Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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      Andrea, Denise, Betti und Helmut Koster eilten herbei. Doch auch Hanna hielt es nicht länger in ihrem Versteck. Sie ließ alle Bedenken außer acht und eilte zum Freigehege.

      »Mutti! Ach, Mutti, wie gut, dass du da bist!« Antje flüchtete sich in die weit ausgebreiteten Arme ihrer Mutter.

      »Antje, meine süße kleine Antje. Ich dachte schon, der Hund würde dir etwas zuleide tun.«

      »Mir doch nicht, Mutti. Schau, jetzt ist er wieder ganz brav.«

      Nick hatte die Dogge nur zögernd losgelassen, während sich die Erwachsenen um den stöhnenden am Boden liegenden Mann bemühten. Sofort begab sich Severin zu Antje und stieß zärtlich mit dem Kopf nach ihr.

      »Schau, Mutti, dich mag er auch. Severin ist sehr klug. Nur auf Herrn Bruck ist er böse. Das ist dumm von dir, Severin.«

      »Nein, Antje, Severin ist wirklich klug«, flüsterte Hanna und liebkoste ihr Töchterchen mit zärtlichen Händen.

      »Wir müssen Herrn Bruck ins Krankenhaus bringen lassen«, erklang jetzt Denises Stimme. »Ich fürchte, du musst dich von Severin trennen, Andrea. Das Tier ist gefährlich.«

      »Er tut sonst keiner Fliege etwas, Mutti. Ich telefoniere nach dem Krankenwagen. Nick, du kannst Herrn Koster helfen. Wir wollen Herrn Bruck zum Haus bringen.«

      In dem allgemeinen Durcheinander fiel Hannas Anwesenheit zunächst kaum auf. Erst nachdem Helmut Koster und Nick den Verletzten, der stark blutete und nur halb bei Besinnung zu sein schien, zum Wohnhaus getragen und auf eine Bank gelegt hatten, machte Nick seine Mutter darauf aufmerksam, dass Antjes Mutter da war.

      Da kam Andrea zurück. »Die Ambulanz ist schon unterwegs. Ich habe auch im Krankenhaus angerufen und Bescheid gesagt, dass es sich um Hundebisse handelt. Sicher ist sicher.«

      Hanna hielt ihr Töchterchen im Arm und rührte sich nicht von der Stelle. Ob Georg Pflug sie bemerkt hatte oder nicht, war ihr gleichgültig. Ihr Entschluss, sich Denise von Schoen­ecker anzuvertrauen, stand fest.

      Der Krankenwagen fuhr vor. Zwei Männer betteten den Verunglückten mit geübten Griffen. Betti hatte sein Waschzeug und etwas Wäsche für ihn zusammengepackt.

      Als die Ambulanz verschwunden war, wandten sich die Blicke aller Antje, ihrer Mutter und Severin zu.

      Andrea kam zögernd näher und legte die Hand auf den großen Kopf ihres Lieblingshundes. »Warum hast du das getan, Severin?«, fragte sie traurig.

      Hanna raffte allen Mut zusammen. »Severin wollte Antje beschützen, Frau von Lehn. Er hatte recht. Sie dürfen nicht böse auf den Hund sein.«

      »Das verstehe ich nicht«, erwiderte Andrea ratlos. »Kennen Sie denn Herrn Bruck?«

      »Ja, ich kannte ihn. Ich würde gern mit Ihnen darüber sprechen, Frau von Schoenecker.«

      Denise ergriff Hannas eiskalte Hand. »Gehen wir ein bisschen ins Haus, liebe Frau Martell. Bleibst du bei den Kindern, Andrea?«

      Andrea legte die Hände auf Antjes Schultern. »Ich will mir Isabells Pfote ansehen. Willst du mir zeigen, wo unsere Bärenmama sich verwundet hat?«

      Antje trennte sich nur zögernd von Hanna. »Bleibst du hier, Mutti?«, fragte sie scheu. »Bist du jetzt gesund?«

      »Ich bleibe, Antje. Bis nachher.«

      Severin trottete friedlich neben Antje und Andrea einher. Es war, als hätte es den aufregenden Zwischenfall nie gegeben.

      Die Kinder drängten sich um Andrea. Sie stellten viele Fragen, um herauszubekommen, warum Severin den fremden Tierpfleger angefallen hatte. Aber Andrea wusste es nicht.

      Im Lehnschen Wohnzimmer saß indessen Hanna bei Denise von Schoen­ecker und erzählte ihr die traurige Geschichte ihrer beiden Ehen. Denise unterbrach sie nicht und hörte aufmerksam zu, bis Hanna alles gesagt hatte.

      »Der Hund muss gespürt haben, dass Antje von ihrem Vater umlauert wurde«, schloss sie erregt. »Georg wollte unbedingt Kapital daraus schlagen, dass er seine Tochter entdeckt hatte. Was er plante, weiß ich nicht. Aber die Dogge witterte den bösen Charakter dieses Mannes und wollte nicht dulden, dass er Antje anrührte. Mir ging es ja selbst mitten durchs Herz, als er sie bei der Hand fasste. Seltsam, wie sicher der Instinkt eines Tieres sein kann.«

      »Sie hätten Ihrem Mann vom ersten Tage an alles anvertrauen sollen, Frau Martell«, erklärte Denise sanft und ohne Vorwurf. »Ich bin ganz sicher, dass er sich trotzdem zu Ihnen bekannt hätte.«

      »Was soll ich nun tun?«, fragte Hanna mutlos. »Ich habe sein Verbot übertreten und Antje wiedergesehen.«

      »Wer will Ihnen vorwerfen, dass Sie Ihr Kind lieben? Geschah nicht alles um des Kindes willen? Nur Antje zuliebe haben Sie die Vergangenheit zu verschweigen versucht. Auch Ihr Mann liebt das Kind. Ich hatte keine Ahnung, dass er Antje adoptiert hat. Aber ich habe gesehen, wie er sich mit ihr beschäftigte. Das Wohl des Kindes geht ihm über alles. Deshalb glaube ich, dass er Sie verstehen wird.«

      »Ich kann nicht mit ihm sprechen«, schluchzte Hanna auf.

      »Soll ich es an Ihrer Stelle tun?«, erbot sich Denise.

      »Ist es nicht feige von mir, wenn ich das annehme?«

      »Wer verlangt denn Mutproben von Ihnen? Manchmal ist es viel besser, wenn ein Unbeteiligter vorhanden ist, der die nötige Klarstellung herbeiführt. Kein Mensch ist sich selbst der beste Anwalt.«

      »Ich fürchte mich vor dem, was kommt, Frau von Schoenecker. Es wird Gerichtsverhandlungen geben, bei denen ich Zeugnis ablegen muss. Meine Ehe mit Georg Pflug muss annuliert werden, und mein Mann wird sich dazu äußern müssen, ob er sich weiterhin zu dem Kind eines Betrügers, Einbrechers und Diebes bekennen will.«

      Denise umschloss Hannas Hände mit festem Druck. »Nur die Wahrheit kann jetzt helfen, Frau Martell. Vertrauen Sie dem Schicksal und dem gütigen Herzen Ihres Mannes.«

      »Ja«, meinte Hanna, »er ist gütig. Doch er hasst alles Böse und Ungesetzliche. Darin ist er unerbittlich.«

      »Aber sicher nicht ungerecht, Frau Martell. Vor allem Antje und Ihnen gegenüber wird er das nicht sein.«

      Hanna antwortete nicht. Denise konnte in ihren Augen lesen, dass sie wenig Hoffnung hatte.

      Eben klopfte es schüchtern an der Tür. Antje schob sich herein und schmiegte sich an die Knie ihrer geliebten Mutti. Da konnte die arme Hanna unter Tränen schon wieder lächeln.

      *

      Hanna war von Hans-Joachim und Andrea nach Maibach zurückgebracht worden. Eine Nachfrage im Krankenhaus ergab, dass der verletzte Tierpfleger etwa eine Woche lang stationär behandelt werden müsse.

      Da Hanna in der Abteilung für innere Krankheiten tätig war, brauchte sie eine Begegnung mit ihrem ersten Mann nicht zu fürchten. Deshalb erschien sie am Montag pünktlich zum Dienst, wie es ihre Pflicht war. Gewissenhaft erledigte sie die ihr übertragenen Aufgaben. In der abgelaufenen Woche hatte ihr der Chefarzt mitgeteilt, dass sie sich um eine feste Anstellung bewerben könne, falls ihr daran liege. Man sei mit ihr zufrieden und wolle sie gern behalten.

      An diesem Tag musste sich nun entscheiden, ob Hanna ihre Bewerbung einreichte oder nicht. Denn an diesem Tag war Denise von Schoenecker zu ihrem Mann gefahren. Würde Klaus sie wenigstens anhören?

      Niemand ahnte, was in der scheinbar völlig ruhigen Krankenschwester vor sich ging, während sie ihre verantwortungsvolle Arbeit tat.

      In der Mittagspause rief Hanna in Sophienlust an und sprach mit Antje. Es tat gut, die lebhafte Kinderstimme zu hören. Antje wusste nichts von dem Zerwürfnis zwischen ihren Eltern. »Kommst du bald wieder, Mutti?«, fragte sie.

      »Ja, Antje, sobald ich es einrichten kann.« Doch zugleich fragte sie sich, ob sie dieses Versprechen jemals würde einlösen können.

      Ab vier Uhr begann wieder der gewohnte Dienst auf der Station. Betten machen, Abendessen austeilen, Medikamente


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