Geht's?. Florian Scheuba

Geht's? - Florian Scheuba


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als Haiders Stellvertreter und Rumpolds Kompagnon in der gemeinsamen »Care Partners Gesundheitsfinanzierung GmbH« überlastet. Denkbar etwa, dass ihn das Kreieren des Marketingkonzepts der Firma stark in Anspruch nahm, gipfelte dieses doch in einem atemberaubenden Werbeslogan: »Sie lachen, wir zahlen.«

      Ein mehrdeutiger Spruch, durchaus vergleichbar mit dem Wirken Jörg Haiders. Oft braucht es einen Perspektivenwechsel, um zu erkennen, wie es wirklich gemeint war.

      Mittlerweile hat Strache in einem Interview erklärt: »Wir haben – jawohl – sehr wohl geahnt, dass beim Eurofighter-Deal ganz offensichtlich massive negative Entwicklungen im Bereich der Korruption stattgefunden haben, wo es bis heute keine Aufklärung gibt.« Hoppala, eine Art Geständnis? Oder hatte Strache einen Geheimplan?

      Hase statt Hace

      Vogelgrippe-Alarm auf dem Wiener Flughafen. Sarkissova bleibt in Budapest. Strache will weiter Bundeskanzler werden. – Drei unlängst in heimischen Medien gesichtete Überschriften, die etwas gemeinsam haben. Sie handeln von Themen, die einst für Aufregung gesorgt haben, und wirken heute wie ein Gruß aus vergangenen Zeiten.

      Dass die Vogelgrippe doch nicht die Auslöschung der Menschheit bewirkt und Karina Sarkissova irgendwann die noch nicht enthüllten Stellen ihres Körpers und ihres Liebeslebens ausgehen würden, scheint im Rückblick klarer, als es damals war. Genauso ist es um die Kanzlerambitionen des FPÖ-Obmanns bestellt, die seinerzeit fiebrige Erregung ausgelöst haben, nun aber klingen wie die Ankündigung eines ORF-Redakteurs, man werde im nächsten Jahr ganz sicher den Eurovisions-Songcontest gewinnen.

      Wie radikal dieser Verlust an Polarisierungskraft tatsächlich ist, zeigte sich vor Kurzem an den Reaktionen auf Straches Behauptungen, Zuwanderer seien Schuld an Krankheiten und hohen Wohnungspreisen. Vor nicht so langer Zeit hätten diese Thesen verlässlich flächendeckendes »Pfui!«-, »Skandal!«- oder auch »Bravo!«- Gerufe evoziert, und nicht so wie heute nur vereinzeltes »Aha«-, »Den gibt’s auch noch?«- oder »Irgendwie ist der Stronach lustiger«-Gemurmel.

      Der Wandel vom Hysterie- zum Wurschtigkeits-Auslöser hat aber auch dazu geführt, dass Berichtenswertes aus dem Umfeld Straches kaum beachtet wird. So zum Beispiel die einen bemerkenswerten Kurswechsel darstellende Aussage Herbert Kickls: »Korruption muss verurteilt werden, egal, wer der Täter ist.« Ein gewagtes Bekenntnis angesichts der demnächst bevorstehenden gerichtlichen Feststellung illegaler FPÖ-Parteienfinanzierung, zumal die verzweifelten Distanzierungsversuche gegenüber dem Hauptangeklagten Gernot Rumpold an der Tatsache zerschellen, dass Strache damals nicht nur Parteiobmannstellvertreter war, sondern auch noch zwei gemeinsame Firmen mit Rumpold besaß. Deshalb wirkt Straches Mutation zum Korruptionsbekämpfer ähnlich überraschend, wie es der Übertritt der Science Busters zu den Zeugen Jehovas wäre.

      Doch vielleicht gibt es dafür eine einfache Erklärung: Heinz-Christian Strache wollte Agenten entlarven. Agenten des Bösen. Aus diesem Grund hat er sich nicht nur die Freundschaft Rumpolds erschlichen, sondern auch lange Zeit seine volle Solidarität mit Uwe Scheuch, Harald Dobernig und Gerhard Dörfler vorgespielt, mit der Absicht, einen Korruptionssumpf aufzudecken. Und seine ungebrochene Treue zu deutschnationalen Hintermännern in der Partei beruht in Wirklichkeit auf dem Plan, einer Erbschleicherbande das Handwerk zu legen.

      Möglicherweise aber hat Kickl nur nach dem Motto »Haltet den Dieb!« die Flucht nach vorne angetreten. Schließlich schuldet er uns als Geschäftsführer des Parteiorgans Neue Freie Zeitung noch eine Erklärung, was mit 192.000 Euro passiert ist, die von der Telekom ohne Gegenleistung an das Blatt überwiesen wurden. Denkbar also auch, dass sich Strache eines Tages von seinem Reimeschmied mit den Worten »Kickl wer? Kickl wie? Diesen Namen hört’ ich nie!« distanziert und der erstaunten Öffentlichkeit seinen wahren Namen verrät: Nicht H.-C., sondern Hase.

      Bei der Nationalratswahl hat Strache zwar abtrünnige Stronach- und BZÖ-Deserteure zurückgewonnen, sein angesagtes »Duell um den Kanzler« hat allerdings nicht stattgefunden. Sollte er tatsächlich sein Verhalten gegenüber Rumpold mit versuchter Agentenentlarvung erklären, würde er dabei einem großen Vorbild folgen. Einem Mann, der sich einst in Straches eigentlichem Traumjob bewähren durfte: Innenminister der Republik Österreich.

      Der Provokateur

      »Geschichte ist das Muster, das man hinterher ins Chaos webt«, heißt es beim italienischen Schriftsteller Carlo Levi. In diesen Tagen dürfen wir miterleben, wie sich so ein verborgenes Muster herauskristallisiert und das bis dahin oft nur schwer verständliche Schaffen eines Mannes plötzlich nachvollziehbar wird. Ernst Strassers Bekenntnis, ein »Agent provocateur« zu sein, beschämt ein ganzes Land, das sich fragen muss, warum es das nicht schon früher erkannt hat.

      Gelegenheiten dazu gab es genug. Am Beginn seiner Amtszeit als Innenminister fühlte sich Strasser noch der klassisch staatszersetzenden Anarcho-Tradition verpflichtet, indem er eine nachhaltige Schwächung der Polizei durch subversive Personalpolitik und beinhartes Kaputtsparen erwirkte. Doch bald entdeckte er die gesellschaftskritische Kraft der gezielten Provokation, die Missstände schonungslos aufzudecken vermag. »Er gilt als Schwarzer, ist aber ein Idiot« ist eines der legendären Zitate Strassers, mit dem er den Wahnsinn des parteipolitischen Postenschachers im öffentlichen Dienst provokant bloßstellte.

      Bei der EU-Wahl gelang ihm die Entlarvung demokratieverachtender Tendenzen in der ÖVP, als er Josef Pröll dazu provozierte, 112.954 Vorzugsstimmen in den Mistkübel zu kippen, mit denen Strassers vermeintlicher Gegenspieler Othmar Karas zuvor die Wahl für die Volkspartei gewonnen hatte. Dass diese Gegnerschaft vonseiten Strassers nur gespielt war, ist aber erst jetzt klar. Indem er Karas die Chance gab, sich in der Affäre um korruptionsbereite EU-Mandatare als Retter seiner Fraktion zu profilieren, der ihr durch seine Unbestechlichkeit Schlimmeres erspart hat, zeigt Strasser, wie man durch bewusste Provokation Dinge zum Positiven beeinflussen kann. Das gilt natürlich auch für seine von getarnten Journalisten der Sunday Times aufgezeichneten Aussagen, mit denen er unbequeme Wahrheiten gewohnt provokant ans Tageslicht bringt. »The problem is: A lobbyist has a special smell« – schärfer kann man es in Zeiten der Hocheggers und Rumpolds kaum formulieren. Oder »This is a wonderful opportunity to learn all the people« – eine eindringlicher vorgebrachte Kritik an der Sprach- und Verständigungsproblematik innerhalb der EU ist nur schwer vorstellbar.

      Dass seine ebenfalls heimlich mitgefilmte Erklärung, er stünde bereits auf der Payroll von fünf weiteren Geldgebern und wolle gar nicht wissen, wer die Hintermänner der angeblichen Lobbyisten seien, in Wahrheit ein besonders raffinierter Versuch war, eben jene Hintermänner zu enttarnen, kann nur von gnadenlosen Skeptikern infrage gestellt werden, die auch daran zweifeln, dass Julius Meinl die Leichtgläubigkeit der Anleger oder Helmut Frodl die mangelhafte Sicherheitsausstattung von Gartenhäckslern entlarven wollte.

      Doch wie alle Großmeister der Provokation von Duchamp bis Schlingensief steht nun auch Strasser vor dem Problem der letzten Grenze. Wie weit darf man gehen? Was sind die Konsequenzen? Mit seiner Behauptung, er sei nicht dazugekommen, zur Polizei zu gehen, stößt der Exinnenminister in Dimensionen vor, in denen die Luft nicht nur dünn wird, sondern im Extremfall sogar bis zu zehn Jahre lang gesiebt.

      Zehn Jahre sind es nicht geworden. Aber immerhin vier. Offensichtlich fühlte sich die Justiz von der Absurdität der Agentenstory verhöhnt. Eine Erkenntnis, die auch anderen zu denken geben sollte …

      Der erste Schritt zur Besserung

      Ernst Strasser wollte also Agenten eines ausländischen Geheimdienstes entlarven. Zu diesem Zweck ist er in die Rolle eines dümmlichen, durch und durch korrupten EU-Abgeordneten geschlüpft, um seine Gesprächspartner durch Prahlereien über seine –


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