DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki

DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki


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lasst und nicht die wahre Stimme hört, erhaltet ihr die Botschaft nicht. So ist die wirkliche Arbeit der Menschen die vorgefassten Ideen und alten Gewohnheiten zu zerstören und in jedem Augenblick auf die Anweisungen des Gesetzes zu hören, das in euch geschrieben steht. Dieses menschliche Leben kann dann jeden Augenblick ein neues Abenteuer sein. Wenn ihr euer Bewusstsein des Gesetzes kultiviert, erzählt es euch die genaue Wahrheit wie die Hand eines Boxers, die sich zur Verteidigung oder zum Angriff bewegt. Wenn ihr dies nicht pflegt, wächst es schwach und verliert die Kraft des Befehlens. Der wahre Mensch braucht nicht auf diese Stimme zu hören; es führt ihn immer. Natürlich, muss man alle drei Gesetze verstehen – das Gesetz des Einzelnen, das Gesetz der Gruppe und das universelle Gesetz.

      „Brüder, verwendet es, aber gebt ihm keinen Namen. Dies ist das grundlegende Prinzip.“ Lin-chi sagt uns, ES zu erfassen und ES zu verwenden, aber ihm keinen Namen zu geben; ES ist von grundlegender Bedeutung.

      Die Seele verkörpert alles, wie elektrischer Strom in jede Lampe der Stadt eindringt, wie Wasser in Utensilien eindringt. Die Seele tritt ein in Mann, Frau, schwarz und weiß, Gut und Böse. Die Lehre Buddhas von nur einer Seele ist merkwürdig am Buddhismus – keine Katzen-, keine Hunde-Seele, keine Froschoder Schlangen-Seele, Mann- oder Frauen-Seele, Drache- oder Tiger-Seele, sondern nur eine Seele in Allem. Es scheint so, als hätte jeder eine andere Seele. Buddha sagt uns, dass die Vielfalt aus den Bedingungen von Ort und Zeit entsteht. Die Seele selbst kennt keine Unterscheidungen und empfängt kein Karma. Karma selbst schafft Karma. Wer logischen Verstand hat weiß, dass die wesentliche Kraft des Universums EINE Kraft sein muss, doch vielfältig erscheint, wie ein Baum und seine Zweige, Blüten und Obst, die das Ergebnis dieser Kraft sind, die im Baum wirkt.

       „Mein Vortrag über Buddhas Dharma unterscheidet sich von jedem anderen, der sonst unter der Sonne je gehalten wurde. Auch wenn Manjushri oder Samantabhadra vor mir erscheinen würden, sich selbst in meiner Gegenwart manifestierend, um mich über den Dharma zu befragen, würde ich, sobald Sie den Mund öffnen, [die Falschheit ihres Erlangens] verstehen."

      SOKEI-AN SAGT:

      Der Buddhismus von Lin-chi unterscheidet sich von demjenigen anderer Buddhisten seiner Zeit. Als Zen-Roshi sprach er nicht viel Philosophisches. Andere Buddhisten dieser Zeit differenzierten zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven, äußeren Phänomenen und den inneren Phänomenen – das sind Phänomene und Noumenon. Auf diese Weise klassifizierten sie die gesamte Existenz, bis sie schließlich zu der Feststellung kamen, ihr solche Namen zu geben wie „Gott“, „Buddha“, „Universales Bewusstsein“, und so weiter. Lin-chi jedoch benannte Garnichts:

      „Was ist das?“ „Das ist das.“

      „Was ist das Universum?“ „Wo bist du?“

      „Was ist Bewusstsein?“ „Kannst du dein Eigenes nicht beweisen?“

      Sehr einfach. Wenn ihr einen Zen-Lehrer fragt: Was ist die Stille? Gibt er keine Antwort; er ist die Antwort. Andere werden sagen, dass Schweigen tiefe Bedeutung hat, dass wenn du Buddhismus durchdringst, wirst du Nirvana erreichen. Die Zen Methode versetzt euch direkt in ES – nehmt es und verwendet es; gebt ES keinen Namen! Dies ist von grundlegender Bedeutung. Buddhas Buddhismus war die gleiche Art von Religion. Als einige Brahmanen ihm die Frage stellten: Sind Sie ewig oder veränderlich? Buddhas Antwort war Schweigen. Aber diese Stille ist lauter als der Donner, so laut, dass der Mensch es nicht hören kann.

      Im Zen sind alle Wörter Symbole. Sie haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Dieses Glas Wasser „Phänomen“ oder „Noumenon“ zu nennen, hat nichts mit ES zu tun. Alle Konzepte sind relativ, wenn es absolut ist, kann mit nicht darüber sprechen. Eins-Sein besteht hinsichtlich Vielem, Monismus zu Pluralismus, und so weiter.

      Logischerweise ist die Theorie des Monismus falsch, denn sie besteht auf Einheit, die nur durch die Vielheit bewiesen wird. Wenn ein Vertreter des Monismus die Vielheit bestätigen muss, ist es nicht mehr Monismus. Nichts kann absolut allein sein. Alles ist relativ. Wenn ihr Pluralismus abstreitet, müsst ihr Monismus und Dualismus leugnen; wenn ihr eines davon bestätigt, müsst ihr die anderen bestätigen. Also ist keine dieser Ansichten logisch. In der Philosophie kann Bewusstsein nichts beweisen, noch kann es das Absolute beweisen. Dies ist das Merkmal unserer Schule. In dieser Schule gibt es kein Wort für irgendetwas. Es sagt nur, nimm es und verwende es. Ihr könnt jedoch euren Ellbogen nicht in alle Richtungen biegen, ihr könnt nicht gegen die Natur handeln. Diese „nimm es und verwende es“ muss verstanden werden, sonst kann es gefährlich sein. Wenn ihr versteht, seid ihr von einem nutzlosen Puzzle befreit. Das Gesetz des Zeitlichen ist in Wörtern, aber das Gesetz des Heiligen hat keine Worte; es ist in unsere Herzen geschrieben. Und obwohl es in keinen Begriffen geschrieben steht, kennen wir es.

      „Auch wenn Manjushri oder Samantabhadra vor mir erscheinen würden, sich selbst in meiner Gegenwart manifestierend, um mich über den Dharma zu befragen …“ Samantabhadra und Manjushri sind Bodhisattvas. Sie sind im Buddhismus die personifizierte Doktrin der grundlegenden Weisheit. Alle fühlenden Wesen haben grundlegende Weisheit, nicht Wissen oder Intellekt oder Informationen, sondern die Weisheit, die allen angeboren ist. Es ist die Weisheit des Absoluten, nicht der relativen Stufe. Wenn also das Kalpa-Feuer alles zu Nichts reduziert, ist das Nichts nicht reines Nichts; es ist die Energie selbst, noch nicht manifestiert, aber auf die Manifestation wartend. Im Buddhismus ist diese Stufe nicht reiner Materialismus, wie das Atom. Im Buddhismus hat jedes Atom Bewusstsein, SEIN. Sogar Staub hat Bewusstsein. Schau auf den Staub, wenn er in einem Sonnenstrahl tanzt; es ist ein Gleiten, ein Mikrokosmos des großen Universums sich in perfekter Harmonie bewegend.

      Manjushri ist absolutes Bewusstsein. Samantabhadra ist das Bewusstsein in jeder Existenz, das gleiche Bewusstsein. Lin-chi verwendet Manjushri und Samantabhadra, um den Übenden zu symbolisieren. Jeder weise Mönch, der versteht, könnte Manjushri oder Samantabhadra genannt werden.

      „… würde ich, sobald Sie den Mund öffnen, [die Falschheit ihres Erlangens] verstehen.“ Nun, wie könnt ihr euer Bewusstsein zeigen, ohne auch nur ein Wort zu sagen? Solch eine Person versteht den Zustand von Samantabhadra, der Sambhogakaya ist. Wenn ihr kein Wort sagt, könnt ihr nicht das zeitgleiche Bewusstsein demonstrieren, denn ihr seid im Absoluten. Wenn ihr auch nur ein Wort sagt, so seid ihr auf der Stufe des vielfältigen Bewusstseins. Wie könnt ihr es zeigen? Solche Zustände der Erkenntnis kann man nicht in Worten ausdrücken, und wenn ihr versucht sie zu zeigen, geht ihr fehl. Lin-chi sagt, selbst wenn Manjushri und Samantabhadra nie ein Wort gesagt haben, gibt es irgendeine Frage zu stellen? „Ha!“ Lin-chi versteht die Falschheit ihrer Verwirklichung.

      Wenn ein Übender zu Lin-chi gegangen ist, und erklärt er habe das absolute Bewusstsein verstanden, Lin-chi würde nur schreien: „HAAAA!“ Es war, als ob ein kleiner von einer Ameise gemachter Turm durch einen Blitzstrahl plötzlich vernichtet wird. Religion ist bestrebt, etwas Grundsätzliches zu erreichen. Ihr könnt nichts erfinden. Wir können dies nicht zu persönlichen Zwecken verwenden, aber wir können sicher darauf [DJW: Zazen] sitzen. Es gibt nichts Zweckorientiertes in dieser orientalischen Religion, sondern sie bringt uns den wahren Grund unseres Lebens. Ohne ihn können wir nicht leben.

       „Wenn ich ruhig sitze und jemand kommt, um mich zu besuchen, durchschaue ich sofort seine Seele. Wie bin ich fähig, das zu tun? Mein Verständnis des Dharmas unterscheidet sich von Anderen. Ich bestätige nicht das Heilige oder das Weltliche in der objektiven Welt, noch bleibe ich auf dem grundlegenden Boden [der Weisheit] in der subjektiven Welt. In beide eindringend, habe ich nicht den geringsten Zweifel irgendeiner Art.“

      SOKEI-AN SAGT:

      Wenn Lin-chi sich hinsetzt, unterscheidet er sich von anderen Menschen. Er hat Nichts in seinem Geist, keinen Verstandes-Kram. Sein Sitzen besteht aus den drei Stufen der Erleuchtung – Tathagata, Mensch, und Deva. Es sollte bei Jedem das gleiche sein. Natürlich gibt es mehrere Stadien, aber aus unserer Sicht ist der sich manifestierende Körper der Körper des Tathagata; der Körper des unsichtbaren Buddha, sich in seinem „nutzbaren“ Körper als Nirmanakaya


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