Kaiser Karl. Eva Demmerle

Kaiser Karl - Eva Demmerle


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Dienst ausüben, sowie auch eine allgemeine Universitätsausbildung sich aneignen müsste. Der Herr, der ihn in diesen zwei Jahren vor seiner Großjährigkeit begleiten würde, wäre nach außen quasi sein Kammervorsteher, unter vier Augen noch immer sein Mentor, welcher ihn auf alles aufmerksam machen muss.

      Da meine Frau sowohl wie ich das vollste Vertrauen zu Ihnen haben, würden wir gerne sehen, wenn Sie diese Stelle bei unserem Sohne auch für diese zwei Jahre beibehalten würden.

      Doch wie wir Sie jetzt schon ein Jahr vorher fragen, ob Sie diesen von uns bestimmten Plan annehmen, so müssen wir Sie auch bitten, sich klar und bestimmt auszusprechen, ob Ihre Gesundheit es zulassen wird, diesen Dienst auch wirklich die zwei vollen Jahre durchführen zu können?

      Ein zweiter Herr wird auf keinen Fall unserem Sohn zugeteilt werden: doch muss ich dabei bemerken, dass eben diese Zwischenzeit von 18 bis zu 20 Jahren auch nach und nach freiere Bewegung und selbstständigeres Auftreten unseres Sohnes mit sich bringen soll; daher auch viele Stunden des Tages z. B. V.M. beim Regiment N.M.6 bei einem eventuellen juristischen Vortrag seinem Mentor respektive Kammervorsteher zum ›Freisein‹ erübrigt werden.

      Als Garnisonsort würde ich Sr. Majestät entweder Prag oder Innsbruck vorschlagen, die zwei einzig möglichen Garnisonen, wo auch eine Universität ist und wo man hoffentlich den einen oder den anderen verlässlichen Professor findet.

      Unser Sohn Karl, der so Gott es will, bestimmt ist, einst Kaiser zu werden, muss unbedingt erst gründlich die Infanteriewaffe, unsere Hauptwaffe kennenlernen. Wie meine Brüder und ich, wir fingen alle bei der Fußtruppe an. Der richtige Verkehr mit dem Offizierskorps, das unauffällige Hintanhalten von nicht besonderen Elementen im Offizierskorps ist und bleibt Aufgabe des Erziehers, vereint mit dem betreffenden Regimentskommandanten und mit den Stabsoffizieren und kann leicht überwacht werden. Ihre einst vorgebrachte Idee, Karl könnte sich nach seiner Großjährigkeit noch immer für sich in allen Fächern weiter ausbilden, kann ich nicht teilen; denn das kann sein, kann auch nicht sein. – Ich halte es für unsere Pflicht, solange unser Sohn minderjährig ist, ihn so viel als er für sein späteres Leben braucht – und dies ist viel – studieren zu lassen. Ist er einmal definitiv großjährig, und beim Regiment kann er ja, wenn er Lust hat, weiter studieren, wenn nicht, so hat er wenigstens genug inne, um sich in allen seinen künftigen militärischen und staatlichen Lagen und Stellungen zurechtzufinden.

      Daher muss er in den letzten zwei Jahren, neben dem militärischen Dienst, noch juristische, geschichtliche und staatswissenschaftliche Studien gründlich durchmachen, wozu in der Garnison der N.M. verwendet werden kann. Bei der Infanterie ist der Hauptdienst V.M., ich will damit nicht gesagt haben, dass er nur V.M. Offizier N.M. Studiosus ist, es kann ja auch einmal ein Übungsmarsch, ein Schießen etc. etc. N.M. sein – dieser Tag ist dann eben nur militärisch verbracht.

      Prag hat den Vorteil, dass der gesellschaftliche Umgang bei Karl sehr gut gepflegt werden kann, er könnte sich angewöhnen, eigene kleine Diners zu geben etc. Innsbruck hat wieder mehr militärische Vorteile, in dem das Tiroler Kaiserregiment sehr schön und Karl selbst so gerne in Tirol ist! Und dann Erzherzog Eugen als erster in der Garnison, was für Karls Charakter ganz gut wäre!!! Natürlich müsste die Garnisonswahl noch sehr genau überdacht werden und ist hiezu noch genügend Zeit und muss einst die allerhöchste Willensbildung erbeten werden.

      Mein ganzes Schreiben soll Ihnen nur zeigen, was wir in Hauptzügen mit unserem Sohne in seinen letzten zwei Erziehungsjahren beginnen wollen, und wir müssen vor allem anderen Ihren klaren dezidierten Ausspruch wissen und die Versicherung haben, ob Sie den nach unserem bestimmten Plan durchzuführenden Dienst allein und mit Ihrer Gesundheit vereinbaren, leisten können und wollen.

      Unseres vollen Vertrauens seien Sie stets versichert. Von den Grundzügen unseres Entschlusses würde nichts geändert und vom nächsten Herbst an diese Erziehungsmethode durchgeführt werden.

      Erzherzog Otto«7

      Graf Wallis begleitete den jungen Erzherzog noch mehrere Jahre, zunehmend mehr als Freund denn als Erzieher. Noch lange sollte Karl seinem einstigen Lehrer verbunden bleiben. Selbst als Kaiser besuchte er häufig Graf und Gräfin Wallis in deren privater Wohnung.

      Das Jahr 1906 brachte wieder weitreichende Veränderungen in Karls Leben. Nachdem er seine militärische Ausbildung – mit ausgezeichnetem Ergebnis – weitgehend abgeschlossen hatte, wurde entschieden, dass er in Prag studieren sollte. Ein trauriges Ereignis überschattete diesen neuen Lebensabschnitt: der Tod seines Vaters am 1. November 1906.

      Damit war Karl nach Erzherzog Franz Ferdinand der nächste Thronfolger. Die Ausbildung musste nun beschleunigt werden. Karl zog nach Prag auf den Hradschin und nahm sein Studium auf.

      Das Studienprogramm war von seinem Freund Arthur von Polzer-Hoditz entworfen und von Kaiser Franz Joseph persönlich sowie dem Unterrichtsminister genehmigt worden. Auch die Dichte des Lehrprogramms wurde nicht dem Zufall überlassen. Davon zeugt ein Brief von Polzer-Hoditz an Graf Wallis:

      »Ich habe dabei auch den Verhältnissen an den zwei Universitäten in Prag Rechnung zu tragen versucht und getrachtet, die sachlichen Rücksichten mit den persönlich-politischen Rücksichten, die gegenüber den zwei rivalisierenden Universitäten in Prag notwendig sind, möglichst zu vereinen. […] Im allgemeinen habe ich mich bei der Sortierung des Stoffes von den Gedanken leiten lassen, dass seine kaiserliche Hoheit Erzherzog Karl nicht durch unnütze und verwirrende Details belastet werden sollte, denn abgesehen davon, dass detailliertes Wissen in juristischen und staatswissenschaftlichen Fächern sich nur durch jahrelanges Studium erwerben lässt, glaube ich, dass solches detailliertes Wissen für ihn ganz unnötig, ja, in gewisser Beziehung sogar schädlich wäre. Unnötig deshalb, weil er ja selbst nie in die Lage kommen wird, einen Zivilprozess zu entscheiden oder einen administrativen Prozess durchzuführen, schädlich deshalb, weil er durch zu viele Details den Überblick über den gewaltig großen Stoff ganz verlieren würde, verlieren müsste und ihm noch obendrein das Studium von Anfang an verekelt und das Interesse daran natürlicherweise genommen würde. […] Was aber meiner Ansicht nach Erzherzog Karl von großem Wert wäre, und was er einmal, wenn die Vorsehung ihn auf den Thron Österreichs berufen würde, sehr brauchen wird, ist ein klarer Überblick über das weite Gebiet der Staatswissenschaft, ein Einblick in das Räderwerk und Getriebe der Staatsmaschine. Er soll ein Gesamtbild bekommen, um immer das Ganze im Auge zu haben, wenn es sich um eine Entschließung in einer einzelnen Sache handelt.«8

      Auch die Professoren waren äußerst penibel ausgewählt worden. Sie kamen von beiden Prager Universitäten, der deutschen und der tschechischen. Karl hörte die Vorlesungen nicht zusammen mit anderen Studenten, sondern als Privathörer. Auf diese Art und Weise konnte sehr viel mehr Stoff bearbeitet werden, als es in einem normalen Universitätsbetrieb möglich gewesen wäre. Seine Professoren äußerten sich später immer wieder lobend über ihn und seine rasche Auffassungsgabe. Während des Studiums verhielt sich Karl nicht einfach rezeptiv, sondern diskutierte leidenschaftlich gern mit seinen Lehrern. Dabei scheute er sich nicht, staatliche Institutionen und verschiedene politische Zustände zu kritisieren. Der Aufenthalt in Prag und insbesondere der Kontakt mit den Professoren der tschechischen Universität mögen dazu beigetragen haben, dass Karl sich sehr früh mit der Benachteiligung der Slawen in der Monarchie auseinandersetzte und sich seine eigene Meinung bildete. Ihm war sehr wohl bewusst, dass dieser Zustand auf Dauer nicht lange haltbar war.

      Nach zwei Jahren beendete Karl das Studium mit einem ausgezeichneten Ergebnis. Polzer-Hoditz hatte den Eindruck, dass Karl »doch bedeutend mehr wusste als mancher, der nach Absolvierung der Universitätsstudien die Hochschule mit einem Doktorhut verlässt.«9

      Anhand dieser Nachzeichnung der ersten 20 Jahre Erzherzog Karls ist ersichtlich, dass er über eine gründliche und solide Ausbildung verfügte. Die Verantwortung der Eltern war groß und wurde von beiden mit Weitblick und Klugheit wahrgenommen. Sie haben sich erfolgreich bemüht, den Jungen nicht zum »Staatskind« werden zu lassen, sondern ihn in einem familiären Umfeld zu erziehen, das die Persönlichkeitsstabilität fördert. Sich selbst der eigenen Defizite bewusst, tat Vater Otto alles, um diese bei seinem Sohne zu verhindern. Schließlich wurde auch die universitäre Ausbildung mit einigem Weitblick organisiert. Erzherzog Karl ging mit einer guten Vorbereitung auf seine künftige


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