Sind denn alle guten Männer schon vergeben?. Silvia Aeschbach

Sind denn alle guten Männer schon vergeben? - Silvia Aeschbach


Скачать книгу
Eigenschaft, das Schenken zu lieben, teile ich übrigens mit meiner Schwester Jeannette. Sie können sich sicher vorstellen, dass am Ende des Weihnachtsabends zwischen uns die eine oder andere Geschenktüte – natürlich ganz im Verborgenen – die Besitzerin wechselt. Wir beide waren bis vor kurzem noch überzeugt, dass von dieser Geheimaktion bisher niemand etwas gemerkt hatte. Aber inzwischen glaube ich, dass man sich über uns amüsiert, wenn wir jeweils, natürlich ganz zufällig, vor dem Abschied noch rasch unter vier Augen etwas besprechen müssen.

      Was das Schenken betrifft, musste ich allerdings auch lernen, den Wunsch meiner besten Freundin zu akzeptieren, die zu Weihnachten weder schenken noch beschenkt werden möchte. In allen anderen Fällen werde ich mir diese Freude nicht nehmen lassen. Egal, ob es sich nur um eine Kleinigkeit oder auch einmal um ein unvernünftiges Geschenk handelt, das mein Budget überschreitet. Und so sollte doch das Schenken funktionieren: als ein Zeichen von Liebe. Und diese lässt sich bekanntlich nicht beziffern. Aber auch nicht erzwingen.

      The Man in Black

      Mein Mann trägt Schwarz. Ausschließlich. Im Sommer höchstens mal Grau, eine »fröhliche Sommerfarbe«, wie er das bezeichnet. Das war schon vor zweiundzwanzig Jahren so, als ich ihn kennen lernte, und es hat sich im Lauf der Zeit nicht geändert. Er ist und bleibt: the Man in Black. Auch wenn ich selber Farben liebe, habe ich seine Überzeugung nie infrage gestellt. Ich finde diese klare Linie auch ziemlich cool. Jedenfalls solange er nicht von mir erwartet, dass ich mich als schwarze Witwe herausputze.

      Ich erzähle dies, weil ich vor ein paar Tagen einen Artikel gelesen habe, in dem es darum ging, inwiefern man versuchen sollte, seinen Partner nach seinen Wünschen zu verändern. Der romantische Vorsatz, seinen Liebsten so zu nehmen, wie er ist, überstehe kaum jemals die ersten zwölf Monate – also die Zeit der größten Verliebtheit. Sei diese vorbei, dürfe man den Partner verändern, und man müsse es sogar!

      Dieser provokanten Meinung ist Christian Thiel. Der Philosoph und Beziehungsexperte hat das Buch »Liebe ist, den Partner nicht so zu nehmen, wie er ist« geschrieben. Er ist überzeugt, dass, wer seine Wünsche ständig zurückstelle, mit der Zeit total frustriert werde. Und dass dies in der Regel nicht zu mehr Zweisamkeit, sondern zu Entfremdung führe. »Solange nicht versucht wird, den Charakter eines Menschen umzubiegen, sondern lediglich sein Verhalten, ist das im grünen Bereich«, sagt Thiel. Nun frage ich mich: Kann man das Verhalten eines Menschen von seinem Charakter trennen? Zeigt sich nicht gerade im Verhalten oder im Auftreten der Charakter eines Menschen?

      Mir sind jedenfalls die Männer und vor allem Frauen, die ihre Partner ständig »optimieren« wollen, ein Graus. Warum soll ich Dinge am anderen, die mir am Anfang gefallen haben oder mich nicht störten, zu ändern versuchen?

      Ich komme zurück zu meinem Mann. Seine Liebe zu Schwarz ist eine tief verwurzelte Überzeugung. Er würde aus Liebe zu mir sicher auch mal ein weißes Hemd anziehen. Aber was bringt es mir, wenn er sich darin nicht wohlfühlt? Natürlich sollte man Wünsche äußern können, solange es nicht auf ein Umerziehen des Partners hinausläuft. Doch wenn mich wirklich etwas stört oder ich mir etwas Bestimmtes wünsche, dann äußere ich dies auch. Und entweder mein Gegenüber ändert dies oder eben nicht. Mir ist jedenfalls ein Mann mit »eigenem« Kopf tausendmal lieber als einer, der alles macht, nur um mich zufriedenzustellen.

      PS: Bei unserer Strandhochzeit im letzten Sommer hätte ich meinem Mann allerdings ein helleres Tenue gewünscht. Bei über dreißig Grad im Schatten wäre ein weißes Hemd vielleicht doch angenehmer gewesen.

      Trostpreis oder Hauptgewinn

      Auch wenn Sie (noch) keine Erfahrung mit Online-Dating gemacht haben, kennen Sie sicher jemanden, der dazu die eine oder andere Geschichte erzählen kann. Denn im Gegensatz zu früher, als eine Heiratsvermittlerin »späte Mädchen« und »einsame Junggesellen« unter die Haube bringen musste, weiß heute fast jedes Kind, dass »Singles mit Niveau« bevorzugt Akademiker daten möchten. Aber auch Menschen mit weniger Niveau – dafür mit etwas mehr fleischlichen Begierden – haben heute Chancen, auf diese Weise fündig zu werden. Das Angebot ist groß, wenn auch nicht immer ganz übersichtlich.

      Während bei gewissen »Seitensprung«-Portalen klar ersichtlich ist, wohin der Hase laufen soll (nämlich in Richtung Schlafzimmer), tummeln sich auf anderen Dating-Apps mehr oder weniger diskret Suchende, die man eigentlich in festen Händen wähnte. So erzählte mir eine Freundin, die seit längerer Zeit online unterwegs ist, dass sie auf der wohl bekanntesten Flirt-App gleich zwei verheirateten Kollegen »begegnet« sei. Sehr amüsiert hat mich, dass es bei dieser App eine eigene »Abteilung« für suchende VIPs gibt, die für »Normalsterbliche« nicht einsehbar ist. Ich fragte mich, welche Kriterien man wohl erfüllen muss, um da aufgenommen zu werden. Reicht es, eine sogenannte B- oder C-Promi zu sein, oder bekommen nur Schweizer A-Prominente Zugang zu diesem elitären Klub? Dann allerdings wäre das Dating-Spektrum sehr klein.

      »Glaubst du«, fragte ich darum kürzlich meinen Angetrauten, »dass ich Chancen hätte, da als ›Bestsellerautorin‹ bei den VIPs aufgenommen zu werden? Undercover, sozusagen, damit ich später eine Story über meine Erlebnisse schreiben könnte?«

      »Vergiss es«, sagte er lachend, »keine Chance!« Was er damit genau meinte, weiß ich nicht. Etwa, dass ich nicht einmal Cervelat-Promi-Status hätte? Oder dass er nicht möchte, dass ich auf diesem Gebiet recherchiere? Hoffen wir, dass es ihm um Letzteres ging.

      Doch zurück zum Dating-Field, das manchmal wirklich ein Minenfeld ist. Ja, es stimmt: Es gibt sie immer noch, die sechzigjährigen Männer, die so eine »adäquate« Partnerin suchen, »die sowohl im Bikini als auch im Abendkleid eine gute Figur macht«. Die aber bitte nicht älter als fünfunddreißig sein darf. Und ja, Single-Frauen über fünfzig tun sich schwer, eine neue Beziehung zu finden. Und es stimmt, es ist nicht schwierig, auf einer App einen Mann oder eine Frau für gewisse Stunden zu finden. Aber eine echte Begegnung, die einem ein paar Schmetterlinge in den Bauch zaubert? Oder sich sogar noch weiterentwickeln könnte?

      Auch wenn sich auf diesen Apps und Portalen viele männliche und weibliche »Trostpreise« finden, bedeutet das nicht, dass nicht auch der Hauptgewinn dabei sein könnte. In meinem Freundeskreis tut sich nämlich Erstaunliches. Gleich zwei neue Paare haben sich online gefunden, eines davon ist im Hochzeitsfieber. Eine ehemalige Chefin hat ihren Liebsten auf einer Flirt-App kennen gelernt und ist heute, allen Unkenrufen zum Trotz, glückliche Mutter eines kleinen Sohnes. Und einer meiner ältesten Kollegen, der schon lange im Ausland lebt, hat über eine Gay-App seinen neuen Lebenspartner kennen und lieben gelernt.

      Jemand Neuen kennen zu lernen, Vertrauen aufzubauen, ihm das Herz zu öffnen, braucht Mut. Denn seien wir ehrlich, mit zunehmender Erfahrung fällt das nicht leichter. Aber egal, ob der erste Schritt virtuell oder in der Realität gemacht wird: Ohne ihn zu wagen, gibt es keine Chance auf ein kleines oder größeres Glück.

      Thirsty Dancing

      »Gehen wir wieder mal tanzen?«, fragte mich meine langjährige Freundin Priska in einem so angestrengt lockeren Ton, dass mir klar war: Dies war ein wirklich großer Wunsch von ihr. Denn wenige Wochen vor ihrem fünfzigsten Geburtstag hatte die alleinerziehende Mutter eines Teenagers beschlossen, ihre familiären Aufgaben ein bisschen ruhen zu lassen und wieder mal etwas »Cooles« zu unternehmen. Bevor ich – ohne Lesebrille – den Flyer entziffern konnte, den sie mir unter die Nase streckte, ahnte ich, um was es sich bei dieser Veranstaltung handelte: eine 1980er-Jahre-Party für reifere Menschen. Da ich Priska nicht enttäuschen wollte, stellte ich mich dieser Herausforderung. Aber welcher Look eignet sich für einen solch bedeutenden Anlass? Ein bisschen »Material Girl« à la Madonna, kombiniert mit Kim Wildes rosa geschminktem Schmollmund und Kylies Lockenpracht (Perücke?). Später entschied ich mich für einen eher fantasielosen Look: verwaschene Mother-Jeans, Cowboy-Boots, ein altes Rolling-Stones-Shirt mit dem legendären Zungen-Logo.

      Drei Tage später stand ich kurz vor zweiundzwanzig Uhr – man sollte solche Anlässe nie zu früh besuchen – auf etwas unsicheren Beinen vor Priskas Haustür. Ob


Скачать книгу