Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Sohn bereitete also das Frühstück zu. Sonntags war es seine größte Freude, sie mit einem perfekt gedeckten Tisch zu überraschen.
Barbara schlüpfte in einen leichten Morgenrock und schlenderte zu Robin.
»Hast du gut geschlafen, Mami?«
»Ja, Robin.« Sie drückte ihm ein Küsschen auf das volle Haar und beobachtete gerührt, wie er vorsichtig zwei Eier in kochendes Wasser gleiten ließ. »Und du?«
»Es geht«, antwortete er. »Peter hat die Tür so zugeknallt, als er ging. Da bin ich aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen. Es war Punkt ein Uhr.«
Barbara schwieg. Am liebsten hätte sie eine ironische Bemerkung gemacht über Robins Schlaftrunk, den sie weggegossen hatte. Aber sie unterließ es in der Hoffnung, dass diese Angelegenheit nun ein für alle Mal erledigt war.
»Warum geht Peter Knoll eigentlich immer um Punkt eins, Mami? Warum nicht mal früher oder später?«
Barbara sah ihren Sohn nachdenklich an. Sie hatte sich darüber auch schon Gedanken gemacht, konnte aber keine Erklärung dafür finden.
»Wahrscheinlich braucht er seinen Schlaf, Robin. Wie wir alle. Schließlich muss er sehr viel arbeiten.«
Der Blick, der sie aus den Augenwinkeln ihres Sohnes traf, hatte fast etwas Komisches, so misstrauisch war er.
»Ob der richtig arbeitet?«
»Natürlich arbeitet er richtig«, betonte sie verärgert und verließ die Küche, um sich ins Bad zu begeben. Dort stand sie lange nachdenklich vor dem Spiegel. Sie fand sich nicht sehr hübsch. Die Nase war zu kurz, der Mund zu klein. Nur die Augen waren schön. Sie waren groß und ausdrucksvoll, von dichten dunklen Wimpern umrahmt, wie auch Robin sie hatte.
Patzig, weil sie mit sich unzufrieden war, streckte sie ihrem Spiegelbild die Zunge heraus und stellte sich schnell unter die Dusche. Das kalte Wasser sollte sie wecken und ihre verbitterten Gedanken fortspülen. Der vergangene Abend hatte ihr gezeigt, wie wenig Peter Knoll an ihrem Leben Anteil nahm. Er machte Pläne für seine Geschäftsfreunde und deren Frauen, an denen sie nicht teilnehmen konnte. Obwohl sie fest überzeugt war, dass er keine anderen Frauenbekanntschaften hatte, überkamen sie doch Zweifel an seiner Liebe zu ihr. Zugleich schämte sie sich, dass sie so an ihm hing. Ihr Leben war schon verworren genug durch die doppelte Belastung im Beruf, als Mutter und Hausfrau. Peter gab ihr jedoch wenigstens das Gefühl, eine anziehende Frau und eine zärtliche Geliebte zu sein. Konnte sie mehr erwarten? Sie hatte ein uneheliches Kind und würde ihm nur Schwierigkeiten aufbürden, wenn er sich an sie binden müsste. Musste sie nicht Verständnis für ihn haben, wie sie es auch für Robin hatte?
Ein verlockender Kaffeeduft stieg Barbara in die Nase. Als sie das Bad verließ, hatte sie ihre Probleme vergessen. Sie freute sich auf das gemeinsame Frühstück mit Robin. Solange er da war, konnte sie auf Peter Knoll verzichten. Wenigstens am Morgen.
»Wenn du willst, besuchen wir heute ein Museum, Robin«, schlug Barbara etwas später vor. »Wir sind so selten beisammen. Ich habe mich entschlossen, heute Abend zu bügeln. Irgendwie wird es schon gehen.«
»Au prima, Mami.« Robins Augen blitzten vor Freude auf.
Barbara lächelte zufrieden. Sie musste nur für ihn da sein, dann würde er gegen die Versuchungen der Großstadt schon gefeit sein. Wenn sie sich Zeit für ihn nahm, würde er weiterhin Vertrauen zu ihr haben und sich nicht dazu anstiften lassen, Schnaps zu trinken oder ähnliche Dummheiten zu begehen.
Zwei Stunden später erschien Kai. Er zeigte stolz eine Handvoll Münzen, die ihm sein Vater geschenkt hatte.
»Im Kino an der Ecke läuft ein Abenteuer-Film«, verkündete er begeistert. »Mein Papi hat gesagt, ich soll Robin einladen.«
»Darf ich?«, fragte Robin und sah seine Mutter bittend an. »Dann gehen wir eben nächsten Sonntag ins Museum.«
Barbara konnte ihm den Wunsch nicht abschlagen. Sie schlug den beiden Jungen vor, auf dem Rückweg ein Stück Kuchen zu kaufen und es nach der Vorstellung bei ihr zu verschmausen.
Robin fiel ihr selig um den Hals. »Du bist die beste Mami der Welt. Wenn du willst, gehe ich heute Abend mit dir spazieren. Oder kommt Peter wieder?«
»Wir können vorher spazieren gehen, Robin. Darauf freue ich mich.«
Sie sah den beiden Jungen nach, als sie in ihren gelben Regenjacken die Straße entlangliefen. Nun waren sie wirklich zwei nette gesunde Jungen, die sich auf ihr sonntägliches Vergnügen freuten. Barbara atmete auf. Das mit dem Gin war bestimmt nur ein harmloser Streich gewesen. Nichts anderes als ein Witz.
Dann begann sie zu bügeln. Es war weniger Wäsche, als sie gedacht hatte. Schon nach einer halben Stunde war sie fertig. Sie ging in Robins Zimmer und warf einen Blick auf die kleinen bunten Fische. Hatte er die Tiere überhaupt gefüttert?
Ganz in Gedanken nahm Barbara eine der runden Blechdosen, in denen Robin gewöhnlich das Fischfutter aufbewahrte, und öffnete sie. Sie musste zweimal hinschauen, um zu begreifen, was sie sah. In der Dose war keine Spur von Fischfutter. Dafür lagen darin drei Zigarettenstummel und Asche.
Barbaras Hände zitterten. Robin trank nicht nur heimlich, er rauchte auch. In ihrer Erregung schloss Barbara die Augen für einen Moment. Sie musste sich konzentrieren und überlegen, was nun zu tun sei. Fieberhaft durchsuchte sie Robins Sachen, spähte zwischen seine frische Wäsche und seine Bücher und suchte nach einer verborgenen Zigarettenschachtel. Eine grenzenlose Wut überkam sie. Wofür gab Robin eigentlich sein Taschengeld aus? Sie gab ihm genau so viel, wie die meisten seiner Altersgenossen bekamen. Sparte er denn nicht wie früher auf irgendein Zubehör für sein Fahrrad oder das Aquarium?
Barbara griff nach der anderen Blechdose. In ihr befand sich wirklich Fischfutter. Barbara streute ein wenig davon ins Aquarium. Dabei kam ihr eine Idee. Sie nahm Robins Schultasche vom Haken und leerte sie hastig aus. Zwischen den Büchern und Heften lag ein zerdrücktes Päckchen einer gängigen Zigarettenmarke. Es war leer.
Barbara zerknautschte das Päckchen nervös zwischen ihren schlanken Fingern, als sie nachdenklich zum Aquarium trat und die fressenden Tiere beobachtete. Sie war ganz sicher, dass ihr Sohn durch Kai Platen auf diese Ideen gebracht worden war. Robins Freund, rein äußerlich ein netter, gut erzogener Junge, stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus. Vor einigen Jahren war seine Mutter verunglückt, aber sein Vater hatte vor Kurzem wieder geheiratet. Und wenn Kai auch nicht gerade schmeichelhafte Bemerkungen über seine Stiefmutter machte, so erwähnte er seinen Vater doch immer voller Respekt und Liebe.
Rasch warf Barbara die Zigarettenreste und das Päckchen fort, als könnte sie damit das Problem bereinigen. Dann ging sie ruhig in ihr Schlafzimmer, legte sich mit offenen Augen auf ihr Bett und zwang sich zu klaren Überlegungen.
Sie hatte Peters Telefonnummer, wusste aber aus Erfahrung, dass er tagsüber, wenn er an seiner Arbeit saß, nicht an den Apparat ging. Zudem hatte sie schon am Vorabend begriffen, dass es sinnlos war, mit ihm über Erziehungsprobleme zu sprechen. Außerdem wollte sie, wie sie es versprochen hatte, nicht petzen. Nicht petzen? Aber musste sie nicht mit irgendjemandem über die Angelegenheit sprechen, sich Rat holen?
In einer halben Stunde würden Robin und Kai fröhlich und unschuldig mit einem Kuchenpaket heimkehren. Sie würde sich nichts anmerken lassen. Aber sie musste einiges über den Freund ihres Sohnes in Erfahrung bringen. Sicherlich war es Kai, der Robin zu all diesen Taten anstiftete.
Plötzlich erhob sich Barbara und holte das große Telefonbuch hervor. Kais Mutter erwartete ein Baby und schien sehr unter diesem Zustand zu leiden. Vielleicht ahnte die junge Frau gar nicht, in welche seelischen Qualen sie den Sohn ihres Mannes stürzte? Gab es nicht Kinder, die aus purer Eifersucht auf ein jüngeres Geschwisterchen Unsinn machten, damit ihre Eltern sich mehr um sie kümmerten?
Barbara suchte die Telefonnummer von Kais Vater heraus. Thomas Platen, Bauunternehmer. Es war eine ganze Reihe von Nummern, die unter diesem Namen stand. Barbara wählte die der Villa. Eine sympathisch klingende Stimme meldete sich.
Als Barbara nach einer Weile auflegte, hatte