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will deine Mutter den Koffer nicht schon wieder alleine tragen.“
Das Mädchen tat genau das, und alles klappte wunderbar. Es war nicht zur Waise geworden, sondern lebte glücklich und zufrieden in seiner Familie. Der Vater hatte übrigens wieder mit dem Rauchen aufgehört.
Das Glücklich- und Zufrieden-Sein dauerte so lange, bis es von der Grundschule in eine weiterführende Schule kam. Denn es war nicht die alte Zeit, in der die Kinder noch nicht schulpflichtig waren und frisch in die Welt hinausziehen konnten, um dort Prinzen kennenzulernen oder anderweitig ihr Glück zu machen. Als sie die neue Klasse betrat, sah sie, dass sich dort niemand von ihren netten Mitschülerinnen aus der Grundschule befand. Stattdessen stand da eine Gruppe kichernder Mädchen, die sagten zu ihr, sie sei pummelig. Die Mädchen selbst waren so dünn, dass sie einzeln vielleicht gar nicht zu erkennen gewesen wären. Doch weil die Magermädchen nicht aufhörten zu kichern, taten sie ihm doch nicht mehr so leid, wie das kleine Mädchen sich selbst leidtat. Und als einige Jungen ihr „Guten Morgen“ wünschten, war es sich auch nicht sicher, wie diese das meinten.
Das kleine Mädchen hatte also Grund, unglücklich zu sein. Als ihr Unglück am größten war, fiel ihm das bunte Regenbogen-Männchen wieder ein, und es lief aus der Schule zum nächsten Park. Dort flogen nur ein paar Tauben im Himmel, der noch blau und leer war. Drei Tage musste es warten, bis endlich Wolken aufzogen und es zu regnen begann. Und weil es Sommer und die Sonne stark war, gab es wieder einen Regenbogen. Es drückte die Daumen ganz fest und sagte: „So ein schöner Regenbogen!“ Dabei dachte es ganz stark an das Regenbogenmännchen von früher. Und während es so dachte und wünschte und hoffte, nahm es eine Bewegung auf dem Regenbogen wahr, die größer und immer schneller wurde. Und schon sprang das Männlein mit dem roten Bart von seiner Regenbogenrutsche ab. Als es in seinem bunten Wams vor ihm stand, erzählte es ihm von der neuen Klasse mit den Stabheuschrecken und seinem großen Unglück. Das blaugelbgrüne Männlein mit dem violetten Hut furchte die Stirn, ließ den Daumen so schnell kreisen, dass er kaum mehr zu sehen war, hielt ihn in den Regenbogen und versprach im Funkenflug, ihm zu helfen.
In der zweiten Stunde am nächsten Morgen klopfte es an der Klassentür und der Schulleiter bat das Mädchen heraus. Er sah ein bisschen wie ein Köhler aus und sprach sehr freundlich. Er entschuldigte sich und erklärte, dass es durch einen Fehler im Sekretariat in die falsche Klassenliste gerutscht sei. Es hätte eigentlich von Anfang an mit seinen alten Grundschulfreundinnen in die Parallelklasse gehen sollen. Der Fehler war im Computer schon verbessert, und nun wollte der Direktor es noch in seine neue Klasse bringen. Als sie dort angeklopft hatten, sah das Mädchen, dass in der Klasse noch ein einziger Platz frei war – genau neben seiner besten Freundin aus der Grundschule.
Ohne sich sonderlich anzustrengen, wuchs das kleine Mädchen zu einem jungen Mädchen heran. Das klingt, als wäre sie jünger geworden, aber das Gegenteil war natürlich der Fall. Wie so manche Dinge um es herum, waren manchmal auch die Wörter wie verzaubert. Da es nicht nur zum jungen, sondern zum hübschen jungen Mädchen herangewachsen war, mit lustigen braunen Augen, langen blonden Rapunzel-Haaren und vielen Sommersprossen um die Nase, hatte es auch nur wenige Probleme, sondern war meist glücklich und zufrieden. Und wenn es doch einmal in Schwierigkeiten war, sah es einfach auf seine Fingernägel und schöpfte sofort wieder neuen Mut. Die Fingernägel nämlich hatte das junge hübsche Mädchen aus Dankbarkeit in den Regenbogenfarben lackiert. Und anders als viele andere Menschen war es immer guter Laune, wenn Regenwolken aufzogen.
*
regenbogen
regensonne bewegt sonnenregen
dunkwolkige wand beiseite
aufbaut und zitternd steht
ein rot ein gelb ein grün ein blau
am geschleiften himmel kalibriert
widersteht wind anders als wolken
boden buntbogen berührt fährt in die erde
ferne rückt näher im farbigen halbkreis
länger als sternschnuppen dennoch
halbwertzeit offen wir müssen uns widmen
lässt sich nicht speichern mit dem
handy fangen nun ja mit dem handy
an seinem anfang an seinem ende
wusste schon mickey mouse
da liegt ein schatz
*
Falsch gebeichtet
Die zugezogene Mitschülerin
schlechtes Gewissen, Grübchenkinn
auf dem Schulhof kleinlaut und wunderlich
mit schönen Haaren schämt sie sich
sie hat gebeichtet, gesteht sie inmitten
der anderen Mädchen, sie hätte gestritten
mit ihrer Schwester, das stimmt aber nicht
verliert sie endgültig ihr Gesicht?
Hinzu kommen Jungen, es wird gelacht
Ist doch nicht schlimm, war ausgedacht
ist es dir wirklich eine Qual
Fastnacht beginnt, das ist normal.
*
Lob der Beichte
Und einmal im Monat, das reichte
ging es im Beichtstuhl zur Beichte
qua Katechismus einstudiert
wurden die Sünden nummeriert
der Katalog war hinlänglich
erinnerlich und sachdienlich.
Punkt Sechs, der war in früheren Zeiten
– der Sex, die Unschamhaftigkeiten –
am schwierigsten zu präsentieren
und wohl dosiert zu balancieren
von Mal zu Mal zu variieren
niemand sprach gern vom Masturbieren.
Tuch vor dem Mund hinter dem Gitter
und sein Rasierwasser roch bitter
in unbeweglicher und starrer
Haltung im Beichtstuhl saß der Pfarrer
wenn wir vor ihm im Beichtstuhl knieten
erzählten, auch ins Stottern gerieten
oder ins Schwitzen bei den Witzen
zuerst kam irgendein Klein-Klein
der Schwerpunkt dann im nachhinein
war das Geständnis, gequält, gestählt:
„Ich habe schmutzige Witze erzählt!“
Im Beichtstuhl Schweigen, schauderhaft
der Frevel drückte uns nieder
als er Fassung und Worte wieder
gefunden hatte, der Pfarrer
das ist zu pauschal, so sprach er
welche denn, wollte er wissen
und die Witze, die wir gerissen
ob scharf, ob mittel, beschissen
die wurden nun wiedergegeben
anfänglich mit Widerstreben
doch zunehmend besser. Eben!
Beim