DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki

DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki


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Gesetz, manchmal noumenale Existenz im Unterschied zur phänomenalen Existenz. Hier, in dieser Passage, sagt Lin-chi Dharma ist das Gesetz eures Geistes oder eurer Seele. Seele ist kein gutes Wort, aber ich verwende es hier im Sinn von Bewusstsein, Geist und Herz, da diese Worte allgemein für das verwendet werden, womit wir unser tägliches Leben meistern.

      Vielleicht könnte es kosmisches Bewusstsein oder das kosmische Gesetz genannt werden. Und es war für dieses Dharma, dass Buddha sein Königreich wegwarf, als wäre es ein Paar Sandalen. Für sechs Jahre unterdrückte er alle Begierden, lebte mit einer Schale Reis am Tag, und meditierte in den Wäldern. Natürlich übte er nicht immer Meditation. Er stellte den Weisen Fragen. Aber nach sechs Jahren Meditation, unter dem Bodhi-Baum, erleuchtete er sich selbst.

      Im Sanskrit gibt es drei Begriffe, die ihr für Seele verwenden könnt: amala, hridaya, citta. Der erste, amala, bedeutet die Seele in ihrer elementaren Existenz – Feuer, Wasser, Meer, der Mond, die Sterne, die reine Seele des Universums. Der zweite, hridaya ist die Seele der fühlenden Wesen – Bäume, Unkraut, Insekten, Menschen. Der dritte, citta, ist der Intellekt. Der Erste umfasst alle Wesen, empfindende und empfindungslose; der Zweite umfasst nur fühlende Wesen. Dies kann in Deutsch (Englisch) als Herz, aber nicht als Gehirn (Verstand) bezeichnet werden, was citta ist. Ein Baum hat keinen Verstand, aber er hat ein „Herz“, das atmet, wodurch er sich zum Sonnenlicht ausrichtet, das Wasser aus der Wurzel reinigt und es in die Äste und Blätter bringt. Wenn wir Schlafen und uns unseres Selbst nicht bewusst sind, sind wir auf dem gleichen Niveau wie der Baum. Der dritte ist die Fähigkeit des Geistes, oder des Intellekts. Wenn Lin-chi vom Gesetz des Geistes spricht, meint er alle drei Bedeutungen. Dieses Gesetz steht nirgends geschrieben. Es hat keine besondere Form. Aber wenn ihr Wasser auf Feuer gießt, könnt ihr es lesen; und wenn ihr euer Gesicht berührt, fühlt es die Haut.

      „Das Gesetz in eurem Geist hat keine äußere Form, jedoch erstreckt es sich in mannigfaltige Richtungen, seine Kraft vor euren Augen manifestierend.“ Die „mannigfaltigen Richtungen“ bedeutet alle Richtungen, alle Sinne des Körpers, nicht nur die 5 auf die wir uns in der Regel beziehen. Der Buddha sagte, dass der Körper über acht Millionen Sinne verfügt. Jede Stelle hat ein anderes Gefühl. Das ganze Universum ist ein Körper und eine Seele. Es „manifestiert seine Kraft vor euren Augen“ im Weinen, der Wut, der Freude, oder im Bedauern. Vom Morgen bis zum Abend, was ihr fühlt, ist das Gesetz. Vielleicht wirkt es nicht so wie das wahre Gesetz. Durch Aberglaube oder Missverständnisse werdet ihr vielleicht fehlgeleitet, aber die wahre Funktion des Gesetzes ist immer in euch. Schließlich werdet ihr das wahre Gesetz spüren, das in eurem innersten Herzen geschrieben steht. Leiden ist eure unbewusste Anstrengung, dieses wahre Gesetz wirken zu lassen.

      „Derjenige, der keinen Glauben daran hat, jagt Wörtern und Namen nach, über den Dharma von Buddha mutmaßend. Er und das Dharma sind so weit auseinander wie Himmel und Erde.“ Ihr tragt ein solch herrliches Gesetz in euch, aber ihr glaubt nicht daran. Ihr lauft Worten nach und versucht deren Bedeutung zu begreifen. Was ist Wirklichkeit? Was ist Nirvana? Das ist auch Buddhismus und Christentum. Ihr denkt, dass Sie über verschiedene Gesetze sprechen, aber das einzig wahre Gesetz kann nicht auf solche Art und Weise gesehen werden.

      „Brüder, was ist das Gesetz, über das ich rede?“ Ich, Sokei-an, spreche hier seit ein paar Jahren über Buddhismus. Einer von euch stellt eine Frage und ich fühle, dass meine drei Jahre der Anstrengung zu „Nichts“ reduziert sind. Wir sollten wissen, was wir denken – reden – das ist das Wichtigste. Warum Religion studieren, aus welchem Grund? Um etwas Nützliches im täglichen Leben zu leisten, müsst ihr etwas Anderes studieren als Buddhismus.

      „Ich spreche über das Gesetz, das der Boden eures Geistes ist, durch das der Geist in das Weltliche und das Heilige, das Reine und das Profane, das Wahre und das Vergängliche eingeht.“ Aus dem Boden sprießen Bäume und Blumen blühen. Der Buddha lehrte für neunundvierzig Jahre und 5 480 Textbände des Buddhismus entstanden aus diesem Seelengrund. Wo ist sie? Im Magen? Im Gehirn? Wo ist diese Seele?

      Der zweite Patriarch kam zu Bodhidharma und sagte: „Ich fühle, dass meine Seele noch nicht frei ist.“ Bodhidharma sagte: „Oh, du bittest mich, deine Seele zu befreien? Wo ist deine Seele, zeig sie mir.“ Das ist die Zen Schule, keine philosophischen Erklärungen. Wenn ihr von Seele sprecht, zeigt sie mir! Wenn ihr von Wirklichkeit sprecht, zeigt sie mir! Aber ihr könnt Wirklichkeit nicht zeigen. ES ist unvorstellbar. Womit zeigt ihr Phänomene? Mit den fünf Sinnen? Nun, sind die fünf Sinne phänomenal oder noumenal? Die fünf Sinne sind der verbindende Punkt zwischen Phänomenen und Noumenon. Ach so, der verbindende Punkt sind die fünf Sinne. Zeige mir diesen verbindenden Punkt. Wie erklärt ihr das? Wenn der bewusste Punkt nicht in deinen Augen ist, wo ist es? Wenn nichts außen ist, wo ist es? Und wenn es nichts außerhalb gibt, wie kann man Bewusstsein überhaupt beweisen? Nun, ohne Bewusstsein könnt ihr es nicht beweisen.

      Wenn ihr gefragt werdet, wo euer Bewusstsein ist, außerhalb oder in eurem Inneren, könnt ihr euch in einem Labyrinth von Philosophie verlieren. Reden macht es noch komplizierter. Ohne zu sprechen, können wir die Wahrheit kennen, den Grund der Seele. Der Grund der Seele wird nicht von irgendjemand erzeugt; ES existiert, ES hat existiert, und ES wird ewig existieren. Wenn ich euch fragen würde: „Vor Vater und Mutter, was warst du?“ Wie würdet ihr antworten?

      Durch die Feuersbrunst am Ende des Kalpas werden alle Phänomene zerstört, der Grund der Seele wird ewig existieren – nicht meine, nicht eure, aber die Seele des Universums. Ihr könnt es nicht für euch behalten. Wenn ihr sagt: „Es ist mein“, verletzt ihr das Gebot, dass ihr nicht stehlen werdet.

      Der Grund der Seele existiert ewig; seine Manifestation verändert sich so wie eine Wolke am Himmel. Wenn ihr versteht, dass tausend Jahre gleich einer Minute sind, löst es sich auf und verschwindet, sobald ihr es beobachtet. Ihr könnt an nichts haften.

      Wenn ihr es tut, werdet ihr immerzu kämpfen. Warum ihm einen Namen geben? Warum es Gott, Buddha, Allah nennen? Wenn ihr den Grund der Seele nicht kennt, könnt ihr nicht die wahre Bedeutung des Gebotes verstehen.

       „Ihr seid jedoch weder real noch zeitlich und weder weltlich noch heilig, auch wenn ihr diese Namen mit dem Realen und Zeitlichen, dem Weltlichen und Heiligen verbindet. Dennoch kann das Reale und das Zeitliche, das Weltliche und Heilige euch nicht einen Namen beifügen.

       Brüder, verwendet es, aber gebt ihm keinen Namen. Dies ist das grundlegende Prinzip.“

      SOKEI-AN SAGT:

      Lin-chi spricht wieder über das Gesetz des Seelen-Grundes. Von der Seele wird alles produziert, wie alle Pflanzen aus dem Boden sprießen. Die Seele ist ein Gesetz in sich, wie die Erde ihr eigenes Gesetze hat. Im Winter hält und schützt sie die Samen; im Frühling gibt sie den Samen Leben; im Sommer gibt sie den Bäumen Kraft; im Herbst empfängt sie die Früchte der Bäume und wieder bewahrt sie deren Samen. Wer einen Garten pflegt, kennt das Gesetz der Erde. In der gleichen Weise muss derjenige, der etwas in diesem Leben tun will, das Gesetz dieses Grundes kennen.

      Lin-chi sagte, das Gesetz dieses Grundes ist ungeschrieben, aber es manifestiert sich in euch selbst. Ihr fühlt euch traurig, wütend; durch dieses Gefühl, wisst ihr, was ihr tun werdet. Eure Reaktion führt euch. Wenn man euch beleidigt oder beschimpft werdet ihr ärgerlich; wenn man euch anlächelt, werdet ihr ruhig. Das ist das Gesetz, wie es in euch wirkt. Aber ihr müsst dieses Gesetz verstehen, nicht es missbrauchen. Wenn ihr dem Gesetz folgt, das in eurem Herzen geschrieben ist, macht es nicht viel Mühe durch das Leben zu gehen. Aber obwohl das ganze Gesetz in eurem eigenen Herzen geschrieben steht, begreift ihr es nicht, bis zu dem Tag, an dem Tathagata Buddha zu euch kommt und es beweist. Die Lehre ist wie die Ankunft des Frühlings; es schüttelt euch in die Verwirklichung dessen, was in euch ist, so wie die Samen aus dem Boden sprießen, wenn der Frühling kommt. Ihr könnt sagen: „Mein Gewissen ist der Führer, der mir erklärt, dies zu tun oder nicht zu tun.“ Aber wie gehorsam seid ihr gegenüber diesem Flüstern des Gewissens? Folgt ihr ihm treu? Wenn ihr das tut, seid ihr nicht verschieden von Buddha.

      Wenn ein Schiff zur linken Seite treibt, zeigt der Kompass


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