Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
Phin stemmte die Fäuste in die Hüften.
»Ach, das ist also möglich? Und darf ich vielleicht fragen, weshalb Ike dich hier ans Tor gestellt hat? Solltest du nutzloser Bursche die Leute nicht hier wegschicken?«
Da warf Billy den Kopf herum und tippte sich unmißverständlich an die Stirn.
»Ihr seid ja alle übergeschnappt«, knurrte er. »Der Corral gehört doch nicht uns. Hier kann jeder für ein paar Cents seinen Gaul unterstellen. Und nicht nur der großspurige Ike Clanton.«
Phins Augen bildete jetzt schmale Schlitze.
»Sag mal, was fällt dir verdammten Kröte eigentlich ein, he? Mir scheint, daß du nach einer Tracht Prügel schreist.«
Da fuhr die Rechte des Burschen zum Revolverkolben.
»Du solltest es wagen, mich noch einmal anzufassen.«
Phin war ein hinterhältiger Bursche. Ein faunisches Lächeln kroch über sein Kreolengesicht. Er winkte ab und meinte: »Du bist ein kleiner starrsinniger Bursche, Billy. Ich glaube ganz sicher, daß du eines Tages genauso sein wirst wie Ike.«
Und da hatte der listige Phin den Nagel auf den Kopf getroffen. Der große Bruder Ike war Billys heimliches Vorbild. Er bekrittelte ihn zwar immer laut, bewunderte ihn aber insgeheim sehr. Und, daß er einmal ein Mann wie Ike werden würde, war der Lebenstraum des kleinen Cowboys Billy Clanton, der fast auf der gleichen Stelle, auf der er jetzt stand, ein knappes Vierteljahr später die tödliche Kugel bekommen sollte.
Jack Hardac hatte dem Gespräch der beiden Brüder aufmerksam zugehört. Das waren also die Clantons. Jedenfalls zwei von ihnen. Hardac hatte schon vor Jahren von ihnen gehört und wußte genau, daß sie die verschworenen Feinde Earps waren.
Ein übler Gedanke hatte sich in sein Verbrecherhirn eingeschlichen. War das nicht die Gelegenheit, von der er jahrelang drüben in Fort Worth geträumt hatte? Bot sich ihm da nicht vielleicht die einmalige Chance, mit dem verhaßten Mann abzurechnen, der ihn gestellt hatte?
Langsam ging der Mörder Hardac auf den Rancherssohn Phin Clanton zu, der im Grunde auch nichts weiter war als ein Desperado, ein Bandit, der drüben in Mexiko Rinder stahl und der zusammen mit der Crew seines Bruders das ganze County unsicher machte.
»Mein Name ist Gilbert, Mr. Clanton. Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Er streckte Phin die Hand entgegen, die der jedoch übersah.
»Was wollen Sie?«
»Ich glaube, Mister, daß wir ein paar gemeinsame Freunde haben.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, entgegnete Phin lauernd.
»Sie werden gleich anderer Ansicht sein«, schnarrte Hardac, während er sich eine Zigarette drehte.
»Und?« fragte Phin schließlich, der seine Neugierde nur schwer zurückhalten konnte.
Hardac lächelte melancholisch.
»Einer meiner Freunde ist Virgil Earp«, begann Hardac vorsichtig. Als er es in Phins Gesicht aufblitzen sah, fuhr er rasch fort: »Die beiden wichtigsten aber sind Wyatt Earp und Doc Holliday.«
Hardac spürte genau, daß er richtig getroffen hatte.
Phin wischte sich über den Mund und musterte den Fremden forschend.
»Yeah«, krächzte er schließlich, »wir scheinen tatsächlich ein paar gemeinsame Freunde zu haben, Gilbert.«
Dann streckte Phin die Hand nach Hardacs Tabakzeug aus.
Der reichte es dem neuen Kumpan bereitwillig.
Billy lehnte vorn am Eingang.
»Ich will Ihnen keine Ratschläge geben, Mr. Gilbert, aber wenn Sie klug sind, nehmen Sie Ihren Gaul und reiten Sie weiter.«
Der Verbrecher wandte sich nach dem Burschen um.
»Diesen Satz habe ich heute schon einmal gehört«, sagte er böse. »Es war Virgil Earp, der mir diesen Rat glaubte geben zu müssen.«
»Ein guter Rat«, knurrte der Bursche, »so leid es mir tut.«
Phin stieß einen Fluch aus.
»Ich habe dir schon öfter gesagt, daß du dein dummes Maul halten sollst, Billy«, schnauzte er den Bruder an.
»Ja, ja«, murmelte der Junge, »ich weiß, ich bin ein Idiot. Ein wahres Glück für Ike, daß er noch einen so klugen Bruder hat wie dich.«
Während Phin sich die reichlich krumme Zigarette zwischen seine Zähne steckte, antwortete er ohne Ernst:
»Ich sollte dir das Maul stopfen.« Dann wandte er sich an Hardac. »Sie hatten einen Gang mit Virgil?«
»Yeah, mit ihm und mit dem Spieler. Holliday pöbelte mich drüben im Crystal Palace an, und dann kam noch sein Freund mit dem Stern dazu.«
Der Verbrecher hütete sich, die wahren Gegebenheiten dem anderen auf die Nase zu binden. Und der gerissene Phin hatte bereits eine Idee, wie er den Zorn des Fremden auf die Earps ausnutzen konnte.
»Drüben im Spanischen Haus ist gleich eine Verhandlung gegen Eddie Claiborne. Sie kennen Ed doch sicher. Ist ein netter Kerl, aber Virgil Earp paßt er nicht in den Kram, und deshalb versucht er, ihm einen Strick zu drehen. Er behauptet, daß Ed an dem Überfall auf die Wells Fargo-Kasse vor einer Woche beteiligt gewesen sein soll…« Ein lauernder Blick traf Hardac. »Ich müßte mich gewaltig täuschen, Mister, wenn Sie nicht vor einer Woche oben in Prescott gewesen wären und bezeugen könnten, daß Ed sich da aufgehalten hat.«
Hardac verstand sofort. »Sie täuschen sich nicht, Phin, ich war zufällig genau vor einer Woche oben und habe Ed in Prescott gesehen.«
Phin Clanton warf seinem Bruder einen triumphierenden Blick zu.
Der im Grunde seines Wesens mit guten Anlagen ausgestattete Billy Clanton schüttelte den Kopf und verließ den Corral.
Hardac begleitete Phin zum Spanischen Haus.
Seine Freiheit dauerte jetzt noch genau zehn Minuten.
Als er die Vorbautreppe hinaufstieg, sah er ein lackglänzendes Stiefelettenpaar vor sich. Er hob den Blick und sah in die kühlen Augen Doc Hollidays.
In diesem Moment hätte Hardac sein Geschick noch zu wenden vermocht.
Er war stehengeblieben.
Aber Phin, der hinter ihm auf der Treppe war, stieß ihn an.
»Vorwärts!«
Hardac ging weiter.
Und Doc Holliday wich keinen Zoll.
Hardac blieb einen Yard vor ihm erneut stehen. Er spürte den Stoß seines neuen Verbündeten im Kreuz, rührte sich aber nicht von der Stelle.
Der Spieler zündete sich eine Zigarette an.
Hardac blickte nach rechts – und sah in das Gesicht Virgil Earps.
Da wandte er sich nach links.
Er blieb neben dem Eingang des Spanischen Hauses stehen.
Phin raunte ihm zu: »Ich dachte schon, Sie hätten sich die Story ausgedacht. Wär Ihnen übrigens nicht gut bekommen. – Well, jetzt weiß ich, daß die Schufte tatsächlich scharf auf Sie sind. – Aber weshalb sind Sie dem Georgier ausgewichen? So etwas können wir uns hier nicht erlauben.«
Der Vorwurf trieb Hardac die Zornesröte in die Stirn. Er warf den Kopf herum und schoß dem neuen Genossen einen wütenden Blick zu.
»Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan, Phin, he?«
»Er wäre zurückgegangen!« Klirrend kamen die Worte von der Stelle her, an der der Spieler stand.
Die beiden fuhren zusammen.
Phin ballte die Hände, schwieg aber.
Und Hardac war immerhin