Melancholie. László F. Földenyi

Melancholie - László F. Földenyi


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weil in ihnen beides voneinander untrennbar ist: Der Wahnsinn ist eine Folge der Außerordentlichkeit, ihre Außerordentlichkeit aber verdanken sie der Tatsache, dass sie die Möglichkeit des Wahnsinnigwerdens in sich tragen. Da ihre Außerordentlichkeit kein irdisches Maß hat, ist ihr Wahnsinn auch durch kein irdisches Heilmittel endgültig heilbar, es wäre sogar gerade ein solches Heilverfahren, das ihre wahre Vernichtung bedeuten würde.9 Ihr Wahnsinn hat uns das Tor zu einer neuen Welt eröffnet, und indem wir es durchschreiten, verliert die Einrichtung der irdischen Welt ihre Bedeutung, und vor uns erscheinen Horizonte, die alles Seiende in einem von Grund auf neuen Licht erblicken lassen. Über die Manie schreibt noch Platon: »Ebenso hat auch von Krankheiten und den schwersten Plagen […] ein Wahnsinn, der auftrat und vorhersagte, denen es not war, Errettung gefunden, welcher, zu Gebeten und Verehrungen der Götter fliehend und dadurch reinigende Gebräuche und Geheimnisse erlangend, jeden seiner Teilhaber für die gegenwärtige und künftige Zeit sicherte, dem auf rechte Art Wahnsinnigen und Besessenen die Lösung der obwaltenden Drangsale erfindend«.28 Die Melancholie, die bei Aristoteles (wie auch bei Hippokrates) untrennbar mit der Manie verbunden ist, befähigt die daran Teilhabenden, die allgemeinen Grenzen eines menschlichen Seins zu überschreiten, um sich den Forderungen des Alltags zu entziehen. Mit den Worten des Heraklit gesprochen, werden sterbliche Unsterbliche zu Erlebenden ihres Todes und zu ihrem Leben Sterbenden. Die Fesseln des Alltags lösen sich (die melancholischen Helden zweifeln sogar an den das Sein garantierenden Göttern), und (um uns hier der platonischen Ausdrucksweise zu bedienen) sie werden zu Beobachtern und Erleidenden des »Werdens zur Seinshaftigkeit«,29 das heißt des beständigen Wechsels von Sein und Nichtsein.


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