Der Muttermörder mit dem Schal. Bernd Kaufholz

Der Muttermörder mit dem Schal - Bernd Kaufholz


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die beiden Frauen, beim nächsten Treffen das Gespräch auf den Vermissten zu bringen. Am 2. Januar 1964 erzählt Minna Brauer, dass sie das Bett ihres Mannes in den Stall gestellt habe, weil sie nicht mehr daran glaube, dass er wiederkommt. Dabei hinterlässt sie einen ungewöhnlich aufgeregten Eindruck. Als die beiden Frauen bohren und Näheres wissen wollen, steht Minna Brauer abrupt auf und verlässt die Wohnung Grete Ebels.

      Nachdem Litte von diesem Vorfall erfahren hat, besucht er die Toilettenfrau auf ein Neues. Sie teilt ihm mit, dass sie immer noch hofft, dass ihr Paul eines Tages, wenn sie von der Zuckerfabrik kommt, in der Stube sitzt.

      Die Kripo des Polizeikreisamts hat inzwischen auch Nachforschungen angestellt, um etwas über den verbrannten Brief in Erfahrung zu bringen. Doch Postzustellerin Helga Sokolowsky* kann nicht weiterhelfen. Sie kann sich nicht entsinnen, ob sie Minna Brauer vor Weihnachten etwas zugestellt hat. „Gerade vor dem Fest kommt so viel Post, ich weiß es einfach nicht.“

      Minna Brauer erhält eine Vorladung ins Polizeikreisamt. Dort wird ihr der Text aus dem angeblichen Brief ihres Mannes diktiert:

      „Du brauchst mich nicht ab zumelden denn wir sind unter wegens zur Grenze meine Rente die schenke ich dir zum Abschied. Paul.“

      Sie muss die Zeilen zehnmal schreiben. Der Originalzettel und das Vergleichsmaterial werden nach Magdeburg an das Dezernat Kriminaltechnik der Bezirkspolizeibehörde geschickt.

      Auch die sogenannten Nachermittlungen durch Kriminalisten des Haldensleber Polizeikreisamts bringen kein Licht in den Fall. Allerdings geben die gesamten Umstände und das Verhalten Minna Brauers den zuständigen Kriminalisten zu denken. Im Abschlussbericht kommt Unterleutnant Fechner von der Abteilung Kriminalpolizei des VPKA Haldensleben deshalb zu dem Schluss: „Auf Grund der geschilderten Sachverhalte ergibt sich der dringende Tatverdacht, dass die Frau Brauer ihren Ehemann auf irgendeine Art und Weise beiseitegeschafft hat und somit ein Verbrechen gemäß Paragraph 211 (Mord, B. K.) oder 212 (Totschlag, B. K.) des StGB zu vermuten ist.“

      Das Protokoll landet auf dem Tisch des Kripochefs der Bezirkspolizeibehörde in Magdeburg. Polizeimajor Zirm weist an, dass sich die Mordkommission des Falles annehmen soll. Mitarbeiter der MUK fahren am 14. Januar 1964 nach Haldensleben zum Polizeikreisamt und lassen sich die bisherigen Untersuchungsergebnisse vorlegen. Der Leiter der Mordkommission merkt kritisch an, dass bei den geführten Ermittlungen „die Version eines Verstoßes gegen das Passgesetz (Westflucht, B. K.) zu sehr im Vordergrund stand und die Version eines Verbrechens gegen das Leben des vermissten Brauer weniger oder kaum berücksichtigt wurde“.

      Als erste Konsequenz wird das Verfahren sofort in die Zuständigkeit der Bezirkspolizei übernommen. Von nun an sind Polizeihauptmann Winter und seine MUK zuständig. Als zweite Maßnahme wird ein Mordermittlungsverfahren gegen Minna Brauer eingeleitet. Der Chef der Mordkommission weist an: Heute noch Zeugen verhören, morgen Minna Brauer festnehmen und als Beschuldigte vernehmen, gleichzeitig Wohn- und Nebenräume der Frau durchsuchen.

      Winter will Spuren eines Gewaltverbrechens finden. Nötigenfalls durch Wasserstoffsuperoxyd, wodurch nicht mehr erkennbare Blutspuren sichtbar gemacht werden können. Wohnung, Stallungen, Keller, Hof und Garten sollen gründlich untersucht werden. „Vielleicht hat die Frau ja die Leiche ihres Mannes irgendwo versteckt“, vermutet der erfahrene Kriminalist. „An verdächtigen Stellen graben“, gibt er seinen Leuten mit auf den Weg.

      Der Haldensleber Kreisstaatsanwalt unterschreibt am 15. Januar die Hausdurchsuchungs-Anordnung und am frühen Nachmittag stehen Leutnant Thiele und Leutnant Fechtner von der Magdeburger Mordkommission vor dem Haus Nr. 20 in der Straße der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft.

      Zuerst untersuchen die beiden Ermittler im Beisein des Staatsanwalts einige Bekleidungsstücke. An einigen stellen sie dunkle Flecken fest. „Möglicherweise ausgewaschenes Blut“, vermutet Thiele. Doch der Nachweis mit dreiprozentigem Wasserstoffsuperoxyd verläuft negativ. Lediglich an einer Schürze reagiert die Chemikalie leicht. Doch ist die Spur geringfügig und die Kriminalisten wissen, dass somit eine Blutgruppenbestimmung nicht möglich ist.

      Bei der Hausdurchsuchung öffnen Kriminaltechniker Thiele und Sachbearbeiter Fechtner auch die Abstellkammer. Sie nehmen die Kastenmatratzeheraus. Sie wird ebenfalls untersucht. Doch auch an ihr gibt es keinerlei Blutanhaftungen. Ebenso wenig am Bettzeug im Schlafzimmer und der Oberbekleidung des Ehepaars.

      Nachdem beinahe die gesamte Wohnung mit H 2 O 2 abgesprüht wurde, packen die Ermittler ihr kriminaltechnisches Material zusammen und gehen in die gewölbeartigen Kellerräume. Leutnant Thiele öffnet das Vorhängeschloss vom Keller der Brauers. Auf den ersten Blick macht der Boden des Bretterverschlags den Eindruck, als sei er fest. Thiele nimmt einen Spaten und sticht in regelmäßigen Abständen in die Erde. Plötzlich dreht er sich zu Fechtner um, der am Eingang wartet: „Hier stimmt was nicht. Hier ist der Boden ganz locker.“ Doch als er tiefer graben will, stößt der Bezirkspolizist auf etwas Hartes. Er kniet sich hin und scharrt mit den Händen. Die Steinplatte kommt zum Vorschein, gut einen Meter lang und über einen halben Meter breit. Fechtner hilft Thiele, die 60-Kilogramm-Platte an die Wand zu stellen. Wenig später kommt im lockeren Erdreich der linke Arm einer Leiche zum Vorschein. Es ist 16.20 Uhr.

      Kreisstaatsanwalt Studzinski weist an, dass die Arbeit am Fundort eingestellt, der Keller gesichert und der Leiter der Mordkommission in Haldensleben verständigt wird.

      Dort vernehmen Winter und Polizeileutnant Kühnhardt seit 15 Uhr Minna Brauer. Kurz zuvor war sie vorläufig festgenommen worden. Die 54-Jährige erzählt, dass sie „ständig sehr eifersüchtig gewesen“ sei. „Ich habe vermutet, dass Paul Verhältnisse mit anderen Frauen hat. Deshalb habe ich ihn öfter abgepasst, wenn er von der Arbeit bei der LPG kam.“ Man hätte ihr „gesteckt“, dass ihr Mann fremdginge, und das habe zu Streitereien geführt. Die Toilettenfrau, die über die dritte Klasse der Grundschule nicht hinausgekommen ist, räumt allerdings ein, dass sie selbst kein Kind von Traurigkeit gewesen ist: „Mitte der 30er Jahre hatte ich selbst Beziehungen zu anderen Männern.“ Nach 1945 hätte sie sich mit ihrem Mann besser verstanden, obwohl sie immer noch eifersüchtig gewesen sei. „Aber ich gebe zu, dass ich keinen Grund dafür hatte.“

      Dann berichtet die 54-Jährige, was sich Anfang November in ihrer Wohnung zugetragen hat. Dabei bricht sie immer wieder in Tränen aus und hält sich ihr Kopftuch vor das Gesicht. Einige Male schreit sie laut auf: „Er ist tot, er ist tot. Sperrt mich ein, macht mit mir, was ihr wollt. Ich will nichts mehr hören und sehen.“ …

      Minna Brauer hat am 3. November Nachtschicht in der Zuckerfabrik. Seit einiger Zeit verdächtigt sie ihren Mann mal wieder, dass er eine Freundin hat. „Während ich nachts im Betrieb bin, besucht er das Flittchen bestimmt“, ist sich die Klofrau sicher. Und ihr fällt eine List ein, wie sie ihren Paul überführen kann. Dazu stellt sie seine Schuhe in den Kasten unter einem dafür umgebauten kleinen Tisch. Sie fragt ihren Mann: „Gehst du heute Abend noch aus dem Haus?“ – „Nee, nee, heute bestimmt nicht mehr“, antwortet er vom Sofa aus.

      „Wenn morgen früh die Schuhe an einem anderen Platz stehen, war er noch unterwegs“, denkt Minna Brauer. Und tatsächlich, als sie am 4. November nach der Schicht nachsieht, stehen die Schuhe im Wohnzimmer neben der Nähmaschine. „Wusste ich’s doch“, ärgert sich die Frau. Sie macht auf dem Hacken kehrt und geht ins Schlafzimmer. Dort steht ihr Mann gerade auf. „Du bist ja doch noch fort gewesen“, schreit sie ihn an. Doch Paul Brauer brummt nur: „So’n Quatsch, ich war nicht weg.“ Damit lässt sich seine Ehefrau nicht abspeisen: „Du kannst aber lügen. Ich habe deine Schuhe extra in den Schuhkasten gestellt, jetzt stehen sie unter der Maschine.“ Dem Invalidenrentner ist die ganze Sache zu dumm. Er tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn und lässt seine Frau stehen.

      Minna Brauer geht in die Küche und wäscht sich. Dann legt sie sich im Schlafzimmer ins Bett. Doch sie kann nicht einschlafen. Zu sehr beschäftigt sie das vermeintliche Lügen des 64-Jährigen. Sie steht wieder auf, um nachzusehen, was ihr Mann macht. Er hat sich in der Stube auf das Sofa gelegt. Wortlos macht sie kehrt und legt sich auch wieder hin.

      Gegen Mittag wacht sie auf. Sie stellt fest, dass Paul inzwischen das Wohnzimmer geputzt und geheizt hat. Seine Frau würdigt er keines Blickes.

      Am


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