Warrior & Peace. Stella A. Tack

Warrior & Peace - Stella A. Tack


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zischte ich Spade wütend zu. Er kicherte nur leise. Zähneknirschend sah ich Hades an und antwortete ihm kleinlaut: »Es war nichts, Daddy. Ein Vampir hat für kurze Zeit meine Fährte aufgenommen. Ich hatte aber kein Problem, ihn abzuschütteln.«

      »Mit einem wagemutigen Kopfsprung in den Müll«, ergänzte Spade amüsiert, was meine restlichen Brüder polternd auflachen ließ. Wütend trat ich ihm gegen das Schienbein, was er mit einem noch festeren Tritt kommentierte. Woher wusste Spade davon? Lautlos fluchend zuckte ich zusammen. Im gleichen Augenblick landete Madox’ Faust auf Spades Wange. Dessen blonder Kopf schleuderte zurück. »Lass sie in Ruhe!«

      Spade wischte sich zähnefletschend das Blut von der Unterlippe. »Bist du lebensmüde, Madox?«, grollte er. Seine Augen leuchteten glutrot. Das vampirische Erbe seiner Mutter schien heute stärker aus ihm hervorzubrechen als üblicherweise. Zudem glaubte ich, den schwachen Duft von Blut in seinem Atem wahrnehmen zu können.

      »Schluss mit dem Gezanke, meine Süßen«, unterbrach Persephone Spade und Madox, bevor die beiden sich prügelnd über den Esstisch wälzen konnten. »Ihr könnt euch später noch prügeln, jetzt wird gegessen. Und Warrior, ich habe mit deinem Vater gesprochen. Wir sind uns einig, dass du für dein schlechtes Benehmen keinen Nachtisch verdient hast«, säuselte die Göttin.

      Spade prustete. Ich schürzte die Lippen. Schon wieder keinen Nachtisch? Persephone schien neben gelegentlicher Folter auch den Entzug von Süßigkeiten als einheitliche Erziehungsmethode zu sehen. Leider schaffte sie es damit tatsächlich, mir jedes Mal eins auszuwischen. Ich liebte Süßes und das wusste die Göttin ganz genau.

      Lächelnd klatschte sie in ihre Hände und ließ damit die Bediensteten ein. Der Butler, in diesem Fall ein Geist aus dem 18. Jahrhundert, der meinem Vater schon als Mensch gedient hatte und nach seinem Tod einfach nicht entlassen worden war, servierte das Essen auf großen silbernen Tabletts. Die Teller von Hades und Persephone blieben leer. Stattdessen servierte er ihnen langstielige Gläser mit einer rot schimmernden Flüssigkeit. Ein ungeübter Blick könnte den Inhalt mit Rotwein verwechseln, tatsächlich jedoch befand sich in den Gläsern reine Ambrosia. Das einzig Stoffliche, das Götter zu sich nehmen konnten. Zumindest, soweit ich wusste. Keiner von ihnen aß oder trank regulär. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie in der Nacht schliefen. Oder aufs Klo mussten. Madox und ich hatten diesbezüglich noch eine Wette offen.

      »Bitte, fangt an«, lud Persephone lächelnd ein, was sich meine Brüder nicht zweimal sagen ließen. Wie Wölfe fielen sie über das Essen her. Kopfschüttelnd nahm ich mir ein paar Bratkartoffeln und etwas von dem spärlich zubereiteten Gemüse. Als Vegetarier war man in dieser Familie ziemlich aufgeschmissen. Die Jungs verdrückten ganze Spanferkel mit Stumpf und Stiel, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein Stückchen Brokkoli hingegen jagte ihnen mehr Angst ein als eine Armee von Ghulen. Lustlos stocherte ich in meinem Essen und schielte zu Madox hinüber, der sein Steak hinunterschlang. Es war very rare, sodass bei jedem Biss ein wenig Blut aus seinem rechten Mundwinkel tropfte. Der Geruch nach Verfall und totem Fleisch stieg mir in die Nase. Augenblicklich wurde mir schlecht und ich schob mir eine Kartoffel in den Mund, um nicht lauthals würgen zu müssen. Hektisch begann ich zu kauen, hörte Sekunden später damit auf und verzog das Gesicht. Das Gemüse schmeckte wie Asche. Stirnrunzelnd starrte ich auf meinen Teller und schnupperte. Es roch vollkommen normal.

      »Ist alles in Ordnung, meine Liebe?«, fragte Persephone leise. Lächelnd sah ich auf. »Äh … ja, danke! Alles in Ordnung. Es schmeckt ausgezeichnet!« Jetzt stopfte ich mir eine gebratene Karotte in den Mund, die mir beinahe wieder hochkam. Der Geschmack war einfach widerlich. Krampfhaft versuchte ich, den Bissen zu schlucken. Ich blinzelte ein paar angestrengte Tränen weg und grinste mit dicken Hamsterbacken, was mir ein angewidertes Kopfschütteln von Persephone einbrachte. Aber immerhin hörte sie auf, mich anzustarren. Schaudernd würgte ich das Zeug herunter und musterte misstrauisch den Teller. Was war nur los? Angeekelt stocherte ich in dem ungenießbaren Essen und beobachtete Hades, der genüsslich von seiner Ambrosia trank. Die Konsistenz war dickflüssig, der Geruch äußerst kräftig. Um ehrlich zu sein, stank es immer ein wenig vergoren. Doch nun fand ich den Geruch angenehm süßlich. Ein wenig wie Honig. Fasziniert sah ich den beiden Göttern beim Trinken zu, während Hades versonnen seine Frau anlächelte und tief einatmete. »Übrigens, meine Liebe, du duftest heute wundervoll nach Rosen, das gesamte Haus riecht danach. Es ist einfach berauschend.«

      Die Göttin lächelte, verzog jedoch ein wenig verwirrt das Gesicht. Das Glas erstarrte auf dem Weg zu ihrem Mund. »Wie bitte?«

      »Dein Geruch!«, erklärte ihr Hades geduldig. »Berauschend. So intensiv wie seit Jahrhunderten nicht mehr.«

      Persephone lächelte sichtlich irritiert. »Ich danke dir für das Kompliment, mein Lieber, aber ich trage heute gar keinen Rosenduft.«

      Hades runzelte verwirrt die Stirn. »Aber was …?«

      Spade neben mir grunzte entnervt und wischte sich die fettigen Finger an der Hose ab. »Es ist die kleine Missgeburt neben mir. Sie stinkt schon die ganze Zeit wie ein Blumengarten. Man riecht es in der gesamten Unterwelt. Es wurde bereits ein Preisgeld auf den Inhaber des Dufts ausgesetzt. Die Vampire spielen verrückt.«

      Erschrocken verschluckte ich mich am Brokkoli und hustete.

      Die Gesichtszüge der Götter entgleisten. Meine Brüder hörten auf zu essen und starrten mich an.

      Scheiße.

      Fünf

      Sie waren mächtig, unsterblich, gelangweilt und hatten eindeutig zu viel freie Zeit

      »Du wirst zurück in die Menschenwelt gehen! Deine Mutter wurde bereits benachrichtigt. Sie wird wissen, was zu tun ist. Hier unten kannst du zumindest nicht bleiben!« Aufgebracht lief Hades im Salon auf und ab. Sein Gesicht war eine kalte Maske des Grauens. Bei jedem wütenden Schritt waberten dunkle Wolken um seine Füße. Persephone hatte sich derweil auf einem rotgoldenen Diwan niedergelassen und trank genüsslich Ambrosia. Es war bereits ihr fünftes Glas.

      »Nun übertreib aber nicht, mein Lieber! So berauschend ist dieser Geruch nicht. Er stinkt beinahe …«

      »Mach dich nicht lächerlich, Persephone! So etwas habe ich seit Jahrtausenden nicht mehr gerochen und wenn die Vampire Interesse an ihr bekommen, ist es nicht mehr sicher genug für sie hier unten!« Hades schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Aphrodite weiß, was zu tun ist. Bis dahin wirst du die Unterwelt nicht mehr betreten, hast du mich verstanden, Warrior?«

      »Ja, Daddy«, murmelte ich kleinlaut. Ich durfte die Unterwelt zu meiner eigenen Sicherheit nicht mehr betreten? Kein Problem! Leider würde mich das von Madox trennen.

      Er hatte sich nach Spades Enthüllung – Die Vampire der Unterwelt sind hinter Warriors blumig duftendem Hintern her! – und Hades’ zwangsläufig folgendem Ausraster hinter mir aufgebaut und funkelte jeden finster an, der mir zu nahe kam.

      »Na und?«, schnaubte er soeben und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Flügel raschelten aufgeregt. »Was hat es schon zu bedeuten, dass sie nach Blumen riecht? Es schadet doch niemandem. Mutter hat auch einen lebenden Blumengarten auf ihrem Kopf.«

      Hades warf seinem Sohn einen vernichtenden Blick zu.

      »Stell dich nicht dümmer, als du bist, Sohn. Wenn selbst ihr Geruch anziehend wirkt, müssen wir sie von der Umwelt isolieren. Sie könnte alles ins Chaos stürzen. In ihr schlummert viel mehr Zerstörungskraft, als diese Idioten vom Olymp anerkennen wollen. Aphrodite sollte es ebenfalls besser wissen. Sie konnte es noch nie leiden, von einem ihrer Kinder in den Schatten gestellt zu werden.«

      Schnaubend riss Persephone die grünen Augen auf. »Nun übertreib nicht schon wieder so maßlos, Hades. Die Kleine ist doch nur ein Mensch!« Sie sah unendlich genervt aus und schien es nicht lassen zu können, ständig die Nase zu rümpfen, als würde etwas schlecht riechen.


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