Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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      Sofort stellte sich wieder dieses Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit bei ihr ein.

      Eines fand sie schon merkwürdig. Sie war der Meinung gewesen, dass es Hubert schwerfallen würde, loszulassen, weil er hier seine Kumpels hatte, er der Boss des »Seeblicks« gewesen war.

      Nun war es genau umgekehrt.

      Vermutlich lag es einfach nur daran, dass Frauen emotionaler waren und dass es ihnen leichter fiel, ihre Gefühle nach außen zu tragen.

      Ein Weg war zu Ende.

      Jetzt war alles offen.

      Sie hatte keine Angst, mit ihrem Hubsi an ihrer Seite würde sie alles meistern, und es war auch nicht zu vergessen, dass sie sich in einer sehr komfortablen Lage befanden. Sie gingen nicht mit abgezähltem Geld in ihr neues Leben.

      Auf einmal entstand ein Tumult, Schritte näherten sich, eine Männerstimme sagte: »Kommt her, es ist doch jemand hier.«

      Eine Gruppe von mindestens zehn, zwölf Männern kam auf die Terrasse gepoltert.

      Einer von ihnen sagte: »Welch ein Glück, wir hatten schon die Befürchtung, heute könnten Sie Ruhetag haben.«

      »Das nicht«, entgegnete Hubert Lingen. »Wir haben ganz geschlossen. Es wird einen ­Besitzerwechsel geben. Schauen Sie einfach bei Ihrer nächsten Radtour wieder hier vorbei.«

      Es ertönte ein »ach« und »oh« – Worte des Bedauerns fielen, dann zogen die Männer, was blieb ihnen auch anderes übrig, wieder ab.

      Stille kehrte ein, friedliche Stille.

      Sie waren keine Wirtsleute mehr, und weder er noch sie hatten so etwas wie Bedauern in sich, weil ihnen Umsatz entgangen war. Darum musste sich künftighin Roberto Andoni Gedanken machen.

      Er musste in den Himmel schauen und sich fragen, ob es gutes oder schlechtes Wetter geben würde.

      Er musste sich fragen, ob er Tagesausflügler mit einplanen und entsprechend einkaufen musste.

      Sie hatten mit alldem nichts mehr zu tun.

      »Hubsi, ich finde wir sollten noch eine Weile hier draußen bleiben.«

      Sie stand auf.

      »Was möchtest du trinken? Kaffee oder Tee?«

      Er schob sie sanft auf ihren Platz zurück und erhob sich.

      »Weder noch. Ich denke, ein kleines Gläschen Champagner wäre jetzt angebracht. Schließlich haben wir etwas zu feiern, unsere Freiheit.«

      Dem widersprach sie nicht, sie sah ihm nach, wie er ins Haus ging, sichtlich befreit.

      Lächelnd lehnte sie sich zurück, schloss die Augen und reckte ihr Gesicht der Sonne entgegen.

      Das Leben war schön.

      *

      Seit sie in den Sonnenwinkel gezogen waren, arbeitete Werner Auerbach von zu Hause, und wenn er sich in seinem Arbeitszimmer befand, war es für alle Familienmitglieder tabu, ihn zu stören.

      Alle hielten sich daran, vor allem seine Ehefrau.

      Heute nicht.

      Es war unmöglich, darauf zu warten, dass Werner aus seinem Allerheiligsten kam. Das würde sie nicht aushalten, dazu war sie viel zu aufgeregt.

      Sie rannte auf sein Zimmer zu, klopfte kurz an, dann riss sie die Tür auf, stürmte in den Raum.

      »Werner, tut mir leid, aber ich muss mit dir reden, und zwar sofort.«

      Professor Auerbach wandte sich seiner Frau zu.

      »Wo brennt es denn, mein Schatz?« Er war in keiner Weise ungehalten, denn er wusste, dass etwas Wichtiges geschehen sein musste, sonst wäre Inge nicht so aufgeregt hereingeplatzt.

      Ursprünglich war sie es gewesen, die diese Regeln aufgestellt hatte, weil sie der Meinung war, dass man auch nicht mit ihm hätte reden können, säße er, ob in der Uni oder einem Konzern, an einem Arbeitsplatz.

      Sie schwenkte eine bunte Ansichtskarte hin und her.

      »Post von Hannes«, rief sie.

      Jetzt konnte er ihre Aufgeregtheit noch weniger verstehen.

      »Aber das ist doch schön. Wo steckt der Junge jetzt? Was schreibt er?«

      Inge ließ sich in einen Sessel fallen.

      »Er hat Leute kennengelernt, die ihn mit ihrem Boot mit zu den Galapagosinseln nehmen wollen.«

      Professor Auerbach teilte die Aufgeregtheit seiner Frau überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.

      »Fantastisch, die Galapagosinseln müssen traumhaft sein. Hannes ist zu beneiden. Was bekommt er auf seiner Weltreise nicht alles zu sehen. Er wird mit einem ganz anderen Weitblick zu uns zurückkommen. Nun, ich denke, er wird eine kleine Zwischenstation machen. Auf Dauer wird der Sonnenwinkel ihm zu eng sein.«

      Begriff Werner, ihr ach so kluger Ehemann, eigentlich überhaupt nichts?

      »Werner, er fährt nicht mit der U-Bahn quer durch eine Stadt. Er geht mit Fremden auf ein Boot und dann mit denen auf eine einsame Inselgruppe, in der die Schildkröten die wichtigsten Bewohner sind. Klar ist das paradiesisch. Doch erinnere dich bitte daran, was vor nicht allzu langer Zeit geschehen ist. Ein junges Paar ankerte während einer Weltumsegelung auch vor einem Inselparadies. Im Paradies gibt es, wie wir wissen, auch Schlangen. Der junge Mann wurde nicht von einer Schlange gebissen, aber von einem Inselbewohner getötet.«

      Natürlich konnte Werner Auerbach die Sorge seiner Frau um ihre Kinder verstehen, ganz besonders die um Hannes, der nach dem Abitur zu dieser Weltreise als Backpacker aufgebrochen war. Sie sah nur die Gefahren dieser Reise, nicht die Chancen. Und wenn es einen treffen sollte, dann konnte es gleich hier um die Ecke sein, wenn einem die sprichwörtliche Dachziegel auf den Kopf fiel und tötete.

      »Inge, das war bedauerlich, ein tragischer Zwischenfall. Doch weißt du, wie viele Menschen sich einen solchen Lebenstraum erfüllen? Die meisten kommen irgendwann unbeschadet zurück. Hannes wird schon nichts passieren. Er ist lange genug unterwegs um abschätzen zu können, welches Wagnis er eingehen kann und welches nicht. Freu dich mit ihm und für ihn.«

      Werner Auerbach wurde ganz sehnsuchtsvoll.

      »Was hätte ich darum gegeben, in meiner Jugend eine solche Möglichkeit zu bekommen. Meine Eltern haben mich mehr oder weniger gezwungen, den geraden Weg zu gehen. Abitur, im Anschluss daran sofort Studium.«

      »Geschadet hat es dir aber nicht«, wandte sie ein. »Aus dir ist etwas geworden.«

      Er seufzte.

      »Ja, schon, aber ich musste viele Träume begraben.«

      Das wusste sie, und weil es so war, hatte er auch sofort zugestimmt, als Hannes davon gesprochen hatte, sich erst einmal den Wind um die Ohren wehen zu lassen, ehe er sich für ein Studium entschied. Werner hatte sogar die Reisekasse seines Sohnes ganz gehörig aufgebessert.

      Sie hatte ein ungutes Gefühl.

      War sie überbesorgt?

      War sie gar eine Spießerin, weil für sie so etwas niemals infrage gekommen wäre?

      Reisen schon, aber dann doch mit einem gewissen Komfort, der nicht übertrieben sein musste, ihr aber doch die Gewissheit verschaffte, in einem Hotel- oder Pensionszimmer übernachten zu können.

      »Werner, interpretierst du da nicht etwas in Hannes hinein, was in deiner Fantasie existiert, nicht in der Wirklichkeit? Bist du nicht ein wenig zu sorglos?«

      Er zuckte die Achseln.

      »Denke ich nicht, Hannes hat diese Rucksackreisen nicht erfunden. Es sind sehr viele junge Menschen unterwegs, waren sie damals schon, und da war es weitaus schwieriger, weil die Welt nicht so miteinander vernetzt war, weil es keine Handys, Smartphones gab, kein Internet, nichts von all den heutigen Möglichkeiten der Kommunikation. Meine alten Freunde


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