Sind denn alle guten Männer schon vergeben?. Silvia Aeschbach

Sind denn alle guten Männer schon vergeben? - Silvia Aeschbach


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mit stärkeren Gläsern.

      Kuscheln und kämpfen

      Auch als gut informierte Zeitgenossin erfahre ich immer wieder Dinge, die mich staunen lassen und bei denen ich mich frage: »Bin ich im falschen Film?« So ging es mir kürzlich, als ich im Radio von zwei gesellschaftlichen Trends hörte. Es ging einerseits um organisierte Kuschelabende und andererseits um das Gegenteil, sogenannte Rage-Rooms, in denen man in einem sicheren Rahmen Aggressionen ausleben kann.

      Beides befremdete mich ein bisschen, aber ich war auch neugierig. Also hörte ich mir ein Interview an, in dem die Organisatorin der Kuschelevents über ihre Veranstaltungen sprach. Die Sexual- und Beziehungstherapeutin erklärte eindrücklich, wie sehr sich die Menschen in der heutigen hektischen, schnelllebigen Welt nach Berührungen, Wärme und Geborgenheit sehnen würden. Und dass dies im Alltag oft zu kurz komme. Darum biete sie Menschen die Möglichkeit, diese Bedürfnisse auszuleben. Natürlich gebe es klare Richtlinien bei diesen Zusammenkünften. Es gehe nicht um Erotik – gewisse, klar definierte Körperzonen seien darum auch von Berührungen ausgeschlossen –, und es werde nicht geküsst und gebe auch keinen Sex. Man teile die Berührungen zudem nicht nur mit einem einzigen Gegenüber, sondern auch zu dritt oder zu viert oder gar in einem »Kuschelhaufen«.

      Schnell wurde mir klar, warum mich diese Sache irritierte. Körperliche Nähe, verbunden mit Sehen, Fühlen, Riechen und Spüren, ist für mich eine sinnliche Sache. Und die Vorstellung, dass mich eine mir unbekannte Person, die ich vielleicht nicht riechen kann oder die mir auf den ersten Blick nicht sympathisch ist, mich anfassen könnte, lässt mich schaudern. Doch wenn für mich diese Art von Nähe nicht passt, heißt es nicht, dass sie für andere Menschen nicht stimmen kann. Aber irgendwie macht es mich ein bisschen traurig, dass körperliche Intimität organisiert – und bezahlt – werden muss.

      Etwas ratlos ließ mich auch der andere Radiobeitrag zurück, bei dem es um Rage-Rooms ging. Diese Räume, die es an verschiedenen Orten in der Schweiz gibt, sollen einem die Möglichkeit geben, Aggressionen auszuleben. Allein oder zu zweit, körperlich gut geschützt durch einen reißfesten Anzug, mit Gummihandschuhen und einem Helm aus Panzerglas, kann man so mit Vorschlaghammer, Baseballschläger oder mit einem Brecheisen Geschirr, Flaschen oder auch (zu einem Aufpreis) elektronische Geräte zerstören. Wem die Aggressionen durch die vielseitigen Sicherheitsmaßnahmen zwischenzeitlich vergangen sind, kann diese durch laute Musik wieder anheizen. Selbst wenn Minderjährige und Betrunkene von diesen »Events« ausgeschlossen sind, finde ich auch diese Erlebniskultur zweifelhaft. Auch wenn es sich nur um einen Spaß-Event handelt. Würde es nicht mehr Freude machen, vielleicht eine neue, abenteuerliche Sportart auszuprobieren, um so einen Adrenalinkick zu erleben, statt sinnlos Gegenstände zu zertrümmern?

      Mein Fazit: Man kuschelt mit Fremden, um Nähe und Geborgenheit zu spüren, und verpackt sich beinahe hermetisch in Schutzkleidung, um Gefühle loszulassen, die im Alltag keinen Platz haben. Irgendwie irrational das Ganze. Ich klappe jetzt mal den Laptop zu und schaue, wo meine Hunde stecken. Vielleicht haben die beiden Kampfkuschler ja Lust auf eine Runde Streicheleinheiten.

      Mehr Zeit fürs stille Örtchen

      Vielleicht werden Sie die folgende Kolumne in der Kategorie »unnützes Wissen« einordnen. Ich bin allerdings der Meinung, dass solches durchaus seine Berechtigung hat. Sei es, um bei einem langweiligen Small Talk mit überraschenden Fakten zu punkten. Sei es, weil es im besten Fall lehrreich ist oder uns amüsieren kann.

      Aber ich erzähle Ihnen das jetzt einfach einmal. Kürzlich habe ich gelesen, dass Männer durchschnittlich mehr Zeit auf der Toilette verbringen als Frauen. Gern auch in Begleitung einer Zeitung, eines Buches oder des Smartphones. Aus meiner bisherigen Erfahrung im Zusammenleben mit männlichen Partnern – Hund Louis ausgeschlossen – kann ich nur bestätigen, was das deutsche Marktforschungsinstitut GfK in einer repräsentativen Umfrage herausgefunden hat. So sitzen Frauen maximal fünf Minuten auf dem WC, Männer hingegen bis zu fünfzehn Minuten. Der Grund dafür liege darin, dass Männer auf der Toilette die Ruhe genießen würden. Laut einer von der britischen Zeitung »Independent« zitierten Studie seien das durchschnittlich siebzig Stunden pro Jahr. Und darin sind schwierigere »Sitzungen«, wie zum Beispiel im Krankheitsfall, nicht mitberechnet.

      Sind Sie nicht auch ein bisschen neugierig, welche Gründe sich hinter diesem männlichen Rückzug verbergen? Vor allem, weil laut gängigen Klischees der Gang zur Toilette meistens mit Frauen in Verbindung gebracht wird. Etwa, wenn sie diese im Restaurant oder Klub am liebsten mit einer oder mehreren Freundinnen aufsuchen.

      Das ist bei den Männern definitiv anders: Dreiundzwanzig Prozent suchen auf dem WC nicht den sprachlichen Austausch, sprich Klatsch, sondern empfinden die Toilette – oder auch das Badezimmer, wenn sich diese dort befindet – als »sicheren Zufluchtsort«. Etwas ungläubig nahm ich die Aussagen von vierzehn Prozent der Befragten zur Kenntnis, dass ihnen dieser intime Ort nicht nur »Schutz« biete, sondern auch, dass sie die freie Zeit hier »so gemütlich« wie möglich verbringen möchten. Dazu gehöre auch, hin und wieder gewisse Nahrungsmittel zu verstecken, um sie dann in aller Ruhe zu genießen. Aber meine Herren, wo bleibt da die Hygiene?

      Dass eine Ruhepause auf dem WC durchaus gesundheitsfördernde Aspekte hat, erfuhr ich in einem weiteren Artikel: Da sich fünfundachtzig Prozent aller deutschen Arbeitnehmer im Job gestresst fühlen würden, helfe der Gang auf die Toilette, um sich bewusst zu entspannen. Dieser Meinung ist der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V., Professor Doktor Frank Sommer. Und die sogenannte Pipipause solle eben nicht im Eiltempo durchgeführt oder gar unterdrückt werden. Sich den Toilettengang vor lauter Stress zu verkneifen, könne dem Körper schaden. Dann fülle sich nämlich die Blase immer mehr und leiere am Ende geradezu aus, was zu einer sogenannten »lazy bladder« (faulen Blase) führen könne.

      Mit dieser Erkenntnis ist mein Reservoir an unnützem Wissen für heute gut gefüllt. Aber bitte vermeiden Sie beim nächsten Small Talk das Thema »lazy bladder«! Es eignet sich suboptimal in Verbindung mit Prosecco und Häppchen.

      Die Kunst des Schenkens

      In wenigen Tagen werden wieder viele Augen vor Rührung feucht glänzen. Aber es gibt auch jene Menschen, die sich mit Weihnachten schwertun. Vielleicht, weil sie die Einsamkeit stärker als sonst spüren. Einen geliebten Menschen besonders stark vermissen. Oder weil sie keine Lust haben, »glückliche Familie« zu spielen, während man sich unter dem Jahr alles andere als wohlgesinnt war. Und dann wäre noch das Thema Geschenke, an dem sich die Gemüter scheiden. Unbestritten ist meistens, dass kleinere und größere Kids beschenkt werden dürfen. Aber was ist mit den Erwachsenen?

      Immer mehr meiner Freunde verzichten bewusst auf Weihnachtsgeschenke, weil das Schenken für sie Stress bedeutet und weil sie es überflüssig finden, da sie alles haben, was sie brauchen. Oder weil sie zu bequem sind, sich Gedanken darüber zu machen. Eine durchaus vernünftige Einstellung. Andere, wie meine Familie, haben sich für das Wichteln entschieden. So habe auch ich bereits Anfang November per Whatsapp erfahren, wem ich etwas schenken und in welchem Preisrahmen die Gabe liegen darf. Ich konnte es mir nicht verkneifen, etwas schnippisch zu antworten: »Soll ich auch noch den Kassenzettel beilegen, damit alles seine Ordnung hat?«

      Zugegeben, eine kindische Reaktion. Schließlich hatte ich dem Wichteln ja zugestimmt. Nicht, weil ich es eine tolle Idee gefunden hätte. Aber ich wusste, dass ich mit meiner Abneigung gegen jegliche »Vorschriften«, nicht nur was das Schenken betrifft, auf ziemlich verlorenem Posten gestanden wäre. Ob sich auf diese Weise unnütze Geschenke vermeiden lassen, bezweifle ich aber.

      Wäre es nicht sinnvoller, auf Alibigeschenke zu verzichten und sich einfach darüber zu freuen, dass man gemeinsam einen schönen Abend verbringen kann? Wer nur schenkt, damit er am 24. Dezember nicht mit leeren Händen dasteht, kann es doch auch sein lassen. Man kann ja auch unter dem Jahr schenken, einfach aus Lust und Laune oder weil man vielleicht auf einer Reise etwas gesehen hat, von dem man weiß, dass es Freude bereiten würde. Eine sinnvolle Variante ist auch, im Namen des zu Beschenkenden einer wohltätigen


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