KAMASUTRA IN UNTERFILZBACH. Eva Adam

KAMASUTRA IN UNTERFILZBACH - Eva Adam


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sich Hansi noch, als er aus seinem »Snow-Magic-Hero 1000« ausstieg. Oha, heute ist es aber wirklich sehr glatt, erschrak Hansi und landete auf der schneeglatten Angerstraße fast auf seinem Hintern. Er näherte sich dem unbekannten Objekt.

      Ja, Hundsdreck, verreckter! Das ist ja ein Arm, schoss es ihm durch den Kopf, als er wie in Schockstarre auf den Gegenstand am Gartenzaun blickte.

      Es wurde Hansi noch kälter, als es ihm sowieso schon war, und gleichzeitig verspürte er eine Hitzewelle im ganzen Körper. Er rieb sich die Augen, um auch wirklich sicherzugehen, dass er richtig sah. Aber es war immer noch ein Arm, den er dort erblickte. Wie angewurzelt stand er vor seinem Fundstück und wusste nicht so recht, was er denken sollte, weil sein Gehirn aufgehört hatte, überhaupt noch einen Gedanken zustande zu bringen.

      Sicher vergingen vier oder fünf Minuten, bis Hansi langsam wieder Blut durch seine Denkwindungen leiten konnte und ein bisserl zur Besinnung kam. Da stand tatsächlich ein Arm zwischen den Zaunlatten hindurch und ragte auf die Straße.

      Ist da jetzt auch noch ein Körper dran?, ging es Hansi durch den Kopf.

      Sollte er nachschauen? Was war, wenn da wirklich noch jemand am Arm dranhing? Wobei es mir schon lieber wäre, wenn an dem Arm noch jemand dranhängen würde, weil so ein alleinstehender Arm ja auch nicht so toll ist, dachte Hansi.

      Es half jetzt alles nix, er musste nachschauen. Direkt hinter dem Streugutbehälter lag der Anhang vom Arm und war schon mit einer leichten Schneedecke überzogen, die Hansi nun unter beginnender Schnappatmung vom leblosen Körper strich.

      »Ja, mi leckst am Arsch! Das ist ja der Apotheker!«, fuhr es dem Finder durch Mark und Bein.

      Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Wie war das jetzt noch mal beim Erste-Hilfe-Kurs? Sechsmal beatmen und dreimal auf den Brustkorb drücken oder umgekehrt? Oder sollte er doch lieber die stabile Seitenlage machen? Oder vielleicht hatte es der arme Apotheker auch nur mit dem Kreislauf? Dann half nur Füße hoch oder Traubenzucker? Panisch fühlte er den Apothekerpuls. Aber den gab es nicht mehr, so sehr er auch fühlte.

       Ich glaub, der ist wirklich tot!

      Diese Erkenntnis wurde ihm nun mehr und mehr bewusst.

      Und jetzt? Was sollte Hansi Scharnagl jetzt tun? Beim Fund seiner ersten Leiche? Er konnte noch nicht einmal Blut sehen und jetzt fand er gleich eine ganze Leiche.

      Blut war übrigens nicht viel zu sehen beim Apotheker. Nur ein bisserl was am Hinterkopf.

      Jetzt muss ich jemanden anrufen, dachte Hansi. Aber wen?

      Am liebsten hätte er seine Bettina angerufen, aber die konnte ihm ja jetzt auch nicht helfen. Wahrscheinlich würde Bettina dann mit Hansi ein paar Tiefenentspannungstechniken ausprobieren, um seine innere Mitte wiederzufinden. Dafür hatte er in dieser Situation aber jetzt wirklich keine Zeit.

      Sollte er den Wiggerl informieren? Aber der Wiggerl dachte wahrscheinlich gleich wieder an die Schuldfrage. Und seit der Causa »Straubmeier Franziska« und ihrem Oberschenkelhalsbruch überlegte der Wiggerl immer gleich, ob das auch im Versicherungsschutz inbegriffen war und was dies die Gemeinde Unterfilzbach kosten würde. Unbewusst überschlug Hansi in Gedanken schon die Beerdigungskosten, die dann die Kommune zahlen müsste, wenn sich herausstellen sollte, dass der Apotheker um sein Leben gekommen war, weil nicht richtig geräumt und gestreut war. Irgendwann musste er den Wiggerl wohl informieren, weil der sonst wieder stockgrantig werden würde, wenn ihm etwas nicht gesagt wurde. Irgendwie hat er ja schon ein bisserl eine Paranoia, der Wiggerl, dachte Hansi.

      Aber als Erstes war wohl die Polizei der richtige Ansprechpartner. Ja genau, die Polizei! Es war jetzt kurz vor 6.00 Uhr, ob da schon jemand auf der Dienststelle war? Na, schau mer mal.

      Nachdem es circa zehnmal geläutet hatte, hob auch jemand den Hörer auf der Polizeistation in der Kreisstadt ab. »Polizeiinspektion, guten Morgen!«, tönte es recht unfreundlich aus Hansis altem Nokia-Klapphandy (das die Scharnagl-Kinder übrigens absolut oberpeinlich fanden).

      »Ja, guten Morgen. Hier ist Johann Scharnagl, Bauhof Unterfilzbach. Ich hab grad einen Arm gefunden, im Schnee, beim Schneeräumen. Also, ich glaub, da müsste mal jemand von euch vorbeikommen, weil der Arm ist höchstwahrscheinlich tot. Also, der Apotheker, mein ich.«

      Kurzer Seufzer auf der anderen Seite der Leitung: »Ja, wie? Wollen Sie mich jetzt verarschen? Sie haben einen Arm vom Apotheker gefunden? Woher wollen Sie jetzt wissen, dass der Arm dem Apotheker gehört?«

      Was bitteschön hat der Polizist denn jetzt nicht verstanden, grübelte Hansi ein bisschen vor sich hin.

      »Nein, ich hab eine Leiche im Schnee gefunden, aber den Arm zuerst. Also, kommt jetzt jemand vorbei oder nicht?«

      »Ja sagen Sie das doch gleich, also da muss ich erst den zuständigen Beamten informieren. Der wird sich freuen, um diese Zeit. Also, die Leiche ist ja schon tot, oder? Dann pressiert es ja eigentlich gar nicht so sehr?«

      Hansi fand das jetzt schon ein wenig blöd. Er musste ja noch weiter Schneeräumen. Und dem Herrn Polizisten pressierte es nicht?

      »Doch! Mir pressiert es eigentlich schon. Ich muss ja noch weiterräumen! Also, Fundort ist die Angerstraße 5. Und ich warte jetzt hier.«

      Langsam wurde Hansi ein wenig gereizt.

      »Ja, gut, es kommt dann jemand von uns vorbei.«

      Damit war das Gespräch beendet.

      Na prima, dachte sich Hansi, und das jetzt bei minus neun Grad. Aber Gottseidank hatte er in seinem »Snow-Magic-Hero 1000« auch eine Standheizung. In seinem kuschelig warmen Fahrzeug rief er dann gleich noch Wiggerl an. Es half ja nix, er war sein Chef.

      Wiggerl war irgendwie überraschend ruhig in seiner Reaktion, das kam Hansi sehr seltsam vor. Aber vielleicht war es nur der Schock!

      Hansi öffnete seine Brotzeitbox und begutachtete, was ihm Bettina bereits am Vorabend eingepackt hatte. Nach einem kurzen Blick seufzte er leise. Oh je, was gäbe Hansi jetzt für eine warme Leberkässemmel oder zumindest für eine Butterbreze. Aber nein, Frau Scharnagl hatte wieder einmal nur an seine Gesundheit gedacht. Vollkornknäckebrot mit Hummus und getrocknetem Gemüse. Wenn etwas Essbares schon Hummus hieß! Eigentlich war es ja ein Wunder, dass Hansi nicht schon total abgemagert war, bei so viel gesundem Essen. Aber manchmal, wenn er es gar nicht mehr aushielt, war er zwischendurch bei der Metzgerei Aschenbrenner auf eine schnelle Debreziner zu Gast.

      Als Hansi gedankenversunken in seine getrocknete Bio-Paprika biss, überlegte er, ob es eigentlich auch Untercholesterin gab. Er nahm sich fest vor, demnächst den Apotheker Martin Hornung zu fragen, mit dem er immer Schafkopf spielte. Aber dann schoss es ihm wieder wie ein Blitz durch den Kopf: Der war ja jetzt tot! Der Martin lag vor ihm im Schnee – mausetot. So langsam wurde ihm erst wieder bewusst, welchen Fund er eigentlich gemacht hatte, und er musste sich direkt schütteln.

      Martin Hornung und seine Frau Elvira wohnten auch in der Angerstraße. Eigentlich gleich nebenan, im Haus Nr. 3. Aber Hansi würde Elvira diese Botschaft sicher nicht überbringen. Das fehlte noch. Da konnten sich schon die Herren Polizisten drum kümmern.

      Als gegen 6.30 Uhr dann endlich ein Streifenwagen die Angerstraße hinauf fuhr, war Hansi sehr erleichtert. Es hatte in dieser Zeit sicher schon wieder drei Zentimeter geschneit und er wusste gar nicht, wie er seine Runde noch fertig bringen sollte.

      Aus dem Polizeiwagen stieg Kriminalhauptkommissar Josef Baumgartner.

      Oh mei, der Baumgartner Seppe, dachte Hansi und verdrehte innerlich die Augen. Hansi kannte ihn vom Sehen und wie man halt die Leute aus der Gegend so kennt. Baumgartner wohnte in der Nachbargemeinde Oberfilzbach. Grundsätzlich war es schon immer so, dass sich die Unterfilzbacher und die Oberfilzbacher eigentlich von Geburt an nicht leiden konnten, und da der Baumgartner sogar quasi auch noch so was wie ein »Gstudierter« war, hatte Hansi von vornherein eine Abneigung gegen den Polizisten, mit dem er jetzt seinen Fund besprechen sollte.

      »Guten Morgen, Sie sind der Herr Scharnagl? Sie


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