Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


Скачать книгу
und wir langweilen uns ganz gewiss nicht.«

      Nach diesen Worten zog er Monika mit sich fort, die gerade noch mitbekam, wie Helga Busch nach Luft schnappte wie ein Fisch, der an Land geraten war.

      Ihr Hubsi …

      Wer hätte das gedacht. Sie entdeckte ihn neu, und sie liebte ihn von Stunde zu Stunde mehr.

      Man konnte nicht sagen, dass ein Herzinfarkt, der einen beinahe das Leben gekostet hätte, etwas Gutes hatte. Man konnte ihn erleiden und hinterher in ein tiefes Loch fallen. Bei ihr hatte er einen Umschwung in die richtige Richtung gegeben, und dafür musste sie dankbar sein.

      Sie hakte sich bei ihm ein.

      »Hubsi, wenn Blicke töten könnten, dann wären wir jetzt tot«, sagte sie, »aber ich kann verstehen, dass sie heiß auf dich ist. Du bist halt ein irrer Typ …, du bist es wieder geworden.«

      Er blickte sie liebevoll an.

      »Und du bist eine Traumfrau, warst es die ganze Zeit über, doch ich war streckenweise blind und habe es nicht mehr gesehen. Ach, Moni, du glaubst nicht, wie glücklich ich bin und wie sehr ich dem Schicksal danke, dass wir noch eine Chance bekommen haben. Jetzt müssen wir behutsam mit uns umgehen, ein zweites Mal dürfen wir es nicht vermasseln.«

      Am liebsten hätte sie sich jetzt in seine Arme geschmissen, ihn geküsst. Doch das ging nicht. Man blickte schon jetzt neugierig zu ihnen.

      »Das werden wir nicht, mein liebster Hubsi, ganz gewiss nicht.«

      Sie hatten ihren Tisch erreicht, in einer schmalen Vase stand auf dem Tisch eine rote Rose. Sie musste ihn nicht fragen. Sie wusste, dass er es arrangiert hatte.

      Diese rote Rose besagte alles, dennoch freute es sie, dass er es auch noch mit Worten ausdrückte: »Moni, ich liebe dich. Du bist die Frau meines Lebens.«

      Das Glück machte sie stumm, doch ihre Blicke, die sanfte Geste, mit der sie seine Hand berührte, sagten alles.

      Die Bedienung trat an ihren Tisch, erkundigte sich, welches der drei angebotenen Gerichte sie gewählt hatten.

      Der Alltag hatte sie wieder.

      Monika entschied sich für die vegetarische Lasagne, sie würde eh nicht viel essen können.

      Hubert wählte die Putenschnitzelchen mit mediterranem Gemüse und Rosmarinkartoffeln.

      Ein Glas Wein dazu wäre schön, doch das gab es hier nicht. Es wurde kein Alkohol ausgeschenkt, und deswegen wählte Monika eine Apfelschorle, und er entschied sich für Mineralwasser.

      Essen, Trinken, das war derzeit wirklich nebensächlich. Es zählte, dass sie zusammen waren, und noch mehr zählte, dass sie ihre Liebe nicht verloren hatten.

      Sie sprachen nicht viel, waren mit ihren Blicken, mit kleinen zärtlichen Gesten ineinander versunken.

      Aus dieser Versunkenheit wurden sie gerissen, als ein gemischter Salat und eine Spargelcremesuppe serviert wurden. Das gehörte zum Menü.

      Die Suppe schmeckte nicht schlecht, vielleicht ein wenig fad. Darüber durfte man sich allerdings in einem Sanatorium nicht beklagen.

      Hubsi und sie …, der Jakobsweg …, ein neuer gemeinsamer Weg … Es nahm ihr beinahe den Atem, und ihm schien es nicht anders zu gehen.

      *

      Das Leben ging weiter.

      Monika Lingens Tage im Sanatorium waren gezählt, eine weitere Kurverlängerung würde es nicht geben.

      Und Hubert Lingen war wieder im Sonnenwinkel. Es gab vieles zu tun, vieles zu regeln.

      Für Roberta war er zu einem Vorzeigepatienten geworden. Sie konnte es eigentlich noch immer nicht so recht fassen, wie sehr sich dieser träge, missmutige Mann in kürzester Zeit verändert hatte.

      Er war gut drauf, und er freute sich über die guten Ergebnisse bei den regelmäßigen Routineuntersuchungen.

      Auch heute war er in der Praxis, und Roberta wunderte sich über den prachtvollen, exquisiten Blumenstrauß, den er ihr überreichte.

      »Ich habe keinen Geburtstag, Herr Lingen«, sagte sie, nachdem sie sich bedankt hatte.

      Er lachte.

      »Frau Doktor, man muss keinen Anlass haben, um Blumen zu verschenken. Es ist mir ein Bedürfnis, und außerdem will meine Monika es auch so. Ach, Frau Doktor, warum sind Sie nicht schon ein paar Jahre früher in den Sonnenwinkel gekommen?«

      »Weil Herr Doktor Riedel hier einen ausgezeichneten Job gemacht hat«, glaubte Roberta, ihren Vorgänger in Schutz nehmen zu müssen.

      Das bestätigte Hubert Lingen auch sofort.

      »Aber Sie sind anders. Sie sehen in erster Linie nicht den Patienten, sondern Sie sehen den Menschen, und Sie machen sich Gedanken, tun Dinge, für die Sie keine Krankenkasse bezahlt. Und Sie sind eine ganz hervorragende Diagnostikerin. Welch ein Glück, dass Sie im Seeblick waren, als das mit Moni passierte. Im Krankenhaus, aber auch in der Reha haben sie gesagt, dass es einzig und allein Ihrer Umsicht, Ihrem schnellen, kompetenten Eingreifen zu verdanken ist, dass meine Moni noch lebt. Auch wenn es Sie mittlerweile vermutlich nervt, aber das kann ich nicht vergessen, und ich werde es wieder und wieder erzählen, ob es nun jemand hören will oder nicht. Wir stehen tief in Ihrer Schuld, Frau Doktor, denn Sie haben nicht nur Moni geholfen, sondern auch mir. Sie tun es noch immer. Sie haben mich auf die Spur gebracht und aus mir einen ganz anderen Menschen gemacht.«

      Nicht das schon wieder.

      Allmählich wurde es Roberta peinlich.

      »Herr Lingen, ich habe meine Pflicht getan, das ist mein Beruf, und Herr Dr. Riedel hätte auch nicht anders gehandelt.« Er winkte ab.

      »Eigentlich will ich ja auch darüber nicht sprechen, es geht um etwas anderes. Ihre Worte sind bei uns auf einen fruchtbaren Boden gefallen. Zunächst waren wir ziemlich verunsichert, einer wollte dem anderen nicht in den Rücken. Moni und ich haben uns ausgesprochen, wir waren aufrichtig zueinander, und nun ist alles klar. Wir werden den ›Seeblick‹ aufgeben, und es gibt sogar bereits einen ernsthaften Interessenten.« Dann erzählte er der staunenden Roberta alles, was sich inzwischen ereignet hatte und zu welchem Ergebnis sie gekommen waren.

      Es hörte sich gut an, auch wenn sie ein leises Bedauern verspürte, nicht nur zwei nette, sympathische Patienten zu verlieren, sondern auch die Möglichkeit, wirklich gut essen gehen zu können.

      In erster Linie freute sie sich für die Lingens, und das sagte sie ihm auch.

      »Für unsere Stammgäste wird es noch ein fürstliches Abschiedsessen geben, und Sie, Frau Doktor, sind natürlich jetzt schon ganz herzlich eingeladen.«

      »Diese Einladung nehme ich dankend an«, sagte sie und erinnerte sich daran, dass die Einladung bei den Münsters bevorstand, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, was sie anziehen sollte.

      Roberta Steinfeld war eine hervorragende Ärztin, aber in erster Linie war sie eine Frau. Und auch wenn sie wusste, dass es unwichtig war, keine Rolle spielte, wollte sie schon hübsch aussehen.

      Diese Gedanken verdrängte sie allerdings so schnell, wie sie ihr gekommen waren.

      Sie saß in ihrer Praxis, war mitten in der Sprechstunde. Neben Hubert Lingen gab es noch andere Patienten, die da draußen im Wartezimmer warteten. Die hatten Vorrang.

      »Herr Lingen, ich freue mich für Sie und Ihre Frau, und Sie können stolz auf sich sein, die Kraft gefunden zu haben, einen neuen Weg einschlagen zu wollen. Es ist schwer, sich von alten Gewohnheiten zu trennen, selbst wenn sie für einen überhaupt nicht gut sind.«

      Auch da wusste sie, wovon sie sprach. Sie und ihr Exmann … Sie hatte jahrelang an Max festgehalten, obwohl es quälend, enttäuschend gewesen war.

      Darüber musste sie jetzt auch nicht nachdenken. Außerdem war es vorbei.

      Sie besprach mit Hubert Lingen noch, wie sie sich, solange er im Sonnenwinkel weilte,


Скачать книгу