Gestalten mit Licht und Schatten. Oliver Rausch

Gestalten mit Licht und Schatten - Oliver Rausch


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innerhalb des Gesichts festgehalten wird.

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      Abbildung 2–24

      Sehr niedriges und sehr steiles hochfrontales Licht ermöglichen es Ihnen, die Grundstimmung und die Formbetonung in gewissem Rahmen zu variieren.

      Bilder, die mit hochfrontalem Licht aufgenommen werden, wirken zunächst offen, natürlich, neutral, beschreibend. Anders als bei Rembrandt- und Seitenlicht können Sie die Lampenposition und damit auch die gewünschte Stimmung in gewissem Rahmen variieren.

      Senken Sie die Lampenposition für hochfrontales Licht, nehmen der »Lidschatten«, der »Rougeschatten« und die Plastizität der Lippen langsam ab, bis sie schließlich völlig verschwinden. Auch der Nasenschatten, der »Schmetterling«, verschwindet bei sehr niedriger Lampenposition. Bei niedriger Lampenposition können Sie ein Porträt freundlicher, weicher, lieblicher oder aber auch flächiger und langweiliger wirken lassen. Das Freundliche können Sie durch ein zusätzliches Gegenlicht und eine helle Bildgestaltung weiter unterstützen. Hochfrontales Licht kann dann sonnig wirken und sogar den Touch des »Heiligen« oder des »Erhabenen« bekommen, vor allem wenn Sie zusätzlich große Lichtquellen und starke Schattenaufhellung mit hinzunehmen. Ein warmer Bildton kann weiter unterstützend in diese Richtung wirken.

      Erhöhen Sie die Lampenposition, werden die genannten Schatten deutlicher und markanter. Das Porträt wirkt theatralischer oder auch mächtiger. Eine dunkle Bildgestaltung mit wenig Aufhellung unterstreicht diese Wirkung ebenso wie die Wahl einer eher kleinen Lichtquelle.

       Bei hochfrontalem Licht haben Sie große Freiheit in der Wahl der Höhe der Lampenposition und damit ist es das variantenreichste Licht.

      Durch diesen Spielraum für unterschiedliche Wirkungen ist das hochfrontale Licht für den ungeübten Fotografen anfänglich schwer einzuschätzen. Hinzu kommt, dass die entstehenden Schatten nur recht klein und unscheinbar ausfallen und so dem ungeübten Auge oft entgehen.

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      Abbildung 2–25

      Auch bei hochfrontalem Licht können Sie Ihren Kamerastandpunkt frei wählen.

      Wie bei den anderen Lichtarten sind Sie auch hier in der Wahl der Kameraposition sehr frei. Sie können 180° um Ihr Modell herumlaufen, solange das Licht auf der kurzen Seite bleibt, Ihnen also die Schatten entgegenkommen. Das gilt auch für Profilaufnahmen. Wechseln Sie die Seite, in die Sie hineinschauen, über die Nasenlinie des Modells hinweg, so verschieben Sie die Lichtquelle wiederum auf die neue kurze Seite, bis das Ihnen zugewandte Ohr im Schatten verschwindet. Nur bei mittigem Standpunkt, frontal vor dem Modell, müssen Sie die Lampe zurück in die Mitte verschieben, bis beide Ohren etwa gleich viel Licht erhalten. Wie bei Seitenlicht und Rembrandtlicht ist das Modell recht festgelegt auf eine bestimmte Haltung, die Sie am besten bereits vor dem Ausleuchten wählen.

      Die Fallentscheidung bei hochfrontalem Licht

      Leuchten Sie das Modell wie in Schritt 2 der Schritt-für-Schritt-Anleitung frontal an, ist das die korrekte Lampenposition für ein frontal fotografiertes Porträt. Bewegen Sie sich bei dieser Ausleuchtung aber mit der Kamera auf eine der beiden Seiten des Modells, erstrahlt das Ohr des Modells wie ein Leuchtfeuer im dunklen Gesichtsschatten und zieht den Blick des Betrachters von den Augen und der Mimik des Modells weg, wie in Abbildung 2–26 zu sehen ist. Haben Sie die Lampe ein klein wenig zur kurzen Seite verschoben, wie in Schritt 3 gezeigt, um Ihr Modell von einem seitlichen Standpunkt zu fotografieren, und entscheiden Sie sich anschließend aber doch dafür, frontal zu fotografieren, so wird Ihr Modell »nur noch ein Ohr haben«. Zudem wird die Nase ein wenig schief wiedergegeben, da der Schatten darunter nicht mehr mittig liegt, wie Abbildung 2–27 deutlich zeigt. Dasselbe trifft auf den Mund zu. Ein Mundwinkel ist deutlich dunkler als der andere und damit ist er ungleichgewichtig betont. Auch die entstehenden Lidschatten lassen die Augen unterschiedlich groß erscheinen. Zu guter Letzt wird der Wangenknochen der Schattenseite betont, während die Wange der angestrahlten Seite flächiger dargestellt wird. Dadurch wirkt die eine Gesichtshälfte deutlich schlanker als die andere. Insgesamt ist das Modell jetzt deutlich asymmetrisch gestaltet.

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      Frontal ausgerichtetes hochfrontales Licht ist weniger für einen seitlichen Kamerastandpunkt geeignet, da das Ohr so zu einem leuchtenden Akzent wird.

      Licht auf der langen Seite

      Hochfrontales Licht ist die Lichtart, bei der die Lichtquelle in Relation zum Modell am höchsten positioniert ist. Dadurch entsteht selbst bei Beleuchtung von der langen Seite her ein wenig Plastizität auf der Wange und unter dem Kinn. Es entsteht manchmal sogar ein recht gut erkennbarer Lidschatten auf der langen Seite, was dem Auge eine gewisse Tiefe verleiht. Dennoch ist auch hochfrontales Licht auf der langen Seite mit Vorsicht zu genießen: Das Gesicht wirkt schnell flächig, das Ohr wird zu einem »strahlenden« Akzent und das Modell erscheint deutlich weniger schlank als bei Licht auf der kurzen Seite. Verglichen mit der Plastizität, der Konturierung des Gesichts und der Modellierung von Wange, Lippen und Augen bei Beleuchtung von der kurzen Seite ist meine Empfehlung auch hier wieder, das Licht eher auf der kurzen Seite einzusetzen. Die entstehenden Schatten sind ohne Aufhellung sehr kontrastreich und oftmals wird das Licht aus diesem Grund auf der langen Seite eingesetzt. Der Kontrast lässt sich aber mithilfe von Aufhellung im weiteren Verlauf beliebig reduzieren. Positionieren Sie also Ihr Hauptlicht zunächst in Hinblick auf möglichst hohe Plastizität, gute Konturierung, zielgerichtete Akzentsetzung, spannende Linienführung und Flächenaufteilung. Sorgen Sie für ein Licht, das den Blick des Betrachters von Störendem weg auf das für Ihr Bild Wesentliche lenkt. All diese Punkte ergeben sich bei Beleuchtung von der kurzen Seite meist ganz von alleine. Ein anschließendes Abmildern der Kontraste und erzielten Effekte ist je nach Wunsch immer noch möglich. Steht das Hauptlicht auf der langen Seite, ist die Schattenwirkung oft eher schwach und meist entstehen störende Akzente, weniger spannende Linienverläufe und große, langweilige Flächen. Ein Verstärken zu schwach ausgefallener oder an falscher Stelle verlaufender Schatten durch weitere Lichtquellen ist anschließend aber leider nicht mehr möglich.

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      Seitlich versetztes hochfrontales Licht ist weniger für ein frontales Porträt geeignet, da das Gesicht ungleichgewichtig erscheint und ein Ohr »verliert«.

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      Abbildung 2–28

      Hochfrontales Licht auf der langen Seite erzeugt zumindest noch ein wenig Plastizität, legt aber, wie alle anderen Lichtarten auf der langen Seite, den Akzent auf das Ohr.

      Zu niedriges hochfrontales Licht

      Wenn Sie erste Erfahrungen mit hochfrontalem Licht sammeln, empfehle ich Ihnen, sich zunächst am Nasenschatten zu orientieren. Verschieben Sie die Lampe so weit nach oben oder unten, bis dessen Spitze in der Mitte zwischen Nasenansatz und Oberlippe zu liegen kommt. In der Regel sind alle anderen Schatten jetzt ebenfalls deutlich erkennbar ausgeprägt und verursachen noch keine Probleme durch eine zu hohe oder zu niedrige Lampenposition.


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