Fürchtet euch nicht. Betsy Duffey

Fürchtet euch nicht - Betsy  Duffey


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      Ihre eigene Hochzeit war ohne großes Brimborium vonstattengegangen und einfach wunderschön gewesen. Die Trauung hatte an einem herrlichen, sonnigen Frühlingstag im Kirchgarten stattgefunden, und nur ihre engsten Freunde und Verwandten waren dabei gewesen. Kein Empfang, kein feierliches Schreiten durch den Mittelgang, nur sie beide standen vor Pastor Higgins.

      Nach der Hochzeit hatten sie ihre Flitterwochen in den Smoky Mountains verbracht, bevor sie sich ihrem Alltag als Mann und Frau stellten. Als Mann und Frau mit Kater.

      Richard war bei ihr eingezogen. Sein Haus hatten sie an einen Lehrer vermietet.

      Donna genoss das Zusammenleben mit Richard. Sie mochte es, wenn seine Haare nach dem Aufwachen in alle Richtungen abstanden, und sie mochte sogar seine Bartstoppeln, die sie beim Gute-Morgen-Kuss pieksten.

      Sie fühlte sich von ihm geliebt. Sie vertrauten einander und konnten offen und ehrlich miteinander reden.

      Sie legte die Hand auf ihren Bauch. Bald wären sie zu dritt.

      „Richard?“

      „Hm?“ Er hielt den Blick auf seine Notenblätter gerichtet, in die er sich vertieft hatte.

      Die Ampel schaltete auf Grün. Donna konzentrierte sich wieder auf die Straße. Richards „Hm“ zeigte ihr, dass er ihr gerade ohnehin nicht richtig zuhörte. In Gedanken war er noch bei seiner Musik.

      Nein, das war nicht der richtige Zeitpunkt.

      Sie seufzte und beschloss, für den Rest der Fahrt zu schweigen.

      Als sie bei der Werkstatt ankamen, stieg er aus, und sie beobachtete ihn, wie er den Parkplatz überquerte, um seinen Wagen in Empfang zu nehmen.

      Dass sie in ihrem Leben einmal ein so großes Glück erleben würde, damit hatte Donna nicht gerechnet. In ihrer Jugend hatte sie keine große Hoffnung gehabt, einen netten Mann kennenzulernen. Sie war nie zum Tanzen oder auch nur auf einen Kaffee eingeladen worden.

      Früher hatte sie die fröhlichen, kichernden und herumalbernden Mädchen immer beneidet. Sie selbst war schon ernst zur Welt gekommen. Doch Richard schien gerade das an ihr zu mögen. Er mochte es, Scrabble mit ihr zu spielen oder sich gemeinsam mit ihr Dokumentationen im Fernsehen anzuschauen. Er teilte ihre Vorliebe für Ordnung und Stille und hatte selbst gern seine Ruhe. Mit einem Kind wäre es damit vorbei. Und doch …

      Darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Morgen würde sie Dr. Amos aufsuchen. Dann hatte sie Gewissheit und keine andere Wahl mehr, als Richard die Neuigkeit zu erzählen.

      „Also gut, Maria“, sagte sie, als sie die Krippenfigur aus dem Kofferraum nahm. „Wir werden es ihm morgen sagen.“

      In diesem Moment erinnerte sie sich daran, was der Engel zu Maria gesagt hatte. Hab keine Angst! Das waren gute Worte, wenn plötzlich ein Himmelsbote vor einem stand. Oder wenn man vermutete, schwanger zu sein.

      Hab keine Angst. Sie würde sich an diesen Worten festhalten.

      Wie demütig Maria die Nachricht angenommen hatte! Alles soll so geschehen, wie du es mir gesagt hast. Auch das waren gute Worte.

      Donna war erstaunt darüber, welch großen Glauben Maria bereits als junges Mädchen gehabt hatte. Sie hatte Gott ihr Leben und ihre Zukunft anvertraut. Diese Art von Glauben wünschte Donna sich auch. Wenn sie in dieser Situation nur die gleiche Kraft hätte wie Maria.

      Aber die hatte sie nicht.

      Am nächsten Morgen bestätigte Dr. Amos Donnas Vermutung. Nach dieser Untersuchung wurde es Realität für sie. Als sie kurz darauf durch die Geschäfte der Stadt streifte, sah sie die Welt plötzlich mit ganz anderen Augen.

      Im Haushaltswarenladen fiel ihr Blick auf einen Weihnachtsbaum. Ein künstlicher Baum, der das ganze Jahr über in einer Ecke des Ladens stand und nun mit Weihnachtsschmuck dekoriert war, der zum Verkauf angeboten wurde. Hier, in diesem so gewöhnlichen Geschäft, zu Beginn des Herbstes erlebte sie den Zauber der Weihnacht. Die bunten Lichter blinkten. Vorfreude erfüllte sie. Dies würde ihr erstes Weihnachtsfest als Ehepaar sein. Unglaublich!

      Als junges Mädchen hatte sie Weihnachtsbaumanhänger gesammelt. Ihre Sammlung bestand aus ganz unterschiedlichen Exemplaren. Einige davon hatte ihre Mutter ihr im Laufe der Jahre geschenkt. Donna erinnerte sich an das winzige Klavier, das sie in dem Jahr bekommen hatte, als sie anfing, Klavierstunden zu nehmen.

      Ihre Mutter war vor zwei Jahren gestorben, und seitdem hatte es keinen neuen Weihnachtsschmuck, ja nicht einmal einen Baum gegeben.

      Welche Traditionen würden Richard und sie ins Leben rufen? Donna legte die Hand auf ihren Bauch. Nun war es an ihnen, schöne Erinnerungen zu schaffen.

      Dort, rechts oben in der Ecke entdeckte sie ihn: einen Holzanhänger in Form eines Kinderwagens mit der Aufschrift „Babys erstes Weihnachten“. Zögernd griff sie danach. Zwar würde das Baby erst im Frühling zur Welt kommen, aber dennoch wäre es das erste Weihnachtsfest mit ihrem kleinen Wunder – und der Beginn einer Reihe wunderschöner Erinnerungen; Erinnerungen an das erste Fußballtraining oder die erste Klavierstunde, die erste gemeinsame Reise und viele weitere glückliche Momente.

      Sie löste den Anhänger vom Baum und ging damit zur Kasse.

      Auf dem Heimweg überlegte sie, wann sie es Richard sagen sollte.

      Vielleicht beim Abendessen.

      Richards Lieblingsessen, Rinderbraten in Zwiebelsoße, schmurgelte auf dem Herd. Sie würden zusammen am Tisch sitzen und das Essen genießen. Dann würde sie ihn mit der Neuigkeit überraschen.

      Erneut legte Donna eine Hand auf ihren Bauch. Der Wunsch, das neue Leben in sich zu beschützen, war bereits übermächtig in ihr.

      Vor sich hin summend deckte sie den Tisch und stellte sogar zwei Kerzen in die Mitte. Das Abendessen sollte festlich und etwas ganz Besonderes sein.

      „Verflixt!“, brüllte Richard, „dieser dämliche Kater!“

      Wie ein Blitz sauste Mr Darcy an ihr vorbei.

      Donna rutschte das Herz in die Hose. Wieder einmal hatte der Kater Richard verärgert.

      Mit seinem blauen Lieblingspullover in der Hand kam Richard in die Küche. Überall am Pullover hingen Fäden heraus, offenbar hatte Mr Darcy ihn mit einem Wollknäuel verwechselt. Es sah aus, als hätte er sorgfältig jeden Faden einzeln herausgezogen, um dem Pullover ein flauschiges Aussehen zu verleihen. Donna musste beinahe lachen.

      „So geht das nicht weiter!“ Richards Gesicht war vor Zorn gerötet. Mit seiner Kleidung war er sehr penibel. Abrupt drehte er sich um und stapfte ins Schlafzimmer zurück, um nach dem Kater zu suchen.

      Donna seufzte. Was würde er erst zu einem Baby sagen? Ein Baby, das im ganzen Haus herumkrabbelte, seine Ordnung durcheinanderbrachte, auf seine Kleidung sabberte.

      Vielleicht sollte sie es ihm doch lieber erst morgen sagen.

      Ihr Blick fiel auf Maria, die sanftmütig lächelnd in einer Ecke des Zimmers stand, die Arme erwartungsvoll ausgestreckt. Dieses Bild spiegelte auch ihre Gemütsverfassung wider. Sie sehnte sich nach diesem Baby.

      Donna atmete tief durch.

      „Alles soll so geschehen, wie du es mir gesagt hast“, flüsterte sie als Gebet.

      Sie brauchte keine Angst zu haben. Gott hatte ihr dieses Kind anvertraut. Es war ihre Aufgabe, es zu lieben, zu beschützen und für es zu sorgen. Maria war ebenfalls von ihrem Baby überrascht worden, und sie hatte es angenommen, obwohl sie nicht wusste, wie Josef die Nachricht aufnehmen würde.

      Richard war ihr bester Freund. Ihre Hochzeit hatte sie so glücklich gemacht. Sie mochten die gleichen Dinge. Die Natur, Musik, Scrabble. Er würde auch dieses Kind lieben.

      Richard trat erneut in die


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