Durchkreuzt. Andreas R. Batlogg

Durchkreuzt - Andreas R. Batlogg


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geweiht worden bin, beigesetzt werden? Warum kam der Gedanke gerade jetzt? – Und schon begann der Sinkflug.

      2Zur Entstehungsgeschichte vgl. »Eine neue Lektüre des Evangeliums«. Einführung von Andreas R. Batlogg SJ, in: Antonio Spadaro, Das Interview mit Papst Franziskus. Hrsg. v. Andreas R. Batlogg. Freiburg 2013. – Die englische Übersetzung aus dem Online-Journal »Thinking faith« wurde von der amerikanischen Jesuitenzeitschrift »America« übernommen, die spanische aus »Razón y fe« (Madrid) von »Mensaje« (Chile) und »Sic« (Venezuela).

      3Vgl. Andreas R. Batlogg, Le elezione parlamentari in Germania, in: La Civiltà Cattolica 168 (2018), no. 4016, 153–165. Mit meiner Prognose, was die Koalitionsvariante »Jamaika« betraf (»Nero-giallo-verde per la bandiera nero-rosso-oro: questo è il risultato delle elezioni parlamentari in Germania. La cancelliera precedente sarà certamente anche la prossima: Angela Merkel.«), irrte ich leider. Nur die Kanzlerin hieß wieder Angela Merkel.

      4Vgl. zuletzt: Friedhelm Mennekes, Neue Körperimaginationen. Die 57. Biennale von Venedig 2017, in: Stimmen der Zeit 235 (2017), 768–780.

      5Vgl. Andreas R. Batlogg, Die Optimisten von Sant’Egidio. Zum Profil einer christlichen Gemeinschaft mit weltweitem Einfluss, in: Stimmen der Zeit 229 (2011), 613–628; italienische Teilübersetzung (»Sant’Egidio: Profilo di una communità cristiana«) in: La Civiltà Cattolica 161 (2011), no. 3874, 369–379.

      5.

       CT und MRT

      Am 6. Oktober hatte ich den Termin in Neuperlach. Ich war drei oder vier Stunden dort. Sie kamen mir vor wie eine kleine Ewigkeit: MRT des Unterbauches, zuvor ein Kontrastmittel. Die Fülle von Informationsbögen, die durchzulesen waren, Zustimmungserklärungen und andere Papiere, die ich unterschreiben musste, riefen Ahnungen wach, dass jetzt etwas ganz Neues, Tiefgreifendes, lange Andauerndes beginnen würde. Es gab eine weitere Untersuchung, an die ich mich aber im Detail nicht mehr erinnern kann. Der Eindruck, der zurückblieb: Die Sache zieht sich. Es wird dauern! Ich ahnte: Nichts wird mehr so sein wie vorher.

      Eine sehr freundliche türkische Assistenzärztin informierte mich über die verschiedenen Schritte, die vor mir lagen. Sie wurde auch nicht ungeduldig, als ich mehrmals bat, sie möge einen Satz wiederholen. Die Ergebnisse würden in einigen Tagen in einer Tumorkonferenz besprochen, danach bekäme ich den Bericht zugeschickt. Ich deutete an, dass ich eine Zweitmeinung einholen und wohl ins Klinikum Innenstadt der LMU wechseln würde. Entgegen meiner Befürchtung hörte ich: »Das ist Ihr gutes Recht!« Fuat hatte mir bereits versichert, ein Wechsel in ein anderes Krankenhaus sei kein Problem, ich müsse mich nicht rechtfertigen. Ganz geglaubt hatte ich ihm das damals nicht.

      Datiert mit 12. Oktober, erhielt ich unmittelbar vor dem nächsten Termin, den Fuat für den 13. Oktober organisiert hatte, den Bericht aus Neuperlach. Die Diagnose: »nicht stenosierendes, mäßig differenziertes Addenokarzinom, Rektum bei 9 cm p. a.« Als Procedere wurde vorgeschlagen: »primäre onkologische Resektion mit laparoskopisch tiefer anteriorer Rektumsektion und protektive Anlage eines künstlichen Darmausganges.« Therapie: Staging.

      Als Stadienbestimmung (engl. staging) bezeichnet man jenen Teil in der Diagnostik, welcher der Feststellung des Ausbreitungsgrades eines bösartigen Tumors dient. Sie dient als Basis für die Entscheidung, welche Therapie angezeigt ist. Als »Empfehlung« las ich am Ende des Berichts: »Wir haben Herrn Dr. Batlogg am 12. 10. 2017 um 14 Uhr angerufen und über unsere Empfehlung mit der primären Operation mit tiefer anteriorer Rektumresektion informiert. Herr Dr. Batlogg hat sich eine Zweitmeinung geholt und wird im Klinikum Innenstadt der LMU eine Therapie mit neoadjuvanter Radiochemotherapie beginnen. Die Portimplantation sei bereits für morgen geplant. Wir wünschen Herrn Dr. Batlogg alles Gute und stehen bei Fragen jederzeit zur Verfügung.« Ich verstand: Fuat hatte sich bereits im Klinikum gemeldet und angedeutet, dass er eine andere Therapie – mit späterer Operation – vorschlägt.

      Den letzten Teil des zwei Seiten langen Berichts verstand ich. Das Medizinerkauderwelsch davor ließ ich mir von Monika erklären, einer Freundin, die in St. Michael ehrenamtlich als Lektorin und Ministrantin wirkte. Monika war Dermatologin und Gesundheitswissenschaftlerin. Sie unterrichtete an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, außerdem lehrte sie auch an der TU München, wo sie eine Aids-Station aufgebaut hatte. Leider ist sie im März 2018 bei einer Schitour tödlich verunglückt. Zwei Wochen, nachdem ich ihren Vater beerdigt hatte, musste ich mit einem Mitbruder diesen letzten Dienst für sie tun – ein schwerer Schlag für ihre Familie, für die Gottesdienstgemeinde in St. Michael, auch für mich. Bei der Beerdigung benötigte ich noch einen Rollator.

      Am 13. Oktober fuhr ich morgens ins Klinikum Großhadern: Eine weitere CT und die Implantation des Super-Ports unter dem rechten Schlüsselbein standen an. Im Fachjargon: operative Einpflanzung eines zentralvenösen Katheders. Da ich am Morgen zu wenig getrunken hatte, musste ich eine Stunde warten, währenddessen ich auf und ab gehend eineinhalb Liter Flüssigkeit trank. Dann erst die Röhre, die anfangs etwas unheimlich wirkt. »Tak, tak, tak«, so hörte sich das erste Geräusch an, ein anderes hatte einen dumpfen Laut. Falls man in Panik gerät oder Platzangst bekommt, kann man mittels eines Knopfes Alarm schlagen. »Alles in Ordnung?«, hörte ich einmal über einen Lautsprecher. Man ist allein mit sich, das Ganze dauert 30 bis 45 Minuten. Dieses Durchleuchten macht einen zum gläsernen Menschen.

      Nervös war ich, ob ich den kleinen Eingriff rechtzeitig absolvieren könnte, da die beiden Abteilungen weit auseinander lagen. Großhadern ist riesig. Ich hatte Angst, mich zu verlaufen und fand die angezeigte Station auch nicht sofort. Aber weil sich dort einiges verschoben hatte, musste ich auch hier warten, beinahe drei Stunden. Kurz vor zwölf Uhr mittags kam ich in den kleinen Operationssaal. Selbst auf den Tisch zu steigen, mitzukriegen, wie ich mit grünen Tüchern abgedeckt wurde, war ein Neuheitserlebnis. Ich war ziemlich nervös. Gleich würde mir mit einem Skalpell in die Haut geritzt werden. Ich wurde lokal betäubt. »Haben Sie schon aufgeschnitten, ist das Ding schon eingesetzt?« »Alles schon passiert, keine Angst.« »Und wenn ich jetzt kollabiere?« »Es kann gar nichts passieren, Sie merken das gar nicht. Alles in Ordnung!«

      Es war die Aufregung – das erste Mal eine kleine OP im Leben, mit 55! Der Schiunfall auf dem Hochjoch in Schruns (Montafon), als ich mir das Bein brach und drei Wochen einen Liegegips bekam, lag Jahrzehnte zurück: Im Januar 1970 – meine kleine Schwester wurde in dem Monat geboren – war ich in der ersten Klasse der Volksschule Riedenburg in Bregenz.

      Schmerzfrei kletterte ich vom OP-Tisch herunter. Jetzt hatte ich also einen kleinen Kumpanen unter dem Schlüsselbein – eine tolle Einrichtung, wie ich später feststellte, denn Infusionen können so viel leichter verabreicht werden.

      Auf dem Weg zurück in die


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