Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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war auch die Tagesdecke über ihrem Bett. Als Daisy sie zurückschlug, dachte sie daran, dass das bisher ihre Mummy jeden Abend getan hatte.

      »Mummy, du bist bestimmt nicht tot«, flüsterte Daisy. Sie zitterte vor Müdigkeit, als sie sich im Bett ausstreckte. Wie gebannt blickte sie auf das vom Mondlicht erhellte Fensterviereck.

      Plötzlich hörte sie ein leises Kratzen an ihrer Kammertür. »Tommy!«, rief sie leise. »Ich mach dir schon auf.« Sie stieg wieder aus dem Bett und öffnete die Tür.

      Mit eingezogenem Schwanz schlüpfte der Hund ins Zimmer.

      »Tommy, armer Tommy, ich habe dich vergessen«, flüsterte Daisy und umarmte den Hund. »Aber ich mache mir solche Sorgen um Mummy. Nicht wahr, Mummy lebt?« Daisy begann nun zu weinen. Langsam und schwer tropften die Tränen aus ihren Augen.

      Tommy leckte ihr über die Hände und drückte dann seine kalte Schnauze an ihr Gesicht. Eine Träne tropfte darauf, sodass er niesen musste.

      Daisy hörte zu weinen auf. »Komm zu mir, Tommy«, bat sie und schlüpfte wieder unter die Bettdecke. Das ließ sich der Hund natürlich nicht zweimal sagen. Daisy schlang einen Arm um seinen Rücken. Bald darauf waren beide eingeschlafen.

      Roy, der noch einmal in die Kammer hineinblickte, lächelte, als er die beiden sah. An und für sich gefiel es ihm nicht, dass der Hund im Bett der Kinder schlief. Aber diesmal ließ er es zu. Fast beneidete er seine Tochter auch um die tröstende Nähe des Hundes.

      Roy sehnte mit aller Macht den Morgen herbei. Die nächtliche Stille brachte ihn fast an den Rand des Wahnsinns.

      *

      Roy Bennet und seine beiden Kinder trafen um die Mittagszeit in Frankfurt ein. Jeremys Mund stand keinen Augenblick still, als die drei durch die große Halle gingen. Roy war ihm dankbar für sein harmloses Geplapper, das ihn ein wenig von seiner furchtbaren Angst ablenkte. Daisy dagegen war auffallend still. Immer wieder strich sie ihrem Daddy über den Handrücken.

      Roy mietete in Frankfurt einen Leihwagen. Ausführlich hatte man ihm den Weg zu der Unglücksstelle beschrieben. Auch hatte er erfahren, dass die Verletzten im Krankenhaus von Maibach lagen.

      Stumm saß er dann am Steuer. Bald fuhr er immer schneller, weil er endlich wissen wollte, woran er war. Er wollte Mary sehen, wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass sie noch lebte.

      »Daddy, bitte, fahr nicht so schnell«, bat Daisy ängstlich.

      Roy riss sich zusammen. Er drosselte das Tempo. »Ich glaube, dort ist die Abzweigung nach diesem Maibach«, sagte er. Dabei hämmerte sein Herz laut und schmerzhaft gegen seine Rippen.

      »Ob Mummy sich sehr freuen wird über unseren Besuch?«, fragte Jeremy plötzlich. »Ich freue mich sehr auf sie, Daddy.«

      »Ich auch, Daddy.« Daisy schloss mit kindlicher Zuversicht die Möglichkeit aus, dass ihre Mutter tödlich verunglückt sein könnte. Und Jeremy konnte mit seinen vier Jahren überhaupt noch nicht verstehen, dass er möglicherweise seine Mutter verloren hatte.

      Roy bemerkte nichts von der zauberhaften Umgebung Maibachs. Gleich am Anfang des Ortes ließ er sich den Weg zum Kreiskrankenhaus beschreiben. Mit seinen deutschen Sprachkenntnissen war es nicht weit her. Aber trotz dieser Schwierigkeiten erreichte er das Krankenhaus.

      »Ihr bleibt am besten erst einmal im Auto sitzen«, sagte er zu den Kindern. »Wenn Mummy noch sehr krank ist, darf sie bestimmt keinen Besuch empfangen. Nicht wahr, Daisy, ich kann mich auf dich verlassen?«

      Eifrig nickte das Mädchen, obwohl es am liebsten sogleich mit seinem Vater ins Krankenhaus hineingegangen wäre. Aber dann dachte Daisy an ihre Mutter, auf die sie Rücksicht nehmen musste.

      Still saßen die Kinder nebeneinander, als ihr Vater zögernd durch das Portal ging. Daisy faltete ihre Hände und bat Jeremy, das ebenfalls zu tun. »Wenn wir jetzt den lieben Gott bitten, unsere Mummy gesund zu machen, dann wird er es ganz bestimmt tun«, erklärte sie ernst.

      Jeremy nickte. Doch dabei dachte er an Tommy, der sicher sehr traurig sein würde ohne sie alle. Barbara hatte den Hund zu sich genommen. Sie würde auch die Hühner und Gänse füttern. Die Leute von der Nachbarsfarm hatten versprochen, die Kühe zu melken.

      »Jeremy, du betest ja gar nicht«, warf Daisy dem Bruder vor.

      »Ich bete ja schon. Nicht wahr, Daisy, es ist komisch, dass die Leute hier alle so anders sprechen«, meinte er leise. »Was sie sagen, kann ich überhaupt nicht verstehen.«

      »Ich auch nicht, Jeremy. Also, sag jetzt, lieber Gott, bitte, mach unsere Mummy wieder ganz gesund.«

      *

      Während Jeremy ihr die Worte feierlich nachsprach, saß Roy auf einer Bank in der Halle des Krankenhauses. Eine junge Krankenschwester blickte voller Mitleid auf seinen blonden Scheitel. Er war nicht der erste unglückliche Ehemann, dem sie hatte sagen müssen, dass sich seine Frau nicht unter den Überlebenden der Flugzeugkatastrophe befand. Und auch nicht zum erstenmal hörte sie die Frage: »Ist es möglich, dass meine Frau irgendwo anders liegt oder unverletzt geblieben ist?«

      »Die Möglichkeit ist nicht auszuschließen. Sie müssen sich am besten an die Fluggesellschaft wenden«, antwortete die Schwester.

      Roy erhob sich. Er hatte Mühe, seine Beine zu bewegen. Seine hölzernen Bewegungen trieben der Krankenschwester die Tränen in die Augen. »Armer Mann«, flüsterte sie, als sie langsam die Treppe hinaufstieg.

      Roy blieb am Portal stehen. Sein Blick suchte das Auto, in dem seine Kinder saßen. Seine Hoffnung, dass Mary das Unglück überlebt hatte, war erloschen. Aber der Gedanke, sie nie mehr wiederzusehen, wollte nicht in seinen Kopf. Alles in ihm wehrte sich dagegen.

      Man hatte ihm gesagt, dass die Toten in der Kirche von Wildmoos aufgebahrt seien und dass die Leichen teilweise bis zur Unkenntlichkeit entstellt seien. Aber auch dieser Gedanke hatte ganz einfach keinen Platz in seinem Kopf. Marys makelloser Körper und ihr engelhaft schönes Gesicht sollte … Roy schlug die Hände vors Gesicht. Er presste die Augen ganz fest zusammen, weil er hoffte, das dadurch die schaurigen Bilder verschwinden würden.

      Daisy hatte ihren Daddy durch das Glas der Tür entdeckt. Warum blieb er dort nur stehen?, fragte sie sich. »Jeremy, bleib sitzen«, bat sie ihren Bruder leise. »Ich lauf mal schnell zu Daddy.«

      »Ich will aber zu Mummy!«, rief der Junge.

      »Bleib sitzen!«, befahl Daisy streng. »Ich bin gleich wieder da.« Sie stieg aus und lief dann eilig auf das Haus zu.

      Roy ließ die Hände von seinem Gesicht sinken und stellte fast erstaunt fest, dass die Handflächen feucht waren. Dann erblickte er seine kleine Tochter. Er nahm sich zusammen und verließ das Krankenhaus.

      »Daddy, ist Mummy da?« Die großen blauen Kinderaugen richteten sich voll Angst auf ihn.

      »Sie ist nicht da, Daisy.« Wie merkwürdig seine Stimme klingt, dachte er dabei. Wie zersprungenes Glas.

      »Wo ist sie denn, Daddy?«

      »Ich wünschte, ich könnte Jeremy irgendwo zurücklassen, Daisy. Aber wir müssen ihn mitnehmen.«

      »Wohin, Daddy?«

      »In die Kirche, Daisy. Du musst jetzt sehr tapfer sein, mein Kleines. Wir haben keine Mummy mehr.« Roy umfasste die zuckende Hand seiner Tochter. »Sie ist tot.«

      »Daddy, das glaube ich nicht!«, rief Daisy. »Mummy kann gar nicht tot sein.«

      »Daisy, ich wünschte, du hättest recht.«

      »Ich habe recht, Daddy.« Daisy warf den Kopf in den Nacken. »Wir werden sie suchen, Daddy.«

      Roy ließ seiner Tochter die Hoffnung, weil er nicht mehr die Kraft hatte, etwas zu sagen.

      Daisy setzte sich neben ihren Daddy. Jeremy fragte verwundert: »Darfst du das denn, Daisy? Mummy hat doch immer gesagt, Kinder müssen im Auto hinten sitzen. Ich will zu Mummy!«

      »Wir fahren zu Mummy.«


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