DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI. Sokei-an Shigetsu Sasaki
haben geglaubt, dass Wasser die Erde erhält und dass das Wasser durch einen wirbelnden Wind erhalten wird. Der Berg Sumeru war im Wasser mit der Sonne und dem Mond, der sie umkreist und das Wasser wurde durch einen Eisenberg gestaut. Das war das Konzept der Welt zurzeit des Buddha. Aber der Buddha dachte, dass unsere Welt nur eine von einer Million Welten war.
Heute, wenn wir irgendetwas beobachten, analysieren wir es in Atomen und Elektronen und beweisen die ursprüngliche Substanz materiell. Wir wissen, dass alle die verschiedenen Formen der empfindenden und der nicht empfindenden Welten auf eine wesentliche Substanz reduziert werden können. Wir haben keine Zweifel darüber. Sogar Grundschulkinder wissen es. Wenn wir das mit dem Glauben der Buddhisten vergleichen, können wir keinen Unterschied zu dieser Auffassung finden.
In der Zukunft wird eine Religion geschaffen, die sich rein auf das wissenschaftliche Denken stützt. Sogar jetzt, wenn die Wissenschaftler ursprüngliche Natur als eine lebende Substanz aber nicht tot definieren würden, würden sie in Übereinstimmung mit uns sein. Aber ich fürchte, dass, wenn der zukünftige Glaube zu den Menschen kommt, wird er vergessen haben zu lieben und zu beten. Vielleicht wird das das Zeichen für den Buddha der Zukunft sein, um zu erscheinen, — Maitreya, der Buddha der Liebe.
Lin-chi sagt, dass, wenn ein Buddhist kein Verstehen der ursprünglichen Natur hat, er ein bloßes Arbeitspferd, ein Weltmann, nicht ein echter Einsiedler ist. Aber derjenige, der versteht, obwohl er in der Welt lebt, ist ein wahrer Einsiedler, ein wahrer Entsager der Welt. So ist es unsere Aufgabe, die erste große Ursache des Weltalls und des Menschen zu finden. Wie man lebt, wie man unterrichtet und heilt, sind nur Zweige des kreativen Gesetzes oder des Dharmas. Wenn man Buddha-Natur versteht, verzichtet man auf zwei weltliche „Häuser“. Unser Körper lebt in zwei Häusern. Das eine ist die Verbindung mit unseren Verwandten — Vater, Mutter, Frau und so weiter; und das andere ist unser Verstandes-Zeug. Geist und Verstandes-Zeug müssen voneinander unterschieden werden. Geist ist Feuer und Geistes-/Verstandes-Zeug ist ein Klumpen aus Kohle. Natürlich, wenn es keine Kohle gibt, gibt es kein Feuer, also ohne Verstandes-Zeug können wir Geist nicht beweisen. Wenn ihr Geist von Geistes-/Verstandes-Zeug unterscheiden könnt, werdet ihr Buddha-Natur kennen. Es ist sehr einfach zu erkennen. Verstandes-Zeug ist das Zuhause, und Geist ist der Lehrer, so ist Geist ohne Geistes-Zeug Buddha. Es gibt kein Feuer, wenn es kein Holz gibt, aber Holz und Feuer sind nicht dasselbe. Wenn Holz zu Asche wird, geht das Feuer aus; wenn Verstandes-Zeug vernichtet wird, kehrt ihr zum Nirwana zurück, zur Gesamtvernichtung. Dann werdet ihr Buddha Natur — „Ah! Ich sehe.“ Ihr braucht dafür nicht viel Zeit in Anspruch zu nehmen. Das Verstehen kann in einem Augenblick kommen, aber ihr müsst es selbst tun. Es ist nicht notwendig, lange in Meditation zu sitzen. Nur aufmerksam sein, zu jeder Zeit — „Ah!“ Wie der Mönch, der einen Kieselstein gegen einen Bambusstamm gekehrt hat und durch den Ton seines Anschlagens — „Ah! Ja, ich verstehe!“ Wirkliche Essenz, das ist es. Also, wenn ihr das Verstandes-Zeug ausrottet, kehrt der ursprüngliche Geist zu euch zurück. Ihr habt das physische Haus und das geistige Haus aufgegeben; sie sind zwei tote Häuser.
Der Buddha hat gesagt, dass diese zwei Häuser ein Leichnam ohne lebende Seele sind, kein Verstehen der Buddha-Natur. Das sind „die lebenden Toten“ von denen Christus gesprochen hat: „Lasst die Toten die Toten begraben.“ Wenn ihr auf diese zwei Häuser verzichtet ist es egal, ob ihr Roben oder gewöhnliche Kleidung tragt, ob ihr Sutras rezitiert oder eine Zeitung lest. Wenn ihr eure ursprüngliche Natur findet, seid ihr ein echter Einsiedler. Der Buddha hat gelehrt, dass dies dem Rückzug in die Berge vorzuziehen sei. Aber derjenige, der das physische Haus verlässt, um in einen Tempel zu gehen, aber nicht sein geistiges Haus verlässt, ist ein Einsiedler des Körpers, aber nicht der Seele. Er kann seinen Kopf rasieren und Roben tragen, aber er behält seine Frau und Kinder im Tempel und behält sein Geistes-Zeug. Solch einer wird Buddha-Natur nie erfahren. Er ist nur ein Leichenbestatter, das ist alles. Es wird eine Armee von Eseln in seinem Tempel geben!
Wenn ihr Buddha-Natur versteht, werdet ihr leicht zwischen Buddha und Mara unterscheiden. Wir alle kommen aus der Wurzel von Maya; wir alle sind Kinder Mayas der „Schöpferin.“ Als ihre Kinder sind wir nicht durch Mann und Frau gezeugt worden, deren Natur das Tier ist. Das ist die Bedeutung der „jungfräulichen, der reinen Geburt.“
„Nun, wenn es einen untrennbar verkörperten Buddha- Mara aus einem Fleisch gäbe — wie die Mischung von Wasser und Milch, von dem der Ganskönig Hamsaraja nur die Milch getrunken hat — er, der das klare Dharma Auge hat und Buddha von Mara innerhalb dieses einen Fleisches unterscheiden kann. Aber wenn ihr das Heilige bevorzugt und das Weltliche verabscheut, so versinkt oder schwimmt ihr im Meer von Leben und Tod.“
SOKEI-AN SAGT:
Wenn ihr die Wörter von Lin-chi sorgfältig untersucht, werdet ihr sehen, dass er versuchte, den Buddhismus seiner Zeit zu vereinfachen, der sehr kompliziert geworden war. Er versuchte wirklich, Buddhismus so zu verbreiten, dass jeder in China seinen wahren Grundsatz verstehen könnte. Aber heute, wenn wir diese Aufzeichnung lesen, fühlen wir uns, als ob wir einen Berg besteigen, anstatt dass wir von seiner Spitze bis in die Stadt herunterkommen. Wir begreifen, dass unsere Zeit intellektueller ist im Vergleich zur Tang-Dynastie, als solch ein einfacher Buddhismus verkündet wurde. Solche Einfachheit ist für unseren Geist heute schwer zu verstehen. Als ich diese Aufzeichnung las, hatte ich immer das Gefühl, dass wenn jemand „Ah!“ rufen sollte und ein anderer sollte „Ah!“ antworten; das wäre die ganze Geschichte von Lin-chi‘s Buddhismus. Vielleicht könnten wir jemand mit solch einem einfachen Geist im amerikanischen weiten Westen finden. In den tiefen Wäldern, wo noch keine Axt einen Baum berührt hat; wenn wir ihm „He!“ zurufen, würde er nur „He!“ antworten. Er würde keine Angst haben, auf irgendetwas zu schauen, er würde nicht zögern zu antworten; er würde sehr einfach sein. Wenn ihr jedoch in der Stadt „He!“ ruft, werden die Leute denken, dass ihr ein Taschendieb seid.
Als ich drüben im Westen war, dachte ich, dass Amerika der natürliche Boden für den Zen-Buddhismus sei. Wenn man amerikanische Übende mit unseren vergleicht, ziehen unsere sich rote und weiße Farbe an und behängen sich mit Schmuck. Die Menschen der Oststaaten haben so lange in ihren komplizierten Gedanken gelebt, dass ihr Geist eingehüllt ist in künstliche Affektiertheiten, während der Amerikaner sehr einfach ist. Natürlich gibt es in den Städten viele komplizierte Menschen, aber ich kann nicht glauben, dass irgendeine künstliche, hoch entwickelte, metaphysische Art von Religion zum amerikanischen Herzen passt.
In meinem Bemühen, viele Dinge in meiner eigenen Vergangenheit zu verstehen — und ich hatte nicht viel Zeit, um zu einem Entschluss zu kommen — fühle ich nun, dass ich ein festes Fundament auf demselben Boden (wie Lin-chi) stehen sollte und dann neue Zweige vom Stamm dieses Baumes sprießen lasse. Meine Natur fordert, dass ich meine Anstrengung zum Zentrum zusammenlaufen lasse, zur Wurzel, zum vereinfachten Leben. Vielleicht bin ich faul geworden — fauler als in meiner Jugend, denn damals war ich es auch — aber ich sehen gern, wie sich die Dinge entwickeln, ohne Analyse durch die Philosophie oder Logik.
Ich halte mein Glas in meiner Hand und weiß, dass seine Farben — weiß, gelb, blau und rot — aus verschiedenen Quellen kommen, die ich logisch beobachten könnte, aber diese Beobachtung hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass das das ist. Sogar wenn wir diese einfache Wirklichkeit kennen, wissen, basiert jedoch unser Leben nie auf dieser Wirklichkeit, sondern auf den Ergebnissen unserer künstlichen Gehirntätigkeit. Vielleicht sollten wir uns nicht für die Tatsache verantwortlich machen, dass während die Tiere in der Natur leben, wir Menschen in unserem Gehirn leben müssen. Wir genießen eine Landschaft, aber wir schätzen eine Landschaft mehr, die gemalt ist. Wir sehen die Schönheit des menschlichen Körpers auf der Leinwand, in Marmor oder Elfenbein lieber, als den lebenden Körper eines Menschen, weil die Schönheit der Form von den natürlichen Bedingungen abstrahiert ist. Es scheint mir, dass ein Mensch, der getrennt von der Natur lebt, jemandem ähnlich ist, der sich mit Alkohol berauscht, der von seiner natürlichen Quelle getrennt ist. Es gibt echte Dramen an jeder Straßenecke, aber wir sehen es nicht als Drama; wir können es nur auf der Ebene verstehen, wo es vereinfacht wird. Mein Freund hat mich gebeten aufs Land zu fahren. Aber ich ziehe es vor, Menschen zu beobachten anstelle der Natur. Gern habe