, für Übenden dies zu glauben, und so beschäftigen sie sich mit äußeren Angelegenheiten. Sie können dabei etwas erreichen, aber es werden nur Worte sein. Am Ende werden sie den lebenswichtigen Punkt nicht begreifen, den die Patriarchen lehren.“

      SOKEI-AN SAGT:

      Lin-chi


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