Einfach unwiderstehlich. Andy Stanley

Einfach unwiderstehlich - Andy  Stanley


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diese Verse sorgfältig lesen, werden Sie bemerken, dass Gott nicht unbedingt gesagt hat, er würde in diesen Tempel einziehen. Zumindest nicht damals. Er würde „mit“ der Nation und „in der Mitte“ des Volkes sein. Er würde sein auf „alle Nationen“ bezogenes Versprechen halten (was auch immer das bedeutete). Aber bis zu einem zukünftigen Zeitpunkt würde er diesen Tempel nicht mit seiner Herrlichkeit „füllen“, so wie es bei Salomo war. Aber genau in dem Ausblick auf eine nie dagewesene Herrlichkeit, spürt man, dass hier mehr angedeutet wird. Danach schließt er mit einer letzten Andeutung über die Zukunft:

      „Es soll die Herrlichkeit dieses neuen Hauses größer werden, als die des ersten gewesen ist, spricht der Herr Zebaoth; und ich will Frieden geben dieser Stätte, spricht der Herr Zebaoth.“6

      Und jetzt kommt etwas Großes …

      LICHT AUS

      Nicht allzu lange, nachdem der Tempel zunächst einmal fertiggestellt war, veränderte sich die Lage in Judäa erneut. Wie der „neue“ Tempel so dastand, belebte er die Hoffnung, dass vielleicht die glorreichen Tage Davids und Salomos zurückkehren würden. Doch nichts dergleichen geschah. Der Tempel und alles, was damit verbunden war, verursachte nur noch eine schmerzliche Erinnerung an eine vergangene Zeit, die aller Wahrscheinlichkeit nach nie wiederkehren würde und auch nicht wiedergekehrt ist. Die wirtschaftliche Lage wurde immer schlechter. Das Interesse am Tempelgottesdienst nahm ab. Die Machthaber in Politik und Tempel stritten miteinander und nutzten ihre Macht zum Nachteil des Volkes, was den Zynismus und das Misstrauen im Volk nur noch verstärkte.

      In diese Auseinandersetzungen mischte sich der Prophet Maleachi ein. Seine Prophezeiung findet sich am Ende dessen, was wir als das „Alte Testament“ bezeichnen. Auch wenn er der Letzte war, so war er gewiss nicht der Unbedeutendste. Wie andere Propheten vor ihm hielt er den Zeitgenossen ihre Gleichgültigkeit, ihren Unglauben, ihre Unmoral und ihre Selbstsucht vor. Er erinnerte das Volk an Gottes unendliche Liebe und sein unausweichliches Gericht. Die übliche Prophetenkost halt.

      Aber schon früh in seinen Ausführungen bekräftigt Maleachi Israels göttliche Bestimmung, Gottes weltumspannenden Plan.

      Trotz allem, was sie getan hatten, um seinen Namen zu entehren, war Gott entschlossen, seinen Bund mit Abraham zu erfüllen. Israel sollte weiterhin ein göttliches Mittel zu seinem göttlichen Zweck sein. Die Welt sollte tatsächlich durch Israel gesegnet werden.

      „Denn vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang ist mein Name herrlich unter den Heiden, und an allen Orten wird meinem Namen geopfert und ein reines Opfer dargebracht; denn mein Name ist herrlich unter den Heiden, so spricht der Herr Zebaoth.“7

      Da ist es wieder.

      „… ist mein Name herrlich unter den Heiden…“

      Und später:

      „Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir her den Weg bereiten soll. Der Engel meines Bundes, nach dem ihr Ausschau haltet, siehe, er ist schon unterwegs! Dann werde ich, der Herr, auf den ihr wartet, ganz plötzlich in meinem Tempel Einzug halten.“8

      Maleachi schaltete das Licht aus, schloss die Tür ab und verschwand in der Wüste.

      So muss es sich angefühlt haben.

      Denn in den nächsten rund vierhundert Jahren gab es keine Propheten. Zumindest niemanden, den die Leute ernst genommen und dessen Aussagen weitergegeben hätten. Judäa blieb unter der Kontrolle ausländischer Mächte. Nach den Persern kamen die Ptolemäer, gefolgt von den Seleukiden. Um 167 v. Chr. kam ein schwacher Hoffnungsschimmer auf. Eine Gruppe eifriger Juden, die man heute unter dem Namen Makkabäer kennt, startete eine Revolte. Unter der Führung von Judas Makkabäus stürzten und vertrieben sie die griechischen Eindringlinge. Den Tempel reinigten sie, weihten ihn neu und öffneten ihn für den täglichen Betrieb. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten waren die Juden frei von ausländischer Kontrolle. Viele glaubten, dass Judas Makkabäus der Verheißene war, der von Gott gesandte Retter, der dem Volk zu seinem alten Ruhm verhelfen sollte. Aber auch das geschah nicht. Nach dem Tod des Judas Makkabäus geriet Judäa wieder in eine wirtschaftlich und militärisch instabile Lage. Danach stattete im Jahr 63 v. Chr. General Pompeius dem Tempel seinen berühmten Besuch ab und gliederte Judäa kurzerhand ins Römische Reich ein.

      SCHWEIGEND, ABER NICHT ABWESEND

      Man könnte argumentieren, dass Gott in den Jahren der Besetzung und Unterdrückung Israels schwieg, aber er war gewiss nicht abwesend. Der Apostel Paulus fing diese Spannung perfekt ein, als er schrieb:

      „… als aber die Fülle der Zeit kam, …“

      Sobald Gott also alles und jeden an seinem Platz hatte …

      „… sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter dem Gesetz, damit er die loskaufte, die unter dem Gesetz waren, damit wir die Sohnschaft empfingen.“9

      Als niemand damit gerechnet hat.

      Als die meisten die Hoffnung aufgegeben hatten.

      Als die Römische Republik in ein Imperium überging.

      Da bewegte sich Gott.

      Ein Zimmermann entdeckte, dass seine Verlobte schwanger war, und während er noch überlegte, was er tun sollte, sprach ein Engel im Traum zu ihm:

      „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen! Denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden.

      Dies alles geschah aber, damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: ‚Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben.‘“10

      Das war’s.

      Das Warten war vorbei.

      Gottes Verheißung an Abraham würde sich erfüllen. Die Nationen der Erde standen kurz davor, gesegnet zu werden. Als Teil des Prozesses würde Gott ein letztes Mal den Tempel besuchen.

      Aber nicht als Wolke.

      Dieses Mal würde er als ein galiläischer Tagelöhner erscheinen, aus dem ein Rabbi wurde. Ein Rabbi, der ein Feuer entfachen würde, das weder das Reich noch der Tempel auszulöschen vermochte. Und wie versprochen, würden am Ende alle Nationen der Welt gesegnet werden.

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      KAPITEL 5:

      DIE MITTE DES UNIVERSUMS

      ERHÄLT KONKURRENZ

      Das vielleicht bekannteste Thema in den Evangelien, den vier Berichten über Jesu Leben, ist der unaufhörliche Konflikt zwischen Jesus und den religiösen Führern. Es ist zwar leicht zu erkennen, wo sie sich in der Perspektive und Interpretation des Gesetzes unterschieden, aber es ist nicht so einfach, sich darüber im Klaren zu sein, warum diese Unterschiede die Pharisäer, Sadduzäer und Gesetzeslehrer veranlasst haben, Jesus zu hassen. Sie hatten null Beziehung untereinander, um wenigstens gemeinsam mit ihm uneins zu sein. Aber sie hassten ihn. Sie wünschten nicht nur, dass er tot wäre, sondern organisierten auch seine Verhaftung und Hinrichtung. Während das für uns ebenso wie für Pilatus etwas übertrieben erscheint, hatten sie tatsächlich gute Gründe dafür, ihn zu verachten.

      Sie sahen etwas, was wir übersehen.

      Die Tempelführer sahen in Jesus nicht das Judentum 2.0. Sie verstanden Jesus zu Recht als eine Bedrohung für alles, was ihnen wichtig war. Alles. Wenn das, was er beanspruchte, sich als wahr erweisen würde, dann bedeutete das für sie das Ende der Welt, wie sie sie kannten, nicht eine neue Version davon.

      Moderne Bibelleser sehen Jesus als ein Update der jüdischen Bibel, unseres Alten Testaments. Die jüdischen Anführer zur Zeit Jesu sahen ihn nicht als Erweiterung oder Erfüllung von irgendetwas. Wir sehen gewohnheitsmäßig Jesus als ein „und“. Seine Kritiker aus dem ersten Jahrhundert sahen ihn als ein „anstatt“.


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