Geht's?. Florian Scheuba
sympathischen Kerl gehalten hat?
Doch die teuer bezahlte Zuneigung von Zeitungsmachern, die schon mal bereit sind, beim Keilen von Inseraten die eigene Blattlinie zur Disposition zu stellen, ist von flüchtiger Natur und ein trauriges Surrogat für echte Anerkennung.
Das Bedürfnis nach käuflicher Liebe wird es natürlich immer geben. Es sollte nur nicht auf Kosten der Steuerzahler ausgelebt werden.
Hätte die Frau Minister meinen Ratschlag beherzigt, wäre dem Steuerzahler einiges erspart geblieben. Viele Rettungsgassen-Inserate später liegt Doris Bures im Beliebtheitsranking von Österreich nach wie vor im Schlussdrittel. Dass Werner Faymann sich allein heuer 35 Mal von Österreich interviewen ließ, hat möglicherweise mit seiner beruflichen Zukunftsperspektive zu tun …
Auf dem Highway ist die Hölle los
In diesem Sommer darf sich Österreichs Justiz mit Kate Middleton vergleichen. Die Masse an Stoff für Spekulationen, welche die Herzogin von Cambridge bis vor Kurzem den Medien zum Thema »Wann kommt das Thronfolger-Baby?« geliefert hat, schaffen unsere Staatsanwälte locker zu den nicht minder glamourösen Fragen: »Wann kommt der Grasser-Prozess?« »Wie lange müssen wir noch auf die Eurofighter-Schmiergeld-Anklagen warten?« Und: »Wird Werner Faymann als erster amtierender Bundeskanzler der Zweiten Republik vor Gericht gestellt?«
Bei Letzterem geht es um die Klärung, ob sich Faymann mit teuren Inseraten die Gunst des Zeitungsboulevards erkauft hat und die Rechnungen dafür von ÖBB und ASFINAG bezahlen ließ. Auslöser der Ermittlungen war unter anderem eine exklusiv für die Kronen Zeitung kreierte »Werbekampagne« der ÖBB, in der frustrierte Kunden ihrem Ärger über die Bundesbahn Luft machten, gefolgt von einem Statement des damaligen Infrastrukturministers Faymann, in dem dieser versprach, sich um die angeprangerten Missstände zu kümmern. Dass sich ein staatliches Unternehmen öffentlich zur Sau macht und dafür auch noch bezahlt, schien ein absoluter Höhepunkt in der Geschichte der verdeckten Presseförderung zu sein. Doch es gibt noch Luft nach oben.
Diese Erkenntnis verdanken wir einem dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorgelegten Aktenvermerk, in dem ein Gespräch zwischen dem damaligen ASFINAG-Vorstand Lückler und dem Zeitungsherausgeber Wolfgang Fellner – Österreichs großem Doyen des käuflichen Wortes – dokumentiert wird. Darin beschwert sich Fellner, dass die ASFINAG nur »Fuzerln« in seiner Tageszeitung Österreich inseriere, um gleich darauf eine kühne Idee zur Verbesserung dieser für ihn unbefriedigenden Situation zu präsentieren: Eine sonntägliche Seite in Österreich, auf der er vorhabe, »mit Minister Faymann analog zur Kronen Zeitung einen Teil unter dem Motto Auto-Ombudsmann zu gestalten. Dort gäbe es Möglichkeiten, dass Faymann auf spezielle Fragen zu Autobahnen und Schnellstraßen Antwort gibt.«
Angesichts der Aussicht auf dieses literarische Juwel müssen querulantische Einwände wie »Wozu muss ein Autobahnmonopolist überhaupt Inserate schalten? Damit die Leute nicht auf gefälschten chinesischen Billigautobahnen nach Linz fahren?« verstummen. Was hätte uns Faymann in seiner Kolumne (Titelvorschlag: Auf dem Highway ist die Hölle los) wohl mitzuteilen? Vielleicht das: »Liebe Autofahrer! Schon aus meiner Jugendzeit, in der ich nicht wie alle anderen nach, sondern statt dem Studium als Taxifahrer unterwegs war, kenne ich eure Sorgen und Nöte. Immer wenn man selber auf der Autobahn fährt, fahren die anderen auch, und prompt gibt es einen Stau. Da brauchen wir mehr Verteilungsgerechtigkeit beim Verkehr! Und dann erst die vielen Wohnwagen – ein Problem, das mir aus meiner Zeit als Wohnbaustadtrat noch gut in Erinnerung ist. Ich werd mich drum kümmern, und zum Abschluss noch ein Tipp bei starkem Seitenwind: Stürmische Zeiten, sichere Hand!«
Da in Justizkreisen über die Einstellung des Verfahrens gegen den Bundeskanzler gemunkelt wird, können sich unzufriedene Autobahnbenutzer möglicherweise bald auf Trost vom Auto-Ombudsmann freuen.
Noch hat Werner Faymann seine erste Kolumne als Auto-Ombudsmann nicht geschrieben. Und – durchaus bemerkenswert und nicht selbstverständlich – die Zeitung Österreich hat deshalb auch noch keine unter seinem Namen veröffentlicht. So überkorrekt ist man dort nämlich sonst nicht …
Unwirkliches Österreich
Weil das journalistische Sommerloch heuer für ein Begräbnis genutzt wird, erfahren wir zurzeit auch überraschende Details, die einen dann wirklich nostalgisch stimmen können. Zum Beispiel die Tatsache, dass der verstorbene Kaisersohn Otto Habsburg einst bereit war, den Namen »Otto Österreich« anzunehmen, was von der Politik verhindert wurde. Die Aussicht, möglicherweise gegen einen Kandidaten mit diesem Erfolg versprechenden Namen antreten zu müssen, empfand man als zu riskant.
Der Glaube an die Wirkung, die man damals dem Namen »Österreich« zubilligte, erscheint heute geradezu rührend. Mittlerweile hätte man selbst als »Otto Normalverbraucher« bessere Karten, da die Wortmarke »Österreich« durch ihren Missbrauch am Zeitungsmarkt massiv beschädigt wurde.
Dazu eine wahre Anekdote: Ein Freund betrat unlängst eine Trafik in Wien, um sich mit einer möglichst breiten Palette an Tageszeitungen einzudecken. Nachdem er vergeblich nach einem Exemplar von Österreich Ausschau gehalten hatte, wandte er sich mit der Frage »Österreich ist schon ausverkauft?« an den Trafikanten, der mit gequältem Lachen und den Worten »Na so weit kommt’s noch« unter der Budel verschwand, um von dort einen großen Packen der gewünschten Postille heraufzuholen. Als mein verdutzter Freund daraufhin von ihm wissen wollte, ob er aus Schamhaftigkeit dieses Produkt nur unter dem Ladentisch verkaufe, antwortete er: »Nein, aber wenn ich es oben liegen habe, nehmen es sich die Leute einfach.«
Also, für alle, die es nicht wissen: Österreich kann man auch kaufen – man kann ja auch im Sommer selber Gelsen züchten.
Woran aber liegt es, dass für diese Zeitung außer der österreichischen Bundesregierung kaum jemand bezahlen will? Immerhin bietet sie ihren Lesern etwas wirklich Exklusives, nämlich eine eigene Wirklichkeit: Kolumnen von Prominenten, die von diesen nie geschrieben wurden, Berichte über Shows, die nie stattgefunden haben, oder eine Werbelinie, die sich von Tatsachen nicht beeinflussen lässt. Dies durfte unlängst TV-Kaiser Robert Palfrader erfahren, der den von Österreich-Geschäftsführer Oliver Voigt persönlich vorgebrachten Wunsch, er möge doch Werbung für das Blatt machen, mehrfach mit »Nein, nie im Leben« beantwortete. Daraufhin schaltete Österreich einen Spot, in dem ein Palfrader-Double in nasalem Tonfall »Auch wir lesen Österreich« behauptet.
Wolfgang Fellners Gazette ist also ein Medium, das die engen Grenzen der Faktizität hinter sich lässt. Schon das erste Plakat gab diese Richtung vor. Darauf sah man den Herausgeber mit geschlossenen Augen – eine deutlichere Absage an die Wahrnehmung der Realität ist kaum vorstellbar.
Doch vielleicht liegt genau hier der Schlüssel für eine verkaufsträchtigere Zukunft der Zeitung: im offenen Bekenntnis zur Fiktionalität. Damit könnte man auch wieder in der Trafik punkten. Neu eingeordnet zwischen Perry Rhodan, Jerry Cotton und Dr. Stefan Frank wäre selbst dem ignorantesten Konsumenten klar, dass es das nicht gratis gibt. Und das leidige Rechtfertigungsproblem der unzähligen Regierungsinserate wäre auch gelöst. Gegen staatliche Literaturförderung kann doch niemand etwas haben.
Angesichts der heimischen Boulevard-Realität fragt man sich, wovor sich unsere Politiker eigentlich fürchten.
Geben Sie Politikfreiheit!
Wird irgendwo auf der Welt ein Skandal aufgedeckt, gehorchen die Reaktionen in Österreich einem verlässlich vorhersagbaren Zwei-Stufen-Prinzip: Zunächst versichert man sich, dass so etwas bei uns nicht möglich wäre, dann folgt die verschämte Einsicht, dass