Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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verständigt, Frau Martell. Sie hatten Ihre Handtasche mit den Papieren noch fest in der Hand. Es ist Ihr Wagen gewesen, nicht wahr?«

      »Ja, natürlich ist es unser Auto. Ach so, jetzt weiß ich es wieder. Die Straßenbahn! Wie kam es, dass sie plötzlich aus dem Gleis sprang?«

      »Keine Ahnung, gnädige Frau. Ich bin Arzt. Sie haben Glück gehabt. Vorsichtshalber behalten wir Sie bis morgen früh hier. Aber soviel wir feststellen konnten, handelt es sich nur um eine leichte Gehirnerschütterung und um einen kleinen Schock. Das geht vorüber, wenn Sie sich zu Hause ein bisschen schonen. Allerdings sind Sie ziemlich lange ohne Bewusstsein gewesen. Das kann auf die Schockwirkung zurückzuführen sein. Ich soll Ihnen Grüße von Ihrem Mann ausrichten. Er will gegen Abend kommen.«

      Hanna hörte nicht genau zu. Die Worte: Wir haben Ihren Mann verständigt, hallten dumpf und drohend in ihr nach. »Was …, was haben Sie ihm gesagt?«, flüsterte sie etwas mühselig.

      »Nun, dass Sie hier eingeliefert wurden nach einem Unfall und dabei noch Glück gehabt haben.«

      »War er sehr aufgeregt?«

      »Ich denke schon. Aber wir konnten ihn beruhigen.«

      »Wie …, wie geht es Dr. Bruck?«

      »Er hat zwei Rippen gebrochen. Schmerzhaft, aber nicht gefährlich. Außerdem war ein Arm ausgekugelt.»

      »Muss er hier im Krankenhaus bleiben?«

      »Nein. Er wollte in sein Hotel zurück. Zimperlich ist er nicht. Wir haben ihm einen Leukoplastverband angelegt.«

      Hanna besaß nicht den Mut, weitere Fragen zu stellen. Jedenfalls nicht nach dem falschen Dr. Bruck. Sie fühlte sich befreit, weil Georg die Klinik bereits verlassen hatte.

      »Wissen Sie, was mit unserem Wagen geschehen ist?«

      »Keine Ahnung. Er wird in eine Werkstatt gebracht worden sein. Das erfahren Sie morgen früh bei der Polizei.«

      »Ja, natürlich.» Hanna schwieg. Das Sprechen hatte sie angestrengt. Der fremde Arzt, der nicht einmal daran gedacht hatte, ihr seinen Namen zu nennen, verließ das Zimmer, versprach aber in einer Stunde wieder nach ihr zu sehen.

      Hanna hob den Kopf und entdeckte auf dem Nachttisch ihre Armbanduhr, die sie zu sich heranzog. Zwei Uhr nachmittags. Das Hämmern hinter ihren Schläfen war fast unerträglich.

      Nach einer Weile kam eine Schwester herein. Sie trug Hannas Kleidung über dem Arm.

      »So, Frau Martell. Wir hatten die Sachen in der Ambulanz liegen. Die Handtasche steht da im Wandschrank Die beiden Schmuckkästchen habe ich dazugelegt. Die Rettungssanitäter hatten alles fein säuberlich aufgesammelt, als sie Sie zu uns brachten.«

      »Die Schmuckkästchen? Darf ich mal sehen?«

      »Sicher. War etwas darin? Im allgemeinen geht bei Unfällen nichts verloren. Unsere Rettungssanitäter sind gewissenhaft.« Die Schwester reichte Hanna die beiden Kästchen.

      Ja, die beiden kostbaren Stücke lagen unversehrt darin. Hanna starrte darauf und konnte sich keinen Reim machen.

      »Alles in Ordnung, Frau Martell?«, erkundigte sich die Schwester.

      »Ja. Die Sachen müssen heruntergefallen sein im Wagen.«

      »Möglich. Bei einem Zusammenstoß kommt alles durcheinander. Darf ich mal sehen? Wie wunderschön! Gehören die beiden Stücke Ihnen?«

      »Ja, ein Geschenk von meinem Mann.«

      »Herrlich. Beinahe könnte man ein bisschen neidisch werden. Soll ich die Sachen wieder in den Schrank tun?«

      »Das wäre nett von Ihnen. Vielen Dank.«

      »Die Kleider tue ich auch weg. Es sieht dann ordentlicher aus.«

      Hanna konnte beobachten, wie die Schwester Mantel und Kleid sorgsam über einen Bügel hängte.

      »Haben Sie noch einen Wunsch, Frau Martell?«

      »Nein, danke. Ich will versuchen, ein bisschen zu schlafen.«

      Die Schwester nickte ihr freundlich zu und ging hinaus. Hanna schloss die Augen. Ich kann’s nicht ändern, dachte sie. Nun sind die beiden Schmuckstücke eben hier. Sie müssen Georg aus der Tasche gefallen sein bei dem Zusammenprall.

      *

      Georg Pflug hatte den Verlust der beiden Schmuckkästchen gar bald festgestellt. Deshalb hatte er darauf bestanden, so rasch wie möglich aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Er kaufte sich Schmerztabletten und fuhr mit einer Taxe zum Hotel, um sich umzuziehen, nahm einige Tabletten und machte sich erneut auf den Weg. Erst nach einigen vergeblichen Bemühungen gelang es ihm den arg mitgenommenen Wagen des Professors, der von der Polizei sichergestellt worden war, zu finden. Seine Enttäuschung war groß, als man ihm nicht gestattete, das Wageninnere zu durchsuchen. Seine ärgerlichen Erklärungen, dass ihm bei dem Unfall Wertgegenstände abhanden gekommen seien, nützten ihm nichts.

      »Am besten ist es, Sie geben genau zu Protokoll, was fehlt. Falls sich die Sachen nicht finden, müsste man Anzeige gegen Unbekannt erstatten. Es kommt schon mal vor, dass Wertsachen in der allgemeinen Verwirrung gestohlen werden, wenn ein Unfall passiert und eine Menge Leute herumstehen. Aber meist findet sich alles wieder. Sorgen Sie sich also nicht allzusehr, Herr Dr. Bruck.« Der Beamte war vollkommen ruhig und ahnte nicht, wie schwierig die Lage für den sogenannten Herrn Dr. Bruck nun geworden war. »Das wichtigste ist, dass niemand ernstlich verletzt worden ist«, fügte er hinzu. »Möchten Sie nun, dass wir über die in Verlust geratenen Gegenstände ein Protokoll anfertigen?«

      »Jetzt nicht. Ich werde wiederkommen.«

      Georg Pflug verließ das nüchterne Büro des Wachtmeisters, der den Kopf über diesen aufgeregten Besucher schüttelte. Wenn die Sachen so wertvoll waren, musste doch unter allen Umständen ein Protokoll angefertigt werden …

      »Wohin jetzt?«, fragte der Taxifahrer, der draußen gewartet hatte.

      Georg Pflug zögerte ein paar Sekunden. Dann nannte er die Klinik, in der man ihn ärztlich versorgt hatte. Er war aufgeregt und zugleich zornig. Die entgleiste Straßenbahn hatte für ihn eine regelrechte Katastrophe heraufbeschworen. Ich muss den Schmuck wiederkriegen, überlegte er. Er kann ja nicht vom Erdboden verschwunden sein.

      Er fragte sich zu Hannas Zimmer durch, klopfte an und trat ein.

      Hanna fuhr aus ihrem Halbschlummer auf. »Was willst du?«, fragte sie erschrocken.

      »Die beiden Kästchen mit dem Schmuck sind weg, Hanna.«

      Hanna holte tief Atem. Sie sah die Angst in seinen Augen flackern. Etwas wie Mitleid überkam sie. Obwohl er sich auf dem Schiff an Geldsachen und Schmuck bereichert hatte, schien er wirklich in der Klemme zu stecken.

      »Geh dort an den Schrank«, flüsterte sie. »Jemand hat den Schmuck gefunden und angenommen, dass er mir gehört. Die Sachen sind dir wohl aus der Tasche gefallen und lagen im Wagen.«

      Mit einem Schritt war Georg am Schrank und riss dessen Tür auf. Seine Hände zitterten, als er die beiden Kästen an sich nahm und öffnete.

      »Tatsächlich, es ist alles noch da.« Er steckte die beiden Kästchen ein. Plötzlich lachte er. »Mensch, Hanna, das nenne ich Glück im Unglück. Ich werde das Zeug noch heute zu Geld machen. Dann reise ich ab. Gleich morgen früh. Mit der Beweisaufnahme für den Unfall will ich nichts zu tun haben. Es könnte peinlich werden, wenn dein Mann erfährt, dass wir uns getroffen haben. Ich reise ins Ausland – auf unbestimmte Zeit.«

      »Es wird vielleicht zur Sprache kommen, dass ich nicht selbst am Steuer saß. Was soll ich sagen, wenn dein Name fällt?«

      »Lass dir etwas einfallen. Es waren doch genügend Leute da, denke ich. Man wird dich nicht groß befragen. Für den Wagen kommt bestimmt die Versicherung auf. Solche Sachen verlaufen meist im Sand. Hast du dich arg verletzt?« Seine Stimmung war umgeschlagen. Er fühlte sich plötzlich großartig.

      »Nein, nicht schlimm.


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