Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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mir nicht so leicht davon. In den letzten Jahren hatte ich gehofft, dass du lernen würdest, Respekt vor den Göttern zu zeigen. Zweitausend Jahre zuvor hätte ich dich für solch eine Blamage von den Zentauren zerfetzen lassen. Du bist viel zu sehr ein Abaddoner, um noch als Olympierin durchgehen zu können. Dein Blut ist schmutzig! Ich hätte es wissen müssen. In dem Augenblick, als du zur Welt gekommen bist und diesen Gestank von Andersartigkeit verbreitet hast. Ich hätte dich aussetzten und von den Menschen großziehen lassen sollen, wie Zeus es mir geraten hatte. Aber nein! Ich behielt dich. Schenkte dir das Leben eines Gottkindes und wie dankst du es mir? Ich bin mittlerweile das Gespött des gesamten Olymps.« Das Gesicht der Liebe verzog sich zu einer wütenden Fratze. Dabei sah sie immer noch atemberaubend schön aus. Ein wütender, naseschnaubender Engel. »Willst du mir freiwillig erzählen, was du heute angestellt hast? Oder muss ich dich dazu zwingen?«

      Zitternd öffnete ich meinen Mund. Ihre Worte schmerzten wie eine Ohrfeige. Ich schluckte schwer. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Schwestern mit neugierigen Augen auf meinen Zusammenbruch warteten. Alleine Diamond formte mit besorgtem Gesichtsausdruck die Worte: Erzähle es ihr.

      Erneut sah ich zu Aphrodite auf. »Ich habe nichts falsch gemacht«, hörte ich mich schließlich sagen. Ich klang bockig. Mein Mund sprach einfach ohne meine Zustimmung.

      Heißer Trotz stieg in mir auf. Schön! Meine Mutter schämte sich für mich? Hielt mich für eine Missgeburt, wie es all die anderen auch taten? Dann würde ich ihr auch nicht den Gefallen tun und winselnd um Vergebung bitten. Ich hatte nichts Falsches gemacht … theoretisch.

      Störrisch presste ich die Lippen zusammen.

      »Ach, ist das so?«, fragte die Göttin trügerisch ruhig. Ein seltsames Leuchten huschte über ihre Augen. »Ich wurde also von Zeus aus dem Olymp geworfen, um nach meiner ungehorsamen Tochter zu sehen wegen rein gar nichts?«

      Ängstlich kniff ich die Augen zusammen und duckte mich instinktiv, als die geballte Macht der Göttin mich fixierte und wie ein Faustschlag in den Magen traf. Keuchend krümmte ich mich zusammen und spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen.

      »Das ist deine letzte Chance, mir freiwillig zu erzählen, was heute passiert ist, Warrior!«, warnte mich Aphrodite. Die Macht in ihrer Stimme riss mir die Worte praktisch aus dem Mund. Ich sollte es ihr erzählen! Sollte ihr beichten, dass ich meinen Ausweis vergessen, den Arzttermin verpasst und aus Versehen für den Tod von einem der Höllenhunde verantwortlich war. Außerdem roch ich so penetrant nach Blumen, dass die halbe vampirische Unterwelt hinter mir her war und ich nicht mehr nach Abaddon durfte. Ich sollte es ihr einfach beichten, meine Strafe kassieren und in mein Zimmer verschwinden. Ich sollte … Ach, ich sollte viel und würde es dennoch nicht tun.

      »Wie du willst!«, fauchte Aphrodite. Magie erfüllte den Raum und durchschnitt meine sorgfältig errichtete Selbstbeherrschung so mühelos wie ein heißes Messer, das durch Butter schnitt. Unbarmherzig trat die Göttin der Liebe auf mich zu, packte mein Kinn und drang mit roher Gewalt in meinen Verstand ein. Wie ein heißer Schürhaken schlug ihre Macht durch meinen Schädel und begann sich durch meine Gehirnwindungen zu bohren. Schmerzerfüllt schrie ich auf und schmeckte süßes Blut auf der Zunge, während Aphrodite meinen Kopf durchwühlte. Hilflos wand ich mich unter dem festen Griff ihrer Finger, als sie mit erschreckend chirurgischer Genauigkeit meine Erinnerungen der letzten Stunde freilegte.

      »Zeig mir, was du schon wieder angestellt hast, Warrior. Zeig mir, wieso dein Vater glaubt, ich sollte dich am besten heute noch weg­sperren! Was verbirgst du vor mir?«

      »Mutter, bitte nicht!« In den kalten hellblauen Augen der Göttin konnte ich mein eigenes verhülltes Spiegelbild sehen. Die bleiche Haut unter den scharfen, rot lackierten Fingernägeln. Ich sah mich selbst. Klein, schwach und minderwertig. Wenn die Göttin Informationen wollte, konnte niemand sie davon abhalten.

      Niemand konnte die Liebe belügen.

      Gewaltsam holte sie meine Gefühle hervor. Diese ungefilterte Flut ließ mich zitternd nach Luft schnappen. Die Kapuze rutschte mir vom Kopf. Eine Kaskade aus goldenen Locken floss über meinen Rücken. Sterne tanzten vor meinen Augen, während sich der Geruch nach Rosen mit dem süßen Geschmack von Blut in meinem Mund vermischte.

      »Bitte, Mutter! Aufhören!«, stieß ich keuchend hervor.

      Leider hatte die Göttin erst mit ihrer Bestrafung begonnen. Eine Erinnerung nach der anderen kam an die Oberfläche. Sie entriss mir jeden gehässigen Gedanken gegen meine Brüder, jedes Lachen mit Sokrates, jedes Gefühl der Zuneigung für Madox. Angst und Abneigung gegen die Hölle kamen hervor. Das Gefühl der Einsamkeit.

      Klackernd fiel meine Sonnenbrille zu Boden, sodass ich ungeschützt in das blendend helle Gesicht der Liebesgöttin blicken musste. Tränen quollen mir aus den Augenwinkeln. Der Schmerz in meinem zerwühlten Kopf wurde beinahe unerträglich. Er pulsierte, fühlte sich dick und geschwollen an, während meine Nase zu bluten begann. Warme Nässe füllte meinen Mund. Es kam mir vor, als würde die Liebesgöttin mein hässlichstes Innerstes nach außen kehren, bis nur noch eine leere Hülle zurückblieb.

      Langsam wurde mir schwarz vor Augen. Meine Atmung stockte und mein Herz pochte vor Anstrengung. Ohne Mitgefühl sah die Göttin auf mich herab. Keinerlei Menschlichkeit war in ihren Augen zu erkennen. Sie würde mich umbringen! Panik überfiel mich, als mich die Erkenntnis wie eine Ohrfeige traf. Meine Mutter würde mich in diesem Zustand sofort und ohne mit der Wimper zu zucken töten. In Augenblicken wie diesen war sie nicht meine Mutter, sondern die Göttin. Wenn sie wollte, würde sie mir auch noch den letzten Rest meiner Gedanken entreißen, bis mein Herz vor Anstrengung versagte. Panisch versuchte ich, meine Hand zu heben. Versuchte, ihren Griff um mein Kinn zu lockern, und schaffte es nicht einmal mehr, richtig zu atmen. Immer schneller spürte ich meine Erinnerungen und Gefühle hervorquellen. Spürte, wie sich mein Hirn in konfuse Leere auflöste, bis sich ein Bild, viel schärfer und klarer als all die anderen, vor meine Augen schob. Aphrodite sah es ebenfalls. Ihre Nägel rissen vor Schreck die Haut an meiner Wange auf. Das Bild eines wunderschönen jungen Mannes mit dunklen blauen Haaren tauchte vor uns auf. Beinahe glaubte ich, den Geruch nach Ozon einzuatmen, während kleine Blitze durch seine Haare zuckten. Seine Präsenz war, obwohl sie nur eine Erinnerung war, genauso überwältigend wie wenige Stunden zuvor. Eine atemberaubende Aura von Macht umgab ihn. Die Erinnerung des Jungen runzelte seine Stirn. Das Grau seiner Augen war kälter als Eis, während er uns ebenfalls zu beobachten schien.

      »Bei allen Göttern! Er …«, hörte ich Aphrodite wie aus weiter Ferne flüstern. Die Worte drangen tief in meinen Verstand ein. Die Erinnerung begann sich zu regen. Sein Gesicht verzog sich zu einer wütenden Grimasse. Grelle Blitze zuckten über seine Alabasterhaut.

      »Lass sie los!«, bellte der Junge. Seine Stimme dröhnte mit der Macht eines Gewitters durch meinen Kopf. Mein Verstand wackelte, als hätte ein Blitz ihn durchschlagen. Aphrodite und ich schrien gleichzeitig auf. Die Finger der Liebesgöttin lösten sich von meiner Haut. Wie zäher Schleim floss ihre Präsenz aus meinem Kopf heraus. Keuchend schnappte ich nach Luft. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Langsam ebbten die Schmerzen zu einem heftigen Pochen ab. Meine Erinnerungen wirbelten aufgeschreckt durcheinander. Mir wurde schlecht, als mich Aphrodite hart von sich stieß. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Die Lippen geöffnet, während sie heftig ein- und ausatmete.

      Magie peitschte unvermindert in wütenden Böen um ihren perfekten Körper, der unaufhörlich sein Aussehen veränderte. Neben ihr standen meine Schwestern und starrten uns entsetzt an. Diamond war furchtbar blass um die Nase. Opal sah aus, als würde sie jeden Augenblick mit einem affektierten Schrei in Ohnmacht fallen. Eine drückende Stille legte sich über das Wohnzimmer.

      »M-Mutter?«, fragte ich und schluckte den bittersüßen Geschmack nach Blut hinunter. In den Augen der Göttin stand nackte Mordlust. Ihr Körper zitterte immer noch. Zappte von einem Aussehen zum nächsten.

      »Was hast du getan? Du miese kleine …«, setzte sie an, als sich plötzlich eine zarte Hand auf ihre Schulter legte. »Mutter. Ich denke, Warrior hat ihre Lektion gelernt. Sie wird auf ihr Zimmer gehen und es in den nächsten Tagen nicht mehr verlassen. Das verspreche ich!« Diamond lächelte tapfer. Die Augen


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