KAMASUTRA IN UNTERFILZBACH. Eva Adam

KAMASUTRA IN UNTERFILZBACH - Eva Adam


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Betriebsklima unter den Bauhofkollegen war recht gut. Alles Unterfilzbacher oder aus den Nachbardörfern, alle aktive Mitglieder bei der Feuerwehr und auch sonst recht zünftige Mannen. Hansi war ursprünglich gelernter Maurer, da herrschte auf der Baustelle schon ein anderer Wind. Deshalb war es im Vergleich dazu im Kommunaldienst recht entspannt. Das allerschönste im Bauhof war aber die Verlässlichkeit, vor allem beim Thema Nummer eins. Täglich um halb zehn wurde am Bauhof Brotzeit gemacht, komme, was da wolle. Alle waren Tag für Tag pünktlich im Brotzeitstüberl versammelt. Das war quasi wie ein Dogma.

      Jetzt im Herbst wurde es jedoch allmählich ein wenig hektischer im Unterfilzbacher Bauhof. Also, Hektik war jetzt relativ, aber verglichen mit den sonstigen Verhältnissen schon, fand Hansi. Der Wiggerl hatte nämlich einmal in einem Seminar für kommunale Sicherheitsbeauftragte gelernt, dass bei einem Gefälle ab mindestens acht Prozent die Unfallgefahr im Straßenverkehr bei starkem Laubblätterbelag – das heißt, ab vier Blättern übereinander, sagte Wiggerl – erheblich erhöht wäre. So, und weil ja Unterfilzbach inmitten des Bayerischen Waldes lag und somit auch viele Straßen mit Gefällen hatte, um nicht zu sagen, auch steile Straßen, dazu noch eine größere Anzahl an Laubbäumen, war dies natürlich für den Wiggerl wieder eine absolute Stresssituation, sobald die ersten Blätter sich gelb färbten. Ab heute geht's wieder los, dachte Hansi noch, als er die bunte Blätterpracht auf seinem Arbeitsweg bewunderte. Und tatsächlich war es dann auch so. Als Wiggerl seine morgendlichen Aufträge verteilte, huschte ein leichtes Grinsen über die Gesichter der Bauhofmänner.

      »Hansi und Sepp, ihr zwei sperrt ab heute wieder jeden Tag die Dorfstraße und blast mit dem Laubbläser das Laub weg. Am besten gleich in der Früh. Nicht auszudenken, wenn es regnet. Ein Sicherheitsrisiko, unverantwortlich, da müssen wir schon aufpassen! Das ist wirklich eine saugefährliche Sache, ihr wisst ja, was damals passiert ist.«

      Wenn es nach dem Wiggerl gegangen wär, dann gäbe es aus Sicherheitsgründen in Unterfilzbach überhaupt keinen einzigen Baum mehr, was aber im Bayerischen Wald doch auch wieder recht schwierig wäre. Seit nämlich vor zwei Jahren die Straubmeier Franziska, in Unterfilzbach besser bekannt als die »ledige Fannerl«, im rüstigen Alter von 86 Jahren mit ihrem Rollator die Dorfstraße wegen des starken Laubbefalls heruntergeschlittert war und sich dadurch den Oberschenkelhals gebrochen hatte, ist der Wiggerl da noch viel vorsichtiger geworden.

      Die ledige Fannerl ging jeden Donnerstag zum KaufGut, der am Ende der Dorfstraße stand, und stürzte sich ins Getümmel um die besten Kinderstrumpfhosen oder was es halt grad so zu erstehen gab. Für den Wiggerl war damit der »Schlapperl-Test« im Winter ebenso aussagekräftig wie der »Fannerl-Test« im Herbst.

      Um kurz nach halb acht Uhr schaltete Sepp dann den nagelneuen »Turbo-Laub-Master-Blaster 5000« ein und war sofort begeistert. Geh, leck, ist das ein Gerät, dachte sich der Sepp, und der Hansi war ein kleines bisserl neidisch, weil er mit dem alten »Laubbläser-Gigant 50« nur ein laues Lüftchen im Vergleich zum neuen Gebläse veranstaltete. Aber genauso kraftvoll, wie das neue Wundergerät war, genauso laut war es auch. Natürlich trugen Sepp und Hansi Ohrenschützer gegen den Lärm, weil der Wiggerl auch auf die Sicherheit und Gesundheit seiner Männer bedacht war. Und mit Ohrenschützer hörten sie dieses ohrenbetäubende Gebläse natürlich nicht mehr. Jedoch wohnte an der Dorfstraße auch die Hinkhofer Berta. Und weil ja die Berta schon in wohlverdienter Rente war, schlief sie in der Regel noch morgens um kurz nach halb acht. Dies war allerdings heute ab sofort nicht mehr möglich. Als Hansi und Sepp die Dorfstraße schon halb vom Laub befreit hatten, erschraken sie aufgrund eines markerschütternden Schreies – den sie trotz Ohrenschützer wahrnahmen.

      »Ja seid's ihr denn narrisch! Ihr seid's ja die allergrößten Volldeppen, die blödesten Hirschen! Zu meiner Zeit hätt es dafür eine Abmahnung gegeben.«

      Hansi und Sepp waren sprachlos und wussten gar nicht, wie ihnen geschah.

      Die Hinkhofer Berta stand im geblümten Nachthemd und mit Schlafmaske in den Haaren vor ihnen und schimpfte und zeterte auf sie ein, weil sie brutal aus ihrem Schlaf gerissen worden war, und in ihrem Alter war das ja schon fast wie ein hinterhältiger Mordanschlag, so ein brutaler Lärm. Und überhaupt war das bei den acht Blättern, die da auf der Dorfstraße lagen, sowieso ein Schmarrn, was sie da machten, und noch so einiges mehr.

      Als sich Hansi die Ohrenschützer abzog, musste er wirklich eingestehen, dass der neue »Turbo-Laub-Master-Blaster 5000« schon sehr laut war, allerdings war die Berta noch lauter.

      »Ja, Berta, da hast du schon recht, aber Auftrag ist Auftrag, da musst du schon den Wiggerl anrufen und dich beschweren«, antwortete Hansi ein wenig hilflos.

      Damit ließ sich die Berta jedoch nicht wirklich beruhigen und schimpfte wutentbrannt weiter: »Ihr kommt's mir ja vor wie die zwei, wo einer ein Loch gräbt und der andere schaufelt es wieder zu, bis sie merken, dass der dritte, der die Bäume reinsetzen sollte, Urlaub hat. So blöd seid's ihr!«

      Solche Beschimpfungen waren leider keine Seltenheit. Hansi fand, die Arbeit des Bauhofs wurde manchmal nicht so geschätzt, wie sie es eigentlich verdient hätte. Aber er hatte sich daran schon gewöhnt, Hauptsache, die Brotzeit war immer pünktlich und regelmäßig. Sepp funkte einfach via Bauhoffunk ihren Vorgesetzten an. Sollte sich doch der Wiggerl mit der Hinkhofer Berta auseinandersetzen, der hatte schließlich die Idee mit der Laubblaserei um diese frühe Uhrzeit gehabt.

      Der Wiggerl kam dann auch zum »Tatort« und diskutierte leidenschaftlich mit Berta. Er versuchte ihr sehr geduldig das Sicherheitsrisiko zu erklären und zählte die Blätter als Beweis dafür, dass es halt nicht mehr zu verantworten wäre, wenn es jetzt regnen würde. Hansi und Sepp packten nach getaner Arbeit ihre Sachen zusammen und fuhren zur Brotzeit in den Bauhof. Wie die Diskussion zwischen der Berta und dem Wiggerl letztendlich ausgegangen war, wussten sie nicht. Denn Wiggerl wollte zu diesem Thema für den restlichen Tag nichts mehr sagen.

      Kapitel 2

      Snow-Magic-Hero

      

      Der Winter war dieses Jahr – wieder einmal – ein Jahrhundertwinter, jammerte Wiggerl tagtäglich. Aber es schneite heuer wirklich seit Wochen unaufhörlich in Unterfilzbach. Wiggerl war schon knapp vor dem Herzinfarkt, weil die Schneemassen besonders heftig daherkamen und Hilde, seine Frau, beinahe täglich um 3.00 Uhr nachts bei Hansi und seinen Kollegen anrief, um sie darauf hinzuweisen, dass es schneite.

      »Als ob ich das nicht selber sehe, wenn ich aus dem Fenster schau, Hilde!«, sagte Hansi jeden Tag schon automatisch und inzwischen recht genervt vom täglichen telefonischen Weckruf mitten in der Nacht.

      Hansi war heute wie immer unter anderem für die Angerstraße zum Räumen und Streuen eingeteilt. Saukalt war es wieder an diesem Februarmittwoch in Unterfilzbach. Heute hätte der Wiggerl sicher keinen »Schlapperl-Test« machen brauchen, denn heute fühlte jeder Unterfilzbacher, sobald er das Haus verließ, dass der Gefrierpunkt weit unterschritten war.

      Als Hansi hochkonzentriert die Angerstraße hinauffuhr, dachte er sich wieder einmal, wie saudumm es hier doch zum Räumen war. Eng, kurvig und dazu auch noch eine Sackgasse. Zum Wohnen aber ideal, weil sie direkt zentrumsnah und doch ruhig lag. Allerdings war das Wenden und Drehen mit dem neuen kommunalen »Snow-Magic-Hero 1000«-Räum- und Streufahrzeug wirklich eine Herausforderung. Zu Beginn des Winters hatte Hansi dabei jedes Mal noch ein wenig den Gartenzaun vom Birnböck Michael leicht touchiert, der am Ende der Angerstraße wohnte. Aber inzwischen hatte er ja eine Zeit der Übung hinter sich und Gefühl und Gespür für das Fahrzeug entwickelt. Hansi und sein »Snow-Magic-Hero 1000« waren in diesem Winter ein richtig gutes Team geworden.

      Es war 5.45 Uhr und Hansi räumte und streute in den Straßen von Unterfilzbach schon seit 4.00 Uhr, was das Zeug hielt. Er wendete seinen Schneepflug in der Angerstraße 9 geschickt in drei Zügen und fuhr den steilen Berg langsam wieder hinunter. Plötzlich sah er etwas zwischen den Zaunlatten in der Angerstraße 5 hervorstehen. Direkt hinter dem Streugutbehälter. Was war denn das? Vielleicht ein Ast? Auf jeden Fall musste er hier einmal genauer hinschauen, denn er war ja als Bauhofmitarbeiter immer auf die Sicherheit und Ordnung in Unterfilzbach bedacht. Bestimmt war das die Schaufel vom Streugutbehälter, die wieder einmal


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