Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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herzlicher sein und sie, ganz besonders Stella, nicht immerfort kritisieren, und wenn du dich dann …«

      Inge konnte ihren Satz nicht beenden. Sie wurde abrupt von Rosmarie unterbrochen.

      »Also hat sie doch über mich gelästert«, sagte sie, »sonst kämst du jetzt nicht damit.«

      Es hatte keinen Sinn, warum hatte sie denn nicht einfach den Mund gehalten? Rosmarie würde es nie begreifen.

      »Hat sie nicht. Es ist nur so, dass ich zwei Augen im Kopf habe und nicht blöd bin. Ich bekomme seit Jahren mit, wie es zwischen Heinz, dir und euren Kindern abläuft. Da fehlen Liebe und Vertrauen, zwei wichtige Bausteine für ein gutes Miteinander.«

      Rosmarie schnappte nach Luft, Gaston gesellte sich zu ihnen, um sich zu erkundigen, ob bei den Damen alles in Ordnung sei.

      Auf Small Talk hatte Inge keine Lust, und eine Fortsetzung des Gesprächs würde nichts bringen, weil Rosmarie jetzt schon blockierte.

      Sollte sie sich von diesem Franzosen mit Komplimenten überschütten lassen, ob nun ernst gemeint oder nicht. Das war Inge so ziemlich egal.

      Sie blickte auf ihre Uhr, stieß ein beinahe bühnenreifes: »Oh, schon so spät«, hervor, dann verabschiedete sie sich, wollte, obwohl sie eingeladen war, ihren Milchkaffee bezahlen. Doch Rosmarie wollte nun mal die Großzügige spielen und bestand darauf, die Zeche zu begleichen.

      Sie wollte noch bleiben, also verabschiedete Inge sich, und als sie hinausging, sagte sie sich, dass sie sich das alles hätte ersparen können.

      Rosmarie, auch ihr Heinz, hatten auch gute Seiten, und wenn man sie so nahm, wie sie waren, kam man mit ihnen auch gut zurecht. Und wenn sie gut drauf waren, da konnte man sogar ganz herzhaft mit ihnen lachen.

      Die Rückerts, die waren halt anders, doch es hätte sie mit angeheirateten Familienmitgliedern schlimmer treffen können. Stella und Fabian waren ganz wunderbar, und wenn, dann waren die beiden zu bedauern, Eltern zu haben, die so wenig Liebe zeigen konnten. Eltern, für die ihre beiden Kinder allenfalls Prestigeobjekte gewesen waren.

      So, und das war es dann auch.

      Inge Auerbach war fest entschlossen, sich darum keine Gedanken zu machen.

      Sie sollte wohl besser erst einmal vor ihrer eigenen ­Haustür kehren. Sie war zwar eine verständnisvolle, liebevolle Mutter, aber was da mit Bambi geschehen war, wie sie bislang mit der Adoption umgegangen waren …, darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.

      Rosmarie hätte nicht lange gefackelt, sondern Bambi, ohne Rücksicht auf Gefühle, schon längst die Wahrheit gesagt.

      Inge hatte ihr Auto erreicht, stieg hinein und fuhr nach Hause.

      Ja, nach Hause, denn der Sonnenwinkel war längst die Heimat ihres Herzens geworden, und sie konnte sich nicht vorstellen, da noch einmal wegzuziehen.

      Doch das Leben hatte sie gelehrt, nie nie zu sagen.

      Inge machte das Autoradio an und sang den banalen Schlager, der gerade gespielt wurde, laut mit.

      Der Text war einfach und wiederholte sich immer wieder. Glück … Herz … Schmerz …

      Beinahe wie im wahren Leben.

      Unterwegs hielt sie noch einmal an, um eine Nachbarin aufzupicken, die auf den Bus wartete.

      Hilfsbereit war man im Sonnenwinkel ebenfalls.

      Frau Schnitzler war in das Haus ihres Sohnes eingezogen, nicht unbedingt zur Freude ihrer Schwiegertochter.

      Und nun musste sich die arme Inge in epischer Breite anhören, welche Grabenkämpfe es zwischen den beiden Frauen gab.

      Dass Gutmütigkeit manchmal auch Dummheit sein konnte, das bestätigte sich gerade jetzt.

      Aber zum Glück war es nicht mehr weit. Die Schnitzlers wohnten am Anfang der Siedlung, und die alte Dame verdrehte da wohl ein wenig die Tatsachen. Die Schwiegertochter stand am Gartentor und war ganz erleichtert, als sie ihre Schwiegermutter aus Inges Wagen steigen sah.

      »Da bist du ja, Mama. Du darfst nicht einfach, ohne etwas zu sagen, weglaufen. Ich habe dich bereits überall gesucht und mir große Sorgen gemacht.«

      Sie bedankte sich bei Inge, dann legte sie liebevoll, wie Inge fand, einen Arm um die schmale Schulter ihrer Schwiegermutter und führte sie behutsam ins Haus.

      Jede Medaille hatte zwei Seiten …

      Das würde Inge Auerbach jetzt glatt unterschreiben.

      *

      Inge Auerbach und Bambi arbeiteten im Garten. Sie hatten sich endlich aufgerafft, sich des Unkrauts anzunehmen.

      Jonny, der sonst dabei war, um hinter Schmetterlingen und Insekten herzujagen, lag auf seinem Kissen auf der Terrasse.

      Er war nicht gut drauf.

      Das machte Inge Sorgen, Bambi sah es auch, doch sie ignorierte das einfach.

      Sie kamen ganz gut voran. Beide arbeiteten gern im Garten und beide hatten auch den grünen Daumen.

      Bambi hielt inne, blies sich eine vorwitzige Locke aus dem Gesicht, die ihre Sicht beeinträchtigte. Dann wandte sie sich an ihre Mutter.

      »Mami, darf ich dich mal was fragen?«

      Auch Inge hörte auf, das Unkraut zu zupfen.

      »Aber ja, mein Kind«, sagte sie, »frag, was du willst.«

      Bambi nickte.

      »Mami, ist was nicht in Ordnung?«

      Inge lachte.

      »Aber Kind, was sollte nicht in Ordnung sein? Wie kommst du darauf?«

      Bambi pustete erneut, dann griff sie entschlossen nach der Locke und steckte sie sich hinters Ohr. Dass die dunkle Erde Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte, merkte sie nicht. Es hätte sie auch nicht gestört, wozu gab es Wasser und Seife.

      »Nun ja, der Papi und du …, ihr seid verändert …, ihr seid seit einiger Zeit anders geworden. Liegt es an mir? Mache ich etwas falsch? Nerve ich euch? Vielleicht nutze ich es manchmal zu sehr aus, jetzt die Einzige hier zu sein. Aber, Mami, das möchte ich nicht, wenn es an mir liegen sollte, dann sagt es mir. Ich habe euch viel zu lieb und kann es nicht haben, euch traurig zu sehen.«

      Schon bei Bambis ersten Worten war Inge die Harke aus der Hand gefallen.

      War es so offensichtlich?

      War das jetzt der Zeitpunkt, ihr die Wahrheit zu sagen?

      Aber nein, das ging nicht. Es war zu wichtig, um es im Alleingang zu erledigen.

      Klar, Bambi war ein hochsensibles Mädchen, das sich, obwohl noch so jung, in jeden Menschen hineinfühlen konnte. Und sie besaß hochfeine Antennen, um spüren zu können, wenn etwas nicht rund lief.

      Werner und sie hatten sich in ihrer Nähe zusammengerissen, nicht über die Adoption gesprochen und sich verhalten wie immer.

      Es war wohl nicht so gewesen, und Bambi hatte das gespürt. Wie sollte sie sich jetzt verhalten?

      Lügen?

      Ihre Gedanken überschlugen sich.

      Und dann …

      Welch ein Glück, der Himmel war auf ihrer Seite, Manuel Münster kam um die Ecke gebogen.

      »Hier seid ihr, da kann ich mir ja die Finger wundklingeln. Bambi, hast du Lust auf eine Radtour? Heute kommen doch ganz bei uns in der Nähe die Radprofis vorbei. Wenn wir uns beeilen, kriegen wir sie noch mit und können sie bejubeln. Manni Busch ist auch dabei, und der hat alle Chancen, die Tour de France zu gewinnen, wenn er weiterhin so in Topform bleibt.«

      Es klang verlockend.

      Bambi warf ihrer Mutter einen Blick zu.

      »Geh schon, mein Kind«, sagte Inge, »den Rest schaffe ich allein, und wenn nicht, dann können wir morgen weitermachen. Das


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