DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki

DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki


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möchte euch den ganzen Buddhismus zeigen, nicht nur Vitamin D.

      Lin-chi sagt, die Seele ist ohne Form und dringt dennoch in alle Richtungen, wie Elektrizität oder Wasser. Wir werfen einen Blick auf die Sonne, den Mond, und so weiter mit Objektivität, mit unseren Sinnen, aber wenn wir die Sonne und der Mond werden, sehen wir subjektiv. Dann wird alles zu einem großen Feuer, da die Seele sich nicht selbst aus ihrer subjektiven Sicht visualisieren kann. So wird ein essenzielles Licht aufgeteilt in verschiedene universelle Erscheinungen.

      „Wenn ihr nicht an Gedanken eures Geistes haftet, wo auch immer ihr steht, so seid ihr frei [und ungebunden].“ Es ist einfach, über die Vernichtung der menschlichen Gedanken zu reden, aber es ist nicht leicht, dies zu tun. Dieser menschliche Geist wird durch das Karma der Natur geformt, der menschliche Geist, den wir durch die Handlungen des Karmas geschaffen haben. Wenn ihr Buddha-Natur verwirklicht, seid ihr frei, aber ihr könnt es nicht mit euren zwei Augen sehen. Euer logisches Verständnis wird euch nur an das Tor der realen Existenz führen, es hat nicht die Fähigkeit euch zum Zentrum der realen Existenz zu bringen; kein Wort wird euch dahin bringen. Ihr müsst die Umhüllung der Wörter wegnehmen und eintreten. Das ist Befreiung. Wenn ihr wirklich eintretet, ist dieser Körper der Körper Buddhas. Das ist der Grund, warum euer Lehrer sagt, ihr müsst durch eigene Kraft eintreten. Er kann euch nicht hereinholen.

      Wenn ihr nicht wisst, wie dies zu erreichen ist, so könntet ihr denken, dass ihr dieses oder jenes unterdrücken müsst. Aber dieser Weg ist zu langsam! Um die Früchte der Buddha-Natur zu erhalten, ist es nicht notwendig, die Wurzel und den Stamm abzuschneiden. Wenn die Zeit reif ist, öffnet sich euer Geist wie die Blütenblätter der wahren Blume und ihr werdet den weißen Lotus der ursprünglichen Natur sehen. Zerstört nicht seinen Teich! Jedoch müsst ihr euch von den drei Welten der Begierde, Form und Formlosigkeit trennen. Und es ist nicht notwendig, in einen tiefen Ruhezustand zu wechseln, indem ihr euch von eurem Körper getrennt fühlt, und so weiter; ihr könnt euch nicht vom universalen Körper trennen.

      Warum ist dies so ein tiefes Geheimnis? Es kann nicht erfasst werden mit dem Verständnis, das ihr durch die Erziehung von eurer Mutter erhalten habt. Es ist nur durch eure eigenen Bemühungen möglich, dass ihr die wahrnehmbare Welt versteht. In diesem Bereich sind beide Wirklichkeiten identisch. Dies ist das Geheimnis.

      „Brüder, warum sage ich das? Nur weil ihr euren Geist nicht abhalten könnt herumzuwandern, seid ihr gefangen in den nutzlosen Hilfsmitteln der Alten.“ Die alten Buddhisten gebrauchten wunderbare Methoden oder Hilfsmittel – Meditation und ähnliches – um euch zum wahren Verständnis des Buddhismus zu führen. Wenn ich euch Koans gebe wie: „Wie kannst du auf dem Stuhl sitzend, aufstehen und auf dem Himalaja stehen“, „geh durch das Schlüsselloch“, „versteck dich in der Wand,“ und „laufe auf der Oberfläche des Wassers,“ könnt ihr nicht antworten, weil ihr in der Bedeutung von Wörtern gefangen seid.

      Ein Koan ist ein Hilfsmittel, um euch von allen Hilfsmitteln zu befreien, euch zu trainieren durch Worte zu sehen und die Bedeutung hinter ihnen zu erfassen, sodass ihr nicht durch Worte gefangen seid. Ich glaube nicht, dass meine Auffassung sich unterscheidet von derjenigen von Christen, die wirklich ihre Worte durchdringen und die wahre Bedeutung von Sätzen finden wie „gehe auf der Oberfläche des Wassers.“ Diese Koans weisen auf die reale Existenz, die Realität des Universums jenseits der Phänomene, hin. Aber wenn ich „Jenseits“ sage, so denkt ihr vermutlich „Himmel“, und so weiter. Was kann ich sagen? Gebt euch nicht ab mit den Schatten der Bedeutung von Worten. Wie Lin-chi sagte, seid nicht gefangen in den nutzlosen Hilfsmitteln der Alten.

      Der Buddha jedoch hat uns gelehrt, wie man meditiert. In der Meditation trennt man sich vom Umfang unserer Umgebung und realisiert, dass man selbst Buddha ist. Der Lehrer ist hier. Ihr müsst an die Tür klopfen und darum bitten den Lehrer (in euch) zu treffen.

      Die Antwort kommt aus dem Inneren, nicht von außerhalb. Aber um ihn zu rufen, müsst ihr euch bemühen, müsst an die Tür eures Herzens klopfen. Wenn ihr ihn trefft, gebt das Anklopfen auf. Um Mitternacht, wenn ihr versucht in ein Kloster zu kommen und mit eurer Faust auf der Tür schlagt, wird es keine Antwort geben. Dann mit einem Stein, Bang! Bang! Bang! „Ja?“ Dann werft ihr den Stein weg. Meditation und Konzentration sind Steine, um den Lehrer zu finden; es kommt eine Zeit, da benötigt ihr sie nicht mehr. Die Tür des Tempels ist nicht der Lehrer. Verwechselt das nicht. Viele Menschen glauben, dass Meditation und Konzentration Buddhismus sind, aber das sind sie nicht.

      Ich brauche nicht mehr zu sagen, denn wenn ich mehr sage, werdet ihr euch daran klammern, werdet den Buddha in euch selbst vergessen und außen von den Lippen eines Lehrers, in einem aus Holz geschnitzten Bild suchen. Ihr werdet ein Wort aus der Außenwelt oder ein Wort gebildet vom Verstandes-Zeug studieren. Ihr werdet vergessen, wie man nach dem Suchenden sucht, der Buddha ist. Das Objekt, mit dem ihr sucht, ist nicht der Buddha. Ihr müsst Buddha im Suchenden finden. Ihr braucht keine Hilfsmittel. Gebt alle Hilfsmittel, alle Methoden auf und wenn ihr zu eurem Selbst kommt – „Hmm! Ich verstehe.“

      Auf diese Weise müsst ihr Buddha finden.

       „Brüder, wenn ihr mit meiner Sicht übereinstimmt, schneidet ihr die Köpfe der Sambhogakaya und Nirmanakaya Buddhas ab. Ein Bodhisattva, der mit der zehnten Stufe der Erleuchtung zufrieden ist, ist nur ein Herumtreiber in einem fremden Land. Ein Bodhisattva, dessen Verwirklichung gleich ist mit derjenigen des Buddha ist in seiner Herkunft ein Verbrecher. Ein Arhat und ein Pratyeka-Buddha sind der Dreck in der Kanalisation. Weisheit und Nirvana sind Pfosten, um Maultiere und Esel anzubinden.

       Warum? Es ist so, Brüder, weil ihr über unzählige Kalpas die vollständige Vernichtung nicht erreicht habt, durch eure Hindernisse.

      SOKEI-AN SAGT:

      Die „Köpfe abzuschneiden“ ist ein Ausdruck, der nur sehr schwer zu übersetzen ist. Was es bedeutet ist, dass ihr auf dem Kopf des Buddhas „sitzen“ müsst, sitzen auf dem Sitz der Meditation, sitzen auf dem Universum, um den Buddha in euch selbst zu realisieren. Ihr seid Buddha. Es gibt keinen anderen im Universum.

      „Ein Bodhisattva, der mit der zehnten Stufe der Erleuchtung zufrieden ist, ist nur ein Rumtreiber in einem fremden Land.“ Der Bodhisattva hat sein Ego vernichtet und verkörpert sich im universalen Körper. Der Mensch hat eine getrennte Seele und lebt in blindem Verlangen. Aber wenn er sein Auge öffnet, realisiert er, dass es keine getrennte Seele gibt: Es gibt nur eine Seele, einen Baum der Seelen, und ihr seid ein Zweig des Baumes. Ihr führt eure eigenen Aufgaben aus, aber ihr seid nicht getrennt. Wenn ihr feststellt, dass die Seele universell ist, wird euer Körper auch universell und ihr seid ein Bodhisattva.

      Der Bodhisattva, der „mit der zehnten Stufe der Erleuchtung zufrieden ist,“ beobachtet Phänomene und Noumenon [DJW: das mit dem Geist zu Erkennende] nur als Konzeptionen. Das ist nicht wie bei einem Arhat, der sich in einer Ecke der Vernichtung hält, getrennt vom Rest. Die höchsten Bodhisattvas kennen die Wirklichkeit in beiden: Phänomenen und Noumenon. Der Arhat denkt, die Phänomene existieren und so versteckt er sich in der Vernichtung, oder im Nichts. Das ist nicht echte Vernichtung. Es ist nur die Vernichtung von Konzeptionen.

      Trotzdem, wenn jemand glaubt, dass diese Stufen tatsächlich existieren (solche Stufen sind als Denk-Modus hypothetisch vorhanden, dass uns diese zur Erleuchtung bringen sollen), so hat er, gemäß Lin-chi, noch nicht die Wirklichkeit erreicht, sondern befindet sich noch in einer hypothetischen Wolke.

      „Ein Bodhisattva, dessen Verwirklichung gleich ist mit derjenigen des Buddha ist in seiner Herkunft ein Verbrecher.“ Wenn er denkt, er ist ein Bodhisattva oder ein Buddha, oder ein einfacher Mann, so lebt er nicht in seinem eigenen Licht. In einem solchen Fall ist er nur ein „Herumtreiber“, der nicht auf seinen eigenen zwei Füßen steht.

      Es gibt zwei Arten von Bodhisattvas: Denjenigen, dessen Verständnis vergleichbar mit dem Buddhas ist, aber nicht gleich Buddhas und derjenige, dessen Verständnis gleich Buddhas ist. Die erste Art von Bodhisattva hat die Erleuchtung durch sich selbst erreicht und das Verständnis ist vergleichbar mit dem des Buddhas. Er ist gegen den Strom geschwommen und zur Buddha-Natur gekommen. Er hat


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