DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki

DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki


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Der Nirmanakaya des Tathagata ist der Dharmakaya des Menschen.

      Der Nirmanakaya der grundlegenden Stufe ist der Dharmakaya der mittleren Stufe und der Nirmanakaya der mittleren Stufe ist der Dharmakaya einer höheren Stufe. So wird Erleuchtung immer heller. Lin-chi nannte dies die drei mystischen Grundlagen und die drei Grundsätze. Drei Prinzipien in drei mystischen Grundlagen ergibt neun Merkmale. Natürlich muss es weitere Stufen geben, aber die Wesen, die in diesem Universum jetzt existieren, können diese neun Stufen erreichen.

      So unterscheidet sich Buddhas Erleuchtung von dem des Bewusstseins eines Menschen. Das Bewusstsein des Universums ist nicht manifestiertes Bewusstsein. Das Bewusstsein in unseren Herzen ist das Bewusstsein eines Tathagata, aber das nicht manifestierte Bewusstsein hat kein Wissen in sich, keine Weisheit in sich; es ist der Schöpfer. Das Bewusstsein im Herzen des Menschen ist wie das Bewusstsein von Pflanzen, das Bewusstsein der großen Existenz.

      Wenn Lin-chi in Stille sitzt, hat er all diese Stadien in sich. Wenn ihr nach Japan reist, werdet ihr Pagoden sehen, die die Stufen der Erleuchtung mit den Phasen Tathagata, Mensch und Deva zeigen. Alles Wissen ist eine Phase, in der der Mensch eine Deva als Fundament benutzt und einen weiteren wesentlichen Körper obendrein erschafft. Jeder kann den Körper des Menschen sehen, nicht aber den geistigen Körper.

      „Wenn ich ruhig sitze und jemand kommt, um mich zu besuchen, durchschaue ich sofort seine Seele.“ Der Schüler wünscht, dass er den Deva-Körper des Lehrers sehen kann, aber Lin-chi sieht durch die drei Stufen der Erleuchtung: erleuchtete Körper, Seele und Materie. Die Natur ist der materielle Körper. Lin-chi durchdringt alle drei Phasen, ohne ein Wort zu sagen.

      „Wie bin ich fähig, das zu tun? Mein Verständnis des Dharmas unterscheidet sich von Anderen.“ Andere versuchen nicht durch den Geist zu sehen. Die Zen-Lehrer sehen durch das Geist-Zeug, das der Schüler schafft. Ist der Übende in kamadhatu, im Bereich der Begierden? Ist er in rupadhatu, im Bereich der Form? Ist er in arupadhatu, dem formlosen Bereich? Er sieht durch die Seele, sieht durch seine Erleuchtung, seine Fähigkeiten, und so weiter.

      „Ich bestätige nicht das Heilige oder das Weltliche in der objektiven Welt, noch bleibe ich auf dem grundlegenden Boden [der Weisheit] in der subjektiven Welt.“ Er macht keinen Unterschied zwischen dem Spirituellen und dem Materiellen, dem Heiligen oder dem Profanen – all dies gehört zum Außen. Wer Kenntnisse hat wie Manjushri und Samantabhadra, ruft heilig; seine Schüler nennt er weltlich. Die Natur schenkt jedem von uns alle neun Merkmale, auch wenn wir uns möglicherweise dessen nicht bewusst sind.

      Die erste oder wesentliche Grundlage der Weisheit ist Dharmakaya, die drei Dharmakayas: der Dharmakaya des Tathagata, des Menschen, und der Deva. Lin-chi lebt nicht in einem davon, der Wurzel, dem Stamm, oder den Zweigen. Er durchdringt alles.

      „In beide eindringend, habe ich nicht den geringsten Zweifel irgendeiner Art.“ In der Meditation kreiert er seine Weisheit auf der unteren Stufe des Bewusstseins, die sich in Pflanzen und Tieren befindet. Pflanzen erschaffen Tiere; das Tier ist der Nirmanakaya der Pflanzen. Tiere erschaffen den Menschen und der Mensch erschafft etwas Anderes.

      In unserer Zeit kontrolliert die Menschheit ihre Gedanken nicht, die Gedanken steuern den Menschen. Aber der wahre Grund des Menschen ist Denken – deshalb unterscheidet sich unser Leben von den Tieren. Wenn unser Geist aber nicht erleuchtet ist, sind wir jedoch nur wie die Tiere. Unser Material im menschlichen Kampf ist unser Denken; das ist der Dharmakaya eines neuen Lebewesens. Weisheit im Körper der Gedanken erzeugt, führt zu einem höheren Verständnis. Es gibt eine Sache, die müsst ihr als den höchsten Punkt im Kampf um das Wissen betrachten. Lin-chi hat dies nicht in Worten ausgedrückt, aber er hat es auf einen scharfen Punkt gebracht: – „Ha!“ Dies bedeutet nichts, wenn ihr denkt, dies ist nur ein Schrei. Es war sein Ausdruck für den höchsten Punkt, den der Mensch erreichen kann.

      XII.

       Der Roshi sagte zu seinen Anhängern: „Brüder, der Dharma von Buddha verlangt keine Anstrengung. Es gibt nichts weiter für euch zu tun, als so zu sein, wie ihr (selbst) seid. Stehen oder sitzen. Kleidet euch an, esst, wascht euch und uriniert. Schlaft, wenn ihr müde seid. Der Unwissende verlacht mich, aber der weise Mensch versteht. Die Alten sagten: ‚Diejenigen, die Wege und Mittel ausdenken, um sich mit der Außenwelt zu befassen, sind störrische Idioten‘.“

      SOKEI-AN SAGT:

      Wenn Lin-chi seinen Schülern sagt, dass der Dharma von Buddha keine Anstrengung verlangt, spricht er über einen Grundsatz, den man in Chinesisch Wu-Wei oder Ziellosigkeit nennt. Mit anderen Worten, man kann Buddhismus nicht zu einem Zweck verwenden. Natürlich wird das von denjenigen gesagt, die das gleiche Verständnis wie Lin-chi haben, dessen Verstehen dem des Buddha ähnlich ist. Aber für diejenigen von uns, die ein solch hohes Niveau nicht erreicht haben, ist Buddhismus ein wunderbares Gerät, mit dem wir unser tägliches Leben regeln. Lin-chi spricht aus seinem eigenen Verstehen und seiner eigenen Ansicht vom Buddhismus. Aus der Sicht des Shintoismus lebt ihr nicht, tut ihr nichts. Wenn ihr denkt, dass ihr seid, tut ihr etwas und ihr entweiht die Macht Gottes, weil die komplette Substanz des Weltalls der Körper Gottes ist. Im Shintoismus gibt es acht Millionen Götter und Göttinnen, weil alle Elemente des Weltalls Götter und Göttinnen sind und es der Körper des Menschen ist, der der Schrein jener Gottheiten ist. Wir können sie nicht sehen, aber sie sehen uns.

      Ein Shinto Priester erzählte einmal diese Geschichte: „Eines Tages trocknete ein sehr alter Kiefernbaum in einem Garten aus und begann zu sterben. Der Gärtner, der das sieht, gräbt um den alten Baum eine Mulde und streut Dünger in die Nähe seiner Wurzeln. Später hat er den Baum belauscht, wie dieser mit einem anderen alten Baum spricht: „Nun, irgendwie fühle ich heute einwenig neuen Schwung in mir. Sieht so aus, als würde ich eine Zeit lang länger leben.“ Der andere Baum sagte: „Ja, ist es nicht wunderbar, dass wir nach so vielen Jahren noch etwas Kraft in uns übrighaben!“

      Der Baum hat natürlich nichts vom Gärtner gewusst, so wie wir nichts von der unsichtbaren [Kraft] wissen, die von außen unseren Körper schützt und uns Gedanken zur Aufmunterung gibt. Wir denken, dass solche Gedanken von innen kommen, aber dem ist nicht so.

      Man könnte sagen, dass der Glaube des Buddhismus in diesem einen Wort Ziellosigkeit oder Mühelosigkeit steckt. Wir denken, dass wir uns selbst stark machen, fortlaufend Wünsche haben, oder an einer besonderen Sache kleben, aber auch das ist Ziellosigkeit, wenn wir das Gesetz des Weltalls verstehen, dass alles, was man tut, nicht jemandes eigene Arbeit ist. Irgendeine große Macht treibt. Wenn eine Person das versteht, kämpft sie nicht, aber diejenigen, die nicht verstehen, müssen durch Hilfsmittel, oder wie die Buddhisten sagen, durch upaya, geschickte Mittel, gerettet werden. Der Bodhisattva wird, um jemanden zu retten, der auf dem Boden liegt, sich neben ihn legen. Wenn jemand ertrinkt, geht der Bodhisattva ins Wasser. Buddhas Dharma ist jedoch unbeweglich, nicht gehend, nicht rettend. Der Buddha hat gesagt, dass es nicht notwendig ist, Nirwana zu verkünden. Es gibt kein Nirwana und kein empfindendes Wesen, das gerettet werden müsste. So spricht man mit dem Verständnis des Buddha. Von diesem Standpunkt aus sagt Lin-chi:

      „Es gibt nichts weiter für euch zu tun, als so zu sein, wie ihr seid.“ Das ist Buddhas Dharma! Ihr müsst das nicht missverstehen. Es gibt nichts weiter für einen Vogel zu tun, nichts weiter für eine Katze zu tun. Ein Vogel fliegt im Himmel. Das ist sein natürlicher Zustand. Wenn er in einem Käfig gefangen ist, ist das nicht die perfekte Bedingung für einen Vogel. Wenn eine Katze tanzt, entspricht das nicht ihrer Konditionierung. Wenn euch die Vorstellung, abgeschieden in den Bergen zu leben, bezaubert, ist dies nicht vollkommener Buddhismus. Seid wie ihr seid, nichts mehr. Das ist die Einstellung von Lin-chi.

      „Stehen oder sitzen. Kleidet euch an, esst, wascht euch und uriniert. Schlaft, wenn ihr müde seid.“ Das tägliche Leben. Mein Lehrer sagte einmal, als er einen Vortrag zu diesem Thema hielt, dass viele Menschen glauben, dass Moral Religion sei, aber das ist nicht so. Religion ist die Grundlage der Moral.

      Lin-chi ist zufrieden mit den Notwendigkeiten des Lebens, aber man hat zu kämpfen, um diesen Zustand zu erreichen, setzt viele


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