Fürchtet euch nicht. Betsy Duffey
Gebet schlich sich in sein Herz und machte es weicher.
„Ich hätte ihn aufhalten sollen“, sagte er zu dem Hirten, doch eigentlich war das Gesagte an Gott gerichtet.
Der Hirte hielt das kleine Lamm fest und schaute Buck an. Sein Blick war freundlich.
Hirten hielten Wache bei ihren Herden in der Nacht.
Ein Gedanke blitzte in Bucks Kopf auf. Jesus war der gute Hirte. Vielleicht wachte Jesus über ihm wie die Hirten über ihren Herden. Dass der gute Hirte in der Nacht über ihm wachte, war tröstlich. Denn die Nächte waren besonders schlimm für ihn.
Er dachte an das Trainingslager der Jungen auf der anderen Seite des Flusses. Er könnte ebenfalls eine Art Hirte sein. Er könnte den Jungen helfen, und vielleicht würden sie anschließend die richtigen Entscheidungen für ihr Leben treffen.
Die Hände des Hirten hielten das Schaf, und Buck spürte, dass auch er gehalten wurde.
„Danke“, sagte er zu dem Mann aus Plastik.
Und während er die Hände des Hirten betrachtete, wurden sie zu seinen Händen, die bereit waren, für andere da zu sein.
„Danke“, sagte er noch einmal, diesmal jedoch als Gebet.
Der Zorn in ihm lockerte seinen Griff, und Bruno atmete tief durch. Frieden durchströmte ihn.
Am nächsten Morgen wartete er am Bootssteg auf Ken. „Ich nehme den Zweier“, erklärte er. „Braucht einer der Jungen ein bisschen Training?“
Ken lächelte. „Da sind ein paar, die nur zu gern mit dir rudern würden.“ Er rief einen Namen, und sofort kam einer der jüngeren Teenager auf sie zugelaufen. Buck deutete auf den leeren Sitz vor sich.
„Möchtest du mitkommen?“, fragte er den Jungen. „Ich kann dir ein paar Tipps geben.“
Der Junge strahlte ihn an.
„Ich hole nur schnell meine Sachen“, sagte er und rannte zum Bootshaus zurück.
Buck betrachtete den leeren Sitz und dachte an Bruno. Brunos Lächeln. Seine angespannten Armmuskeln, wenn er ruderte. Der Blick, den er zu ihm zuwarf, wenn Buck ihn über die Schulter hinweg anlächelte und ihm zunickte.
„Mach’s gut, Bruno. Wir werden uns wiedersehen.“
Er atmete durch. Der Zorn war weg. An seine Stelle war Hoffnung getreten.
Der Fluss war geheimnisvoll und tief, genau wie Gott.
Buck schaute ein letztes Mal auf den leeren Sitz vor sich und stellte sich vor, wie Bruno im Himmel den Fluss entlangruderte. „Und halte den vorderen Sitz für mich frei.“
In der Zwischenzeit im Sozialkaufhaus …
„Wie viel kostet Jesus?“
Eigentlich hatte Marjorie nach einem schwarzen Pullover gesucht. Sie freute sich immer, wenn sie ein Schnäppchen machte. Ein Schnäppchen würde sie auch diesmal aufmuntern. Heute Morgen nach dem Aufwachen hatte sie sich niedergeschlagen und einsam gefühlt – und beschlossen, sich einen Einkaufsbummel zu gönnen.
Einige ihrer schönsten Kleidungsstücke hatte sie im Sozialkaufhaus gefunden. Sie besaß sogar eine Webpelzjacke. Und ein grünes Samtkleid, das vermutlich einmal der Großmutter von jemandem gehört hatte.
Sie war auf dem Weg zur Damenabteilung gewesen, als sie das Jesuskind in der Gemischtwarenabteilung entdeckt hatte. Ausgestreckte Arme. Helle kleine Augen, die sie interessiert anblickten.
Es hatte etwas an sich gehabt, wie es da zwischen Kaffeemaschinen und alten Lampen lag. Sie hatte es hochgenommen, konnte aber kein Preisschild entdecken.
„Wie viel kostet Jesus?“, fragte sie erneut. Das Mädchen im nächsten Gang beantwortete ihre Frage.
„Alles in dieser Abteilung kostet fünf Dollar.“
Marjorie betrachtete das Baby in ihren Armen. Wie konnte man Jesus einen Preis geben?
„Ich nehme ihn“, sagte sie. Lächelnd legte sie die Figur in den Einkaufswagen.
Sie ging zur Kasse und reichte dem Mädchen einen Fünfdollarschein. Der schwarze Pullover war vergessen.
Sie setzte Jesus auf den Beifahrersitz, schnallte ihn an und fuhr langsam nach Hause. An jeder Ampel blickte sie zu dem Baby hinüber und lächelte.
Erinnerungen an ihre eigenen Kinder überfielen sie; Kinder, die jetzt erwachsen waren und auf eigenen Beinen standen. Sie erinnerte sich, wie sie mit ihnen in den Gottesdienst gegangen war, an all die Lieder von Jesus, die sie gesungen hatten, und an die Geschichten.
„Jesus liebt mich, ganz gewiss“, sang sie laut – und war überrascht, wie klar und zuversichtlich ihre Stimme dabei klang. Das tat ihr gut. Sie war nicht allein.
„Denn die Bibel sagt mir dies.“
Ein Mann im Auto neben ihr schaute zu ihr herüber. Sie winkte ihm zu. Er wandte sich ab.
Wen kümmerte es? Jesus war bei ihr.
„Ja, Jesus liebt mich!“ Mit jeder Zeile sang sie lauter.
Bei der letzten Zeile fuhr sie in ihre Einfahrt und schaltete den Motor aus.
„Denn die Bibel sagt mir dies.“
Sie schnallte das Baby ab und lächelte. „Du bist diese fünf Dollar wirklich wert.“
Jesus schaute unverwandt zu ihr hoch. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Babylippen.
„Danke.“
Kapitel 3
Maria
„Hab keine Angst, Maria“, redete der Engel weiter. „Gott hat dich zu etwas Besonderem auserwählt. Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Jesus soll er heißen.“ – „Ich will mich dem Herrn ganz zur Verfügung stellen“, antwortete Maria. „Alles soll so geschehen, wie du es mir gesagt hast.“ Darauf verließ sie der Engel.
Lukas 1,30 – 31.38
Donna hielt das weiße Plastikstäbchen in der Hand. Mit angehaltenem Atem saß sie auf dem Badewannenrand und wartete. Sie konnte sich einfach nicht überwinden, auf den Schwangerschaftstest zu schauen.
Was, wenn sie tatsächlich schwanger war? Das wäre wundervoll. Mit vierzig hatte sie die Hoffnung auf ein Kind eigentlich schon aufgegeben. Aber wenn es nun doch geschehen war? Ihr Herz flatterte ein wenig vor Freude.
Doch was würde Richard sagen?
„Wünschst du dir eigentlich Kinder?“ Donna hatte sich lange Zeit nicht getraut, ihm diese Frage zu stellen, aber als das Thema Hochzeit im Raum stand, hatte sie es einfach wissen müssen.
„Sch“, hatte er nur gesagt und ihr den Zeigefinger auf den Mund gelegt, „mach dir deswegen keine Gedanken. Kinder sind mir nicht so wichtig. Du bist alles, was ich brauche.“
Damals hatte diese Antwort sie beruhigt. In Richards Umarmung hatte sie seine Liebe gespürt. Sie war erleichtert gewesen, dass er seinen Traum von einem eigenen Kind nicht aufgeben musste, weil er eine Frau heiratete, die zu alt war, um Kinder zu bekommen.
In ihrem Alter war die Chance, schwanger zu werden, gering, das war Donna bewusst. Es war gut, dass Richard nicht unbedingt Kinder haben wollte. Sie selbst hatte diesen Traum bereits vor Jahren begraben.
Doch als sie jetzt hier im Bad hockte, das Teststäbchen in der Hand hielt und auf das Ergebnis wartete, beschlichen sie Zweifel. Wäre eine Schwangerschaft eine gute Neuigkeit? Oder eine schlechte?
Die Übelkeit war das erste Anzeichen gewesen. Donna hatte nie Probleme damit gehabt. Und dann hatte sie