DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki

DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki


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anmaßend!“ Diese Aussage ist sehr gut; das gewöhnliche Alltagsleben ist wertvoller als alles andere. Wenn man einen Buddhisten fragt: „Verstehst du?“ und er übertreibt, würden wir sagen: „Sei nicht anmaßend.“

       „Einige glatzköpfige Mönche, die nicht in der Lage sind das Gute vom Bösen zu unterscheiden; die Existenz von Geistern und Dämonen zuzugeben; die nach Osten zeigen und nach Westen zeigen; die Gefallen haben an einem klaren Tag, wie an einem regnerischen Tag. All diese Mönche müssen eines Tages ihre Schulden beim alten Yama bezahlen, indem sie glühendrote Eisenkugeln schlucken müssen.

       Ehrliche Männer und Frauen aus guten Familien, besessen von den Geistern wilder Füchse, seid ihr verzaubert. Blinde Idioten! Eines Tages werdet ihr aufgefordert für eure Portion Reis zu zahlen!“

      SOKEI-AN SAGT:

      Im letzten Vortrag (dieses Kapitels), macht Lin-chi auf die blinden religiösen Lehrer aufmerksam, die immer reden und Geräusche von sich geben, aber deren Worte keine Substanz haben. Sie sind wie Vögel, die menschliche Worte imitieren, ohne zu wissen, was sie sagen. Wenn ihr einem solchen Lehrer eine Frage stellt, beginnt er einfach zu reden, ohne überhaupt zu wissen, was die Frage ist. Lin-chi verachtet solche Lehrer. Ein echter Lehrer weiß, wie er einen Schüler auf den Weg zu wahrer Religion führt. Wenn ein Schüler nicht auf den rechten Weg gelangt, kann er viele Jahre mit dem Studium der Philosophie oder aufwendiger Metaphysik verbringen, ohne dass dies eine echte Bedeutung für ihn hätte. Lin-chi ist jedoch unabhängig. Den Niedergang der alten Art des Buddhismus beobachtend, den metaphysischen Typ, versuchte er, einen neuen Weg zu öffnen. Das ist der Grund, warum er alle Lehrer seiner Zeit mit solch einer feurigen und giftigen Zunge beschimpft.

      Es gibt Mönche - hier „Glatzköpfe“ genannt, die nichts in ihren Köpfen haben, keine Erleuchtung erreicht haben oder das dritte Auge zur Wirklichkeit geöffnet haben. Davon gibt es viele. Sie tragen die Roben der Mönche (oder Priester), haben aber nicht das Auge um jenseits der Phänomene zu schauen. Jenseits der Phänomene ist für sie ein Geheimnis ohne Wirklichkeit. Sie können nicht unterscheiden, oder, wie Lin-chi sagt, „von Gut und Böse erzählen“, denn sie haben keine Kriterien, keine Grundlage zum Urteilen.

      Im Osten, wie Sie wissen, verehren viele Menschen lokale Götter oder Geister, so mag einer von diesen Göttern von einem Freund als Beschützer für ein neugeborenes Baby ausgewählt werden. Abergläubische Vorsichtsmaßregeln werden sorgfältig getroffen. Zum Beispiel gab es einen Schriftsteller, der immer mit seinem linken Fuß aus seinem Haus trat. Wenn er vergaß, welchen Fuß er benutzt hatte, musste er zurückgehen und darauf achten mit dem linken Fuß das Haus zu verlassen. Ein anderer Mann sollte seinen Onkel im Krankenhaus besuchen, aber das war an einem Tag, an dem ihm ein Wahrsager gesagt hatte, er dürfe nicht nach Norden gehen, also blieb er zuhause – „Krieg wird erklärt an einem Tag des Drachens“.

      Eines Tages machte der Buddha einen Topf Suppe, die hundert Aromen hatte. Er bat einen Schüler sie zu schlürfen und fragte ihn: „Hast du den Geschmack der hundert Aromen geschmeckt?“ Der Schüler sagte: „Ja.“

      „Glaubst du, dass es ein Ego in dieser Suppe gibt?“

      „Nein“, sagte der Schüler. Der Buddha stimmte zu.

      „Es ist genauso, wie du gesagt hast.“

      Es gibt nirgends im Universum ein besonderes Ego. Wenn ihr dies versteht, gebt ihr alles Anhaften, alle Begierden und den Egoismus auf. Was wir als ein separates Ego fühlen, ist eine Vereinigung; wenn die Vereinigung verschwindet, bleibt nichts mehr übrig. Heute hat die Biologie nachgewiesen, dass das Bewusstsein „zwischen“ den Zellen entsteht. Eine Zelle allein hat kein Bewusstsein; es ist der Kontakt, der das Bewusstsein herstellt. Millionen Dinge stellen Kontakte in uns her und schaffen unser Bewusstsein. Gemäß dem Buddhismus ist unser Körper zusammengesetzt aus den vier Elementen und unser Geist besteht aus den fünf Skandhas, oder Schatten. Wenn diese sich auflösen, kehren sie zurück zum ewigen Atom, akasha, wie das Wasser in den Ozean zurückfließt. Akasha und Bewusstsein gehen immer zusammen. So wissen wir, dass wir kein Ego haben. Wenn ihr Nicht-Ego realisiert habt, durchdringt eure wahre Natur die gesamte Natur. Der Buddha sagte seinen Schülern, dass Aroma aus der Kombination von Elementen entsteht. Wenn ein Element zu stark ist, ist der Geschmack nicht gut. Harmonie ist für das Universum natürlich. Wenn die Elemente Kontakt zueinander haben, entsteht zu allererst Liebe, dann Ausgewogenheit und Symmetrie, Geradheit. Der gesamte achtfache Pfad, der Körper mit seinen Geboten, sind von Natur aus in uns. Ohne sie könnten wir nicht leben. Aber dafür gibt es keine Lehrer und keine Schüler. Es ist die Natur des Universums; Harmonie, Gleichgewicht, Rücksichtnahme (Mitgefühl). Es ist alles in uns. Wenn ein Mönch einen Tempel betritt und sieht, dass ein Stück Papier auf einem Tisch schief ist und er weitergeht, ruft ihn der Lehrer zurück. Das natürliche Gebot ist in jedem Menschen. Musik ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Gebote, wie jede Kunst. Wenn ihr feststellt, dass diese Gebote in euch sind, ist es nicht notwendig sich um die Gebote zu kümmern. Aber wir sind schon so lange blind, dass wir unsere eigene Natur nicht sehen. Wenn das Licht des Dharma in uns zu leuchten beginnt, wenn wir die Größe der Seele erkennen, dann wird unser Auge auch das Gesetz des Universums sehen und wir wissen, was zu tun ist und fühlen, was wir nicht tun dürfen. Unwissenheit führt uns dazu alles gerad zu machen. Wenn jemand Schmerz fühlt, kämpft die Natur für ihn; er kann wieder gesundwerden. Dies ist das in uns geschriebene Kriterium.

      XI

       Der Roshi sagte zu seinen Schülern: „Brüder, ihr müsst euch bemühen echtes Verständnis zu erlangen, damit euer Weg auf der Erde frei von der Wahnvorstellung von betörenden Geistern sein wird. Wenn ihr die Stufe erreicht, wo es nichts weiter für euch zu tun gibt, werdet ihr für die wahre Verehrung würdig sein. Ihr müsst nicht unnatürlich sein. Seid euer gewöhnliches Selbst. Jedoch suchend in der äußeren Welt, rennt ihr zu euren Nachbarn und sucht nach euren Händen und Füßen. Ihr begeht einen Fehler!“

      SOKEI-AN SAGT:

      Einer der acht Grundsätze des achtfachen Pfades ist besonders wichtig für uns als Übende des Zen: Sich anzustrengen, um das wahre Verstehen zu erreichen, oder rechte Sicht. Das System des Buddhismus ist ein Hilfsmittel, um Übende in philosophischen Verwicklungen zu fangen, um sie allmählich zu wahrem Verständnis zu führen. Wir in der Zen-Schule brauchen dieses Hilfsmittel nicht.

      In der Meditation realisieren wir, dass wir alles in uns haben. Drei Stufen der Meditation durchlaufend kommen wir zur Realität.

      In der ersten Phase befreien wir uns von den Begierden. Dies ist ein notwendiges Hilfsmittel. Wenn wir das andere Ufer erreichen wollen, benutzen wir ein Boot; die Beendigung des Wünschens ist ein solches Hilfsmittel. Durch dieses Boot erreichen wir das andere Ufer.

      Wenn ihr dieses Stadium erreicht habt, wisst ihr, was Begehren wirklich ist und dann existieren Begierden nicht mehr. Ihr habt ein Auge, das durch das ganze Universum sehen kann und ihr seid nicht mehr gefangen durch die Qualen von Farbe und Form, die ja diejenigen sind, die den Wunsch alles haben zu wollen, auslösen. Wenn ihr diesen Wunsch für eine Weile ausgerottet habt, werdet ihr diese Phase passieren, (vielleicht in 30 Jahren) und ihr werdet alles anschauen können, ohne den Wunsch zu haben, es zu ergreifen. Ich bin ein Mann, wenn ich in ein Kaufhaus gehe, kann ich Damenkleider betrachten, ohne den Wunsch sie kaufen zu wollen, obwohl ich ihre Schönheit sehe. Eine Frau, auf der anderen Seite, kann sich den besten Baseball Anzug ohne Wunsch anschauen. Einmal, als ich noch Schüler der Holzschnitzerei war, betrachtete ich meinen Lehrer. Sehend wie ich ihn betrachte, sagte er: „Du bist ausgebildet alles empfindungslos anzuschauen. Vorsicht! Ich bin kein Holz.“ Es war wahr. Ich sah alles an, wie Holz und Stein.

      Als Nächstes befreien wir uns von der Form, sodass wir die Stufe betreten, der wir keinen Namen geben können. Im Westen wird dies teilweise als Noumenon bezeichnet. Allerdings ist dies nur ein Aspekt der wesentlichen Existenz. Um in den Buddhismus einzutreten, müsst ihr die Phase erreichen, in der es nichts als das Bewusstsein gibt.

      In


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