Gestalten mit Licht und Schatten. Oliver Rausch

Gestalten mit Licht und Schatten - Oliver Rausch


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und erzeugt einen deutlichen Akzent auf dem Ohr.

      In der Malerei finden Sie Rembrandtlicht sowohl auf der langen als auch auf der kurzen Seite. Wird es auf der langen Seite eingesetzt, ist die lange Seite meist plastischer gemalt, es gibt also mehr Schatten, als das Licht allein tatsächlich erscheinen ließe. Die Damen und Herren im Barock legten außerdem Rouge auf, das die Wange dann zusätzlich plastisch modelliert. Das Ohr wird zum Beispiel mit einem Hut oder im Schatten eines solchen »versteckt«. Dieser Hutschatten »bricht« häufig die große Fläche der Wange und belebt diese dadurch. Ich empfehle Ihnen, das Rembrandtlicht zunächst auf der kurzen Seite auszuprobieren, da sich dann die Probleme mit dem Ohr als Akzent und mit der flächigen Wange gar nicht erst ergeben.

      Rembrandtlicht lässt Gesichter recht markant und damit auch reifer oder erfahrener erscheinen. Daher finden Sie es oft bei Porträts von Männern und seltener bei Frauen. Letztere wirken in diesem Licht oft um fünf Jahre älter, als sie tatsächlich sind.

      Zu niedrig platzierte Lichtquelle bei Rembrandtlicht

      Wenn der Schatten der Unterkante der Nase parallel zum Mund oder sogar nach oben verläuft, so wirkt die Nase des Modells oft sehr schiefgezogen oder sogar »krummgeschlagen«. Das Lichtdreieck unter dem Auge fällt zudem sehr klein und etwas deformiert aus. Der Schatten, der von der Unterkante der Nase ausgeht, sollte daher immer leicht abwärts verlaufen, aber dabei niemals den Mundwinkel berühren.

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      Abbildung 2–17

      Zu niedrig platziertes Rembrandtlicht erzeugt kleine Lichtflecke am Mundwinkel und lässt die Nase schief erscheinen.

      Zu weit oben platziertes Rembrandtlicht

      Sobald die Spitze des Nasenschattens den Mundwinkel verdeckt, ist die Lampe zu weit oben positioniert. Umspielt das Licht den Mund nicht, ist auch dessen Mimik nicht mehr gut erkennbar. Er liegt dann im Dunkeln, ähnlich wie beim Seitenlicht.

      Das Licht steht auch zu weit oben, wenn das Oberlid der kurzen Seite im Schatten liegt und so dunkel erscheint, dass es kein Gegengewicht zum Lichtdreieck unter dem Auge mehr herstellen kann. Dann wirkt das Auge der Schattenseite sehr »nach unten gezogen«. Dies lässt das Modell »verweint« dreinschauen.

      Deutlich zu hoch steht die Lichtquelle auch, wenn das Auge selbst im Schatten liegt und damit im Bild nicht mehr erkennbar wird. Dann akzentuiert das Lichtdreieck nur noch die »leere« Wange.

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      Abbildung 2–18

      Zu steiles Rembrandtlicht lässt die Augen des Modells dunkel und leblos erscheinen.

      Zu weit nach hinten verlagertes Rembrandtlicht

      Ragt der Nasenschatten sichtlich mehr als nur »gerade eben« in den Gesichtsschatten hinein, entsteht kein ansprechendes Lichtdreieck mehr unter dem Auge. Die Lampe in Abbildung 2–19 ist vom Modell aus gesehen zu weit hinten platziert worden. Es entsteht meist (je nach Anatomie) eine recht unschöne Form unter dem Auge, die einem Schmiss ähnelt.

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      Zu weit nach hinten verlagertes Rembrandtlicht.

      Zu weit vorne platziertes Rembrandtlicht

      Berührt der Nasenschatten den Gesichtsschatten nicht, wirkt die Nase des Modells sehr schief. Es sieht so aus, als würde die Nase um den Schatten verlängert werden. Ist der Nasenschatten bei korrektem Rembrandtlicht mit dem Gesichtsschatten verbunden, wird er offensichtlich nicht mehr der Nase zugerechnet, sondern bildet eine Einheit mit dem Gesichtsschatten und die Nase selbst erscheint gerade. Berühren sich Nasen- und Gesichtsschatten nicht, wird das Lichtdreieck nach unten geöffnet und erinnert an die obere Hälfte einer Sanduhr. Das Dreieck hat an der unteren Spitze eine kleine Öffnung, an der das Auge des Betrachters dem Dreieck entrinnen und nach unten aus dem Dreieck, am Gesichtsschatten entlang, herauswandern kann. Dadurch, dass der Betrachterblick nicht mehr in diesem Bereich um das Auge herum gefangen wird, scheint der Blick des Modells den Betrachter weniger zu fixieren. Das Modell schaut uns dann scheinbar weniger durchdringend an.

      Wenn der Kiefer des Modells sehr schmal ist, kann es manchmal passieren, dass in dem Moment, wo der Nasenschatten knapp über dem Mundwinkel in den Gesichtsschatten hineinragt, das Licht nicht mehr den gesamten Mund umspielt. Dann lässt sich die Mimik des Mundes nicht in jeder Einzelheit ablesen. In diesem Fall gibt es wieder gleich mehrere Lösungen. Verfügen Sie über entsprechende Photoshop-Kenntnisse, können Sie die Lichtquelle so weit vorne platzieren, dass der Mund gerade noch komplett vom Licht umspielt wird, aber der Nasenschatten den Gesichtsschatten noch nicht berührt. Das kleine Fehlstückchen zwischen Nasenschatten und Gesichtsschatten können Sie in Photoshop leicht durch nachträgliches Abdunkeln schließen. Viel leichter zumindest, als den Nasenschatten bei der Aufnahme mit dem Gesichtsschatten zu vereinen und den Mund, der dadurch im Schwarz verschwunden ist, in Photoshop wieder zu »rekonstruieren«. Das Problem ist meist auch ohne Photoshop durch Wahl einer großen Lichtquelle oder durch Aufhellung lösbar (siehe spätere Kapitel). Bei einem schmalen Kiefer des Modells ist Seitenlicht oft besser geeignet, da der Akzent bei diesem Licht ja nur auf dem Auge liegen sollte und eben nicht auf dem Mund. Bei Rembrandtlicht ist eine flachere Gesichtsform also eher von Vorteil, bei Seitenlicht eher eine schmale.

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      Abbildung 2–20

      Zu weit vorne platziertes Rembrandtlicht lässt die Nase schief erscheinen und öffnet das Lichtdreieck unter dem Auge.

      Bei sehr tief im Schädel liegenden Augen, was leider oft bei Brillenträgern mit starken Gläsern auftritt, muss die Lichtquelle recht niedrig stehen, damit die Oberlider in den tiefen Augenhöhlen noch vom Licht getroffen werden. Zuweilen muss dafür die Lampe so tief stehen, dass der Nasenschatten an seiner Unterkante parallel zum Mund verläuft, was die Nase sehr schief gezogen erscheinen lässt. Abhilfe schafft dann wieder starkes Aufhellen der entstandenen Schatten, eine größere Hauptlichtquelle oder eine andere Hauptlichtart, bei der das Problem nicht auftritt.

      Positiv wirkt sich Rembrandtlicht auf der kurzen Seite bei starken Nasolabialfalten aus. Die kamerazugewandte Falte wird durch den Nasenschatten verdeckt, während Sie die kameraabgewandte Falte bei geeignetem Kamerastandpunkt hinter der Nase verstecken können (siehe auch Abbildung 2–15 unten links).

      Da Rembrandtlicht die Mimik deutlich erkennen lässt und zugleich genügend Spielraum für freie Interpretationen gibt, ist eine ausgesprochene Regie bei diesem Licht unerlässlich. Was in der Mimik zum Ausdruck kommt, wird vom Betrachter gerne aufgenommen und weitergesponnen. Dennoch ist ein breites Lachen eher unpassend. Rembrandtlicht stellt ein sehr schattenreiches Licht dar, das zugleich die Gesichtsformen in sehr markanter Weise herausmodelliert. Tendenziell eignet es sich für Bildaussagen in Richtung markant, kräftig, herrschend, heldenhaft, grübelnd, sinnierend, spitzbübisch etc. Ein liebliches Lächeln kann bei Rembrandtlicht etwas Boshaftes bekommen, da das düster Markante des Lichtes dem Verheißungsvollen entgegensteht. Wird dieser Widerspruch bewusst eingesetzt, kann das auch zu sehr spannenden Aufnahmen führen. Sie müssen sich nur des Zusammenspiels von Regie und Licht bewusst werden, um dies für sich nutzen zu können.

      Für Modelle ist die »Eigenregie« beim Rembrandtlicht am schwierigsten


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