Schauderwelsch. Jochen Stüsser-Simpson

Schauderwelsch - Jochen Stüsser-Simpson


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gleitet der gelblich braune Hecht auf sie zu, sie sieht genau in die schwarzen unbeweglichen Augen, – die unter den Brettern des Stegs hinweg zur anderen Seite wandern, dorthin, wo die beiden Katzen hausen. Die kleine gelbe Katze ist nun sehr froh, dass sie eine Landkatze ist und nicht im Wasser wohnt. Als jetzt die Gefahr vorbei ist, merkt die kleine Katze, wie anstrengend ihr abenteuerliches Leben ist. Sie rollt sich zur Seite in die Mitte des Steges und bleibt dort liegen, um erst einmal ein bisschen auszuruhen.

      Auf dem gepflasterten Stück des Weges begegnet die schwarzweiße Katzenmutter dem Dorfdackel. Er bleibt mit gefletschten Zähnen knurrend stehen. Sie macht einen riesigen Buckel und schreitet langsam an ihm vorbei, als wäre er nicht vorhanden. Als sie auf seiner Höhe ist, verstummt das Knurren und der Dackel dreht sich um, als wollte er Reißaus nehmen. Doch da wendet sich die Schwarzweiße schon zu der hohen bunten Wiese, die in diesem Sommer noch nicht gemäht worden ist. Sie schlängelt sich durch das hohe Gras und sieht von einer lichteren Stelle aus, dass auf dem Steg irgendetwas liegt, auf dem abends immer der alte Mann mit seiner Pfeife sitzt und angelt.

      Geschickt und schnell durchquert sie die Wiese von oben nach unten. Auf dem Steg angekommen erkennt sie ihre schlafende Tochter und stupst sie unsanft mit der Nase an. Noch während das Töchterchen sich gähnend reckt, ist vom See her ein plätscherndes Geräusch zu hören. Mit großer Geschwindigkeit kommt der Fischotter an den Steg geschwommen; Mutter und Tochter fahren zugleich einen Schritt zurück, als der Fischotter den Mund öffnet und sagt: @&&§§***++*“““####////////. Fischotter sind schwer zu deuten – und beide Katzen sind froh, auf dem Steg und nicht im Wasser zu sein. Die Katzenmutter fasst ihr Kleines nicht sonderlich sanft am Genick, wedelt dem Otter freundlich mit ihrem Schwanz zu, dessen Umfang sie allerdings verdreifacht hat, und verlässt ruhig den Steg landeinwärts.

      Kurze Zeit später legt sie ihre Ausreißer-Tochter im heimatlichen Stall in ihre Heuhöhle. Das kleine gelbe Kätzchen schläft sofort tief und fest. Das gleichmäßige schnurrende Atmen wird immer wieder durch ruckende Bewegungen unterbrochen, als erlebte es im Traum große Abenteuer.

      *

      Spinne

      Hoch auf der Zinne

      Und tief in der Rinne

      Lebt die liebe Spinne

      Und wird einmal ihr Netz zerfetzt

      Dann wird es wieder neu vernetzt

      Dann muss sie fleißig Fäden kleben

      Und eben weben weben weben

      Die Schwalben zwitschern im Geschwätz

      Hoch in der Luft und in der Schwebe

      Das Spinnennetz das Spinnennetz

      Heißt deshalb auch Gewebe

      *

      Kommt, wir spielen Tiere

      Kommt, wir spielen Tiere, kommt auf alle viere

      hebt sie hoch die Tatzen, wir sind alle Katzen

      wir schnurren, schauen schlau: miau miau miau

      und schau da unterm Himmelsblau,

      sitzt Herr Hund und macht: wau wau

      wir machen eine Biege, und spielen Schaf und Ziege

      es kommt aus nächster Näh’: mäh mäh mäh mäh.

      Nicht so brav wie das Schaf, doch in der Nähe

      spaziert sehr stolz die schwarze Krähe: kräh kräh kräh

      auf der Wiese steht, nanu,

      schwarzweißbunt die junge Kuh: muh muh muh

      Wenn es dunkelt kommt dazu Mutter, Vater, Kind Uhu:

      huhu huhu huhu

      Im Aquarium auf dem Tisch schwimmt malerisch der alte Fisch:

      blubb blubb blu

      Ohne Plan geht der Hahn in die Knie: kikeriki, kikeriki

      Mit Federn nur und ohne Fell im Apfelbaum sitzt die Amsel:

      triller trilleri trilleri

      Darunter mit Genäsel steht der alte Esel, er äße lieber Pizza: ia ia ia

      Auch im Moos ist viel los, Frau Frosch, die feiert Freudentag:

      quak quak quak

      Auf der Erde in der Herde traben Pferde,

      kommt ein Pferd, aufgesessen, nicht verkehrt:

      hopp hopp brrr hopp hopp brrr

      Hinterm Zaun rauscht ein Baum, schnell merken wir,

      ist kein Tier, ausgetauscht:

      blasenpusten blasenpusten

      *

      Fliehen und Flüchten

      Oder: Wie ängstlich sind die Tiere?

      „Jetzt kommt schon raus“, ruft Jannick. Er steht auf dem großen Platz zwischen Stall und Bauernhof. Die Ferien haben angefangen. Für eine Woche ist Jannick mit seinen Schwestern und mit Mama und Papa auf dem Bauernhof am See. Jannick ist schon in der zweiten Klasse, er spielt gerne Fußball und kann freihändig Fahrrad fahren. Seinen Namen schreibt er vorne mit J. Das ist ihm wichtig, weil die Lehrer das oft falsch machen.

      Nele ist das egal, denn sie kann noch nicht schreiben. Auch noch nicht schwimmen. Das will sie aber in diesen Ferien lernen. Sie geht in die Kita und kann sehr schön singen. Eigentlich heißt sie nach ihrer Großmutter Cornelia, aber das ist zu lang und kompliziert. Jedenfalls kommt sie jetzt aus der Tür gestürmt „Was wollen wir denn machen?“, fragt sie ihren Bruder.

      „Ich habe ein neues Spiel erfunden“, sagt Jannick, „wie mutig sind die Tiere. Wir gehen einfach auf sie zu und finden heraus, wann sie weglaufen oder wegfliegen. Manche Tiere sind mutig – wie hier die kleine Katze auf der Bank, sie bleibt schön sitzen und schnurrt sogar, wenn ich sie streichele.“ Auch Nele streicht der Katze über das Fell, schön weich. Als sie ihren Schwanz anfasst, dreht sich die Katze auf den Rücken und schlägt mit der Pfote nach Nele. Ganz schnell zieht Nele ihre Hand weg. Ja, die ist wirklich mutig!

      „Sieh mal hier.“ Jannick macht ein paar schnelle Schritte auf zwei Hühner zu und bremst kurz vor ihnen ab. Sie flattern mit den Flügeln und rennen gackernd davon. Ja, die Hühner haben weniger Mut als die Katze.

      Inzwischen ist auch Anna herausgekommen. Sie ist schon in der Vorschule und liebt Pferde und Fußball. „Was macht ihr denn mit den armen Hühnern?“, fragt sie. Sie erklären Anna das neue Spiel, sie sagt: „Klar, die Hühner haben mehr Angst als die Katze. Wir essen ja auch ihre Eier und manchmal sogar Hühnchenfleisch. Aber niemals Katzenfleisch.“

      Nele verzieht den Mund: „Igitt. Sollten wir das Spiel vielleicht das Angst-Spiel nennen?“

      „Mir doch egal“, murrt Jannick, „wir können es auch das Flüchten-Spiel nennen, oder einfach Flieh-Spiel. Ich möchte doch nur wissen, wie nah wir an die Tiere kommen können.“

      Anna ist nicht zufrieden: „Ich würde es lieber das Spiel vom Weggehen oder Weglaufen nennen.“

      Jannick beendet das Gespräch: „Ok, dann heißt es Weglauf-Spiel!“ Weil der Bauer von den Rehen auf den Wiesen hinter dem Stall erzählt hat, gehen die Kinder um die Ecke – und siehe da – in einiger Entfernung stehen tatsächlich drei Rehe. „Die grasen“, meint Nele.

      Anna macht ein kluges Gesicht. „Die Kühe grasen, aber die Rehe äsen.“

      „Hört auf damit, ist doch ganz egal.“


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