Sind denn alle guten Männer schon vergeben?. Silvia Aeschbach

Sind denn alle guten Männer schon vergeben? - Silvia Aeschbach


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sowieso guttun, wenn ich mich etwas mehr bewegen würde, statt immer zu fahren, gebe ich Ihnen recht. Aber manchmal muss es im Alltag halt zügig gehen. Und die Termine nehmen keine Rücksicht auf Döner und Fritten.

      Vielleicht bin ich pingelig, aber ich mag es einfach nicht, wenn meine Kleider und Haare nach Essen riechen. Das ist nicht nur nach dem Tramfahren so, sondern auch, wenn ich nach einem Nachtessen mit Freunden nach Hause komme und mich mein Mann mit der Feststellung begrüßt: »Ah, heute Abend gab es Fondue mit ein paar Gläschen Weißem«, oder schlicht mit: »Spaghetti aglio e olio«. Etwas mulmig wird mir, wenn er fragt: »Bist du sicher, dass der Fisch frisch war?«

      Lustigerweise scheinen ihn Essensgerüche an mir weniger zu stören als mich selber. Das kann aber auch daran liegen, dass er momentan am Abend weniger isst, um etwas Gewicht zu verlieren. Da ist so ein gebratenes Güggeli – auch wenn es nur als Duftnote daherfliegt – durchaus willkommen.

      Immer mehr Menschen essen am Bürotisch ihre Mahlzeiten, die sie vorher in der Mikrowelle aufgewärmt haben. Oder sie essen eben im Tram, im Bus, im Zug oder auf der Straße. Das wäre nichts für mich, weil für mich so der Genuss flöten geht. Aber auch bei mir kommt es vor, dass ich aus Zeitnot unterwegs eine Frucht oder ein Sandwich esse. Aber nie eine warme Mahlzeit in einem öffentlichen Verkehrsmittel!

      Ich will vermeiden, dass der erste Eindruck, den ich auf andere mache, der eines gut gebratenen Cervelats auf zwei Beinen ist.

      Große Momente

      Wann haben Sie zuletzt etwas so Besonderes erlebt, dass Sie dachten: »So etwas Schönes, Berührendes oder Aufregendes kommt so schnell nicht wieder«? Manchmal ist einem bereits während dieser speziellen Momente klar, dass diese Minuten oder Stunden als Mini-Meilensteine in die eigene Lebensgeschichte eingehen werden. Sei es, dass man eine ganz wichtige Prüfung geschafft hat, ein Kind geboren hat oder ein anderer, lang ersehnter Traum endlich in Erfüllung gegangen ist.

      Dann gibt es aber auch diese Erlebnisse, bei denen man sich erst im Nachhinein bewusst wird, wie besonders sie waren. Nicht, weil sie weltbewegend gewesen wären oder unglaubliche Konsequenzen gehabt hätten. Es wurde kein Leben gerettet, keine wichtige Wahl gewonnen, und es wurden auch nicht die richtigen Lottozahlen getippt. Und sie tauchten weder auf Facebook noch auf Instagram auf, weil sie einfach zu persönlich oder zu intim waren. Momente wie Sternschnuppen, die meistens viel zu schnell vergehen und deren flüchtiger Glanz das Leben jedes Mal wieder verzaubert, wenn man sich an sie erinnert. Der erste Ton an einem Open-Air-Konzert, der Zehntausende von Menschen elektrisiert und eine Energie schafft, die einen davonträgt. Oder das Glücksgefühl, wenn man nach einer langen Trennung den Liebsten wieder in die Arme schließen kann.

      Leider gibt es nicht nur diese außergewöhnlichen Momente, die einen auch im Nachhinein noch wärmen, sondern auch die traurigen, bei denen man oft noch genau weiß, wann und wo sie passiert sind. Das letzte Telefongespräch mit meiner Mutter während meiner Ferien in Dubrovnik im Juni 2007. Ich erinnere mich nicht nur an den Tag und die Uhrzeit. Ich sehe mich auch noch auf der grünen Parkbank sitzen unter einem riesigen, blühenden Baum. Als sie am Ende unseres kurzen Gesprächs zum Abschied liebevoll sagte: »Wo immer du hingehst, ich bin bei dir.« Dass dies die letzten Worte sein würden, die ich von ihr hörte, wusste ich damals noch nicht, denn meine Mutter sagte nichts über irgendwelche Beschwerden. So fröhlich, wie meine Mutter klang, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass ich nur ein paar Stunden später von ihrem Tod erfahren würde. In meiner damaligen Trauer spürte ich noch nicht, dass dieser letzte Satz mich in den weiteren Lebensjahren immer begleiten und trösten würde.

      Und dann gibt es noch jene fast etwas skurrilen Begebenheiten, die man gern unter Freunden zum Besten gibt. Über die man sogar lachen kann, weil sie seelisch schon lange verdaut sind. Eines meiner Highlights – oder sollte ich sagen: einer der Tiefpunkte? – ereignete sich vor vielen Jahren. Ich steckte damals in einer schwierigen Beziehung mit einem Mann, schaffte aber den Absprung nicht, obwohl ich zunehmend unglücklich war. Eines Tages rief mich dieser Freund an und sagte in seiner gewohnt eher barschen Art: »Ich habe eine Panne mit dem Auto, komm mich holen!« Was ich auch machte. Mit dem Abschleppen von Autos hatte ich keine Erfahrung, und das Unternehmen wurde dementsprechend desaströs. Mitten auf einer Kreuzung in Frauenfeld riss das Abschleppseil. Als ich ihn im Rückspiegel wütend gestikulieren sah, fuhr ich einfach davon. In dem Moment ahnte ich noch nicht, dass ich für mich damit auch die Beziehung beendet hatte. Was ich wenig später auch offiziell vollzog.

      Die Doppelgängerin aus Neuseeland

      Auf keine meiner Kolumnen wurde ich so oft angesprochen wie auf jene, in der ich über meine Doppelgängerin geschrieben habe. Eine Leserin der »Coopzeitung« hatte in einem Café im Städtchen Methven in Neuseeland ein Gemälde einer Künstlerin entdeckt. Darauf war eine blonde Frau porträtiert, die eine solch unglaubliche Ähnlichkeit mit meinen Kolumnenfotos hatte, dass sie mir schrieb und mich fragte, ob ich vielleicht neulich durch Neuseeland gereist sei und mich von dieser Künstlerin habe malen lassen.

      Sie schickte mir ein Foto des Bildes mit meiner Doppelgängerin. Nicht nur ich war über die frappante Ähnlichkeit erstaunt. Vor allem mein Mann konnte fast nicht glauben, was er sah. Nur ein Detail war etwas anders: Meine Doppelgängerin trug ihre Haare ein paar Zentimeter länger als ich. Natürlich wollte ich wissen, ob es eine zweite Silvia in Neuseeland gibt oder ob die Künstlerin vielleicht ein Foto von mir aus dem Internet abgemalt hatte – was allerdings sehr unwahrscheinlich war. Genauso abwegig wie die Möglichkeit, dass jemand aus der Schweiz eine »Coopzeitung« mitgebracht und irgendwo am Ende der Welt liegen gelassen hatte. Nur etwas wusste ich sicher: Ich bin noch nie in meinem Leben in Neuseeland gewesen.

      Die Leserin, die mir das Bild schickte, hatte auch den Namen der Künstlerin ausfindig gemacht. Doch mit dieser Sally Withell in Kontakt zu treten, erwies sich als nicht so einfach. Auf ihrem Facebook-Account war sie seit Jahren nicht mehr aktiv, und eine andere Website hat sie nicht. So schlief die Sache etwas ein, bis ich vor ein paar Wochen erneut eine Suche startete. Da sah ich, dass Sally Withell im vergangenen November in einer Galerie Werke gezeigt hatte. Ich schrieb an die Galerie, die meine Anfrage an die Künstlerin weiterleitete, die sich dann rasch meldete. In einer Mail erklärte ich ihr »den Fall« und sandte ihr ein Foto von mir. Sie freute sich und war ebenfalls sehr erstaunt über die Ähnlichkeit zwischen ihrem Modell und mir. Sie schrieb, dass Lauren – so der Name meiner Doppelgängerin – Schottin sei. Zusammen mit ihrem Freund, mit dem sie inzwischen verheiratet sei, habe sie zwei Restaurants im nahen Skigebiet am Mount Hutt geführt. Während dieser Zeit habe Lauren bei ihr gewohnt. Das sei aber schon ein paar Jahre her, und inzwischen sei Lauren nach Nelson gezogen.

      Sally schickte mir mehrere Fotos von Lauren aus der Zeit, in der diese bei ihr gewohnt hatte. Sie zeigten eine junge, sportliche Frau mit kurzen, hellblonden Haaren und mit ähnlichen Gesichtszügen wie die meinen. Die Ähnlichkeit war auch bei diesen Fotos groß, allerdings nicht so verblüffend wie auf jenem Bild, das Sally von Lauren gemalt hatte. Was mich so berührt, ist nicht die äußerliche Kopie meines Selbst, sondern, dass es die Künstlerin verstanden hatte, Laurens Wesen festzuhalten, in dem ich mich sofort wiedererkannte. Ich habe anscheinend nicht nur eine Doppelgängerin, sondern auch eine Seelenverwandte, die nicht nur die gleiche Körperhaltung und die gleiche Gestik hat wie ich, sondern auch »den gleichen Ausdruck in den Augen und das gleiche zurückhaltende Lächeln«. So beschreibt jedenfalls mein Mann seine Eindrücke.

      Sally versprach, Lauren per Mail zu kontaktieren, um so einen Kontakt zwischen uns herzustellen. Leider habe ich bis jetzt noch nichts von meiner Doppelgängerin gehört. Aber Sie können sicher sein: Diese Geschichte ist noch nicht fertig geschrieben. Ich freue mich auf die Fortsetzung.

      Dicke Kisten und pupsende Götter

      Kürzlich saß ich mit einer guten Freundin bei unserem Lieblingsitaliener zusammen. Wir hatten gerade unsere Pizza gegessen, da zückte sie ihr Handy und hielt es mir hin. Die Fotos auf dem Display waren klar älteren Datums und zeigten eine wunderhübsche junge Frau in schwarzem Bikini. Die Haare vom Wind verwuschelt und völlig ungeschminkt,


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