Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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und bei Männern purzelten sie sofort kiloweise.

      Nachdem Monika sich von ihrer ersten Überraschung erholt hatte, stürzte sie sich in die Arme ihres Mannes.

      »Hubsi …«, sie gebrauchte das Kosewort aus alten Zeiten, »das ist eine Überraschung, eine ganz wunderbare sogar. Woher wusstest du, wie sehr ich dich vermisste?«

      Seine Arme umschlossen sie, sie fühlte sich unglaublich geborgen, und ehe er ihr diese Frage beantworten konnte, tat er etwas anderes, was im Augenblick wichtiger war.

      Hubert Lingen küsste seine Monika. Zuerst ein wenig zögerlich, dann aber voller Verlangen. Es war wie früher, als sie zu zweit, gegen den Rest der Welt, überall und nirgends gewesen waren.

      Wie schön!

      Die Welt stand still!

      Und sie waren sich so unglaublich nahe.

      Auf einmal war sie wieder da, diese Vertrautheit, aber auch die Aufgeregtheit, die man hat, wenn man frisch verliebt ist.

      Es fühlte sich so an, und während sie sich auf die Bank setzten, kam Monika eine Gedichtzeile von »Stufen« von Hermann Hesse in den Sinn.

      »Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …«

      Ein Anfang für sie und Hubert!

      Im »Seeblick«?

      Es war nicht vorstellbar, der Alltag würde sie einholen, das war unvermeidbar.

      Aber nein!

      Jetzt wollte sie nicht daran denken, sondern die Nähe ihres Mannes genießen, der wirklich unglaublich gut aussah. Sie sagte es ihm, und das konnte er nur zurückgeben.

      »Kein Wunder, mein Lieber, ich kann hier entspannt und vollkommen entschleunigt das Leben genießen. Es ist wunderbar, und ich mag nicht daran denken, was sein wird, wenn …«

      Er hinderte sie am Weitersprechen, indem er ihr einfach einen Finger auf die Lippen legte.

      »Moni, wir haben jetzt die Chance, einen Neuanfang zu wagen, und deswegen bin ich hier.« Er warf ihr einen zärtlichen Blick zu. »In erster Linie allerdings, weil ich eine unbändige Sehnsucht nach dir hatte.«

      Sie lehnte sich an ihn, er hatte beschützend einen Arm um ihre Schulter gelegt.

      Sie schwiegen eine Weile, genossen ihre Zweisamkeit, die auch ohne Worte schön sein konnte, weil sie plötzlich wieder die Sprache ihrer Herzen verstanden.

      Nach einer Weile räusperte er sich.

      »Ich habe, eigentlich nur, um den Marktwert abzuschätzen, unseren ›Seeblick‹ auf eine Immobilienseite ins Internet gesetzt, und du glaubst es nicht, innerhalb weniger Stunden gab es mehrere Anfragen. Ein Interessent hat sich sofort in sein Auto gesetzt, ist losgefahren. Er ist ganz heiß auf unseren ›Seeblick‹ – würde ihn sofort übernehmen, und er ist mit dem Kaufpreis einverstanden, hat nicht versucht, auch nur einen Euro herunterzuhandeln. Ich hätte am liebsten sofort zugesagt, ein solches Geschäft macht man so schnell nicht wieder, es ist wie ein Lotteriegewinn. Aber ich weiß ja, wie sehr du am ›Seeblick‹ hängst.«

      Sie starrte ihn an.

      »Hubsi, das stimmt nicht. Wie kommst du denn darauf? Ich hätte nur deinetwegen daran festgehalten, weil ich umgekehrt der Meinung war, du könntest das im Sonnenwinkel nicht loslassen.«

      Nach der ersten Überraschung mussten beide lachen, und danach gab es eine ganze Menge zu besprechen.

      Unglaublich, wie sie beide aneinander vorbeigedacht hatten, aber andererseits rührend, weil sich quasi der eine für den anderen geopfert hätte. Das war Liebe.

      »Das heißt, ich kann dem ­Interessenten eine Zusage ­machen?«, erkundigte Hubert Lingen sich schließlich. Ganz sicher konnte er es immer noch nicht glauben, deswegen fügte er hinzu: »Ganz sicher?«

      Monika nickte.

      »Ganz sicher«, bestätigte sie mit fester Stimme. »Es hat alles seine Zeit. In der Weise, wie wir in all den Jahren unsere Gastwirtschaft geführt haben …, das geht nicht mehr, und das will ich auch nicht mehr. Die Krankheit hat bei mir etwas verändert. Mir wurde ganz deutlich bewusst, dass das Leben endlich ist und dass niemand weiß, wann es zu Ende ist. Man kann sich kein Ticket kaufen, das einem eine störungsfreie Reise bis meinetwegen neunzig Jahre oder mehr garantiert. Das Leben ist schön, es ist kostbar. Erinnerst du dich an unsere To-Do-Liste, die wir mal gemacht haben. Und erinnerst du dich auch daran, was da ganz weit oben stand?«

      Er lächelte, strich ihr zärtlich über das Haar, und seine Antwort kam prompt. »Und ob ich das weiß. Unser Traum war es, den Jakobsweg zu laufen, beginnend in Frankreich, endend in Santiago de Compostela.« Seine Stimme wurde ganz sehnsuchtsvoll. »Ja, das wäre es gewesen. Doch das haben wir leider verpasst.«

      Monika widersprach ihrem Mann sofort.

      »Oh nein, das stimmt nicht. Man soll nie nie sagen, es kann noch immer so sein. Liebster, lass es uns tun. Nun haben wir die Chance.«

      Als er Zweifel wegen ihres angegriffenen Gesundheitszustandes anmeldete, schüttelte sie entschieden den Kopf.

      »Das ist überhaupt kein Problem. Außerdem können wir es ganz entspannt angehen. Uns jagt niemand. Leider ist es Kult geworden, da mitreden zu können und den Jakobsweg zu gehen. Und dabei wird herumgetrickst, werden große Strecken im Taxi oder auf andere eigentlich nicht vorgesehene Weise zurückgelegt. In diesen Topf möchte ich nicht geworfen werden. Ich möchte den ­Jakobsweg gehen wie wir es uns vorgestellt haben und wie er auch gedacht ist, nicht, um ­einen Rekord aufzustellen, nicht, um einen Preis zu gewinnen für ein schnelles Durchjagen. Sinn ist, ihn bewusst zu gehen, und das ist so etwas wie Meditation. Sinn ist, sich zu finden und seinen Weg.«

      Sie blickte ihn mit blitzenden Augen an.

      »Der Gedanke fasziniert mich immer mehr. Wenn wir alles verkaufen, sind wir frei. Wir zwei sind, weil wir uns dem Alltag so vollkommen ausgeliefert haben, von unserem eigentlichen Weg abgekommen. Wir haben uns verloren … Hubsi, das darf uns nicht noch einmal passieren. Das Leben ist schön, und am allerschönsten ist es, wenn du bei mir bist.«

      Er verstärkte den Druck seiner Arme, und sie schmiegte sich noch enger an ihn. Und dann küssten sich erst einmal, und das war beinahe so wie früher, mit aller Aufgeregtheit und mit Herzklopfen.

      Die Frösche quakten, ein Reiher flog über den Teich, in Erwartung reicher Beute.

      Sie bekamen es nicht mit. Beinahe staunend wie zwei Kinder entdeckten sie einander erneut, und das war schön. Nein, es war wunderschön.

      *

      Hubert Lingen hatte sich entschlossen, über Nacht zu bleiben. Zum Glück war man in dieser Reha-Klinik flexibel genug, das Zimmer seiner Frau so herzurichten, dass er mit darin schlafen konnte.

      Monika war überglücklich, und sie war ganz stolz, an seiner Seite in das Restaurant zu gehen. Ja, man legte hier Wert darauf, über ein Restaurant zu sprechen, nicht über einen »Speisesaal«.

      Sie merkte schon, dass Hubert manch interessierter Blick traf. Nicht nur das, eine Dame, die bekannt dafür war, jeden Mann anzumachen, kam sofort auf sie zugeschossen, anders konnte man es nicht nennen.

      Sie war nicht hier, um ihren Gesundheitszustand wiederherstellen zu lassen, sondern in erster Linie um Spaß zu haben, sich den sprichwörtlichen »Kurschatten« zu suchen oder besser noch, den Mann fürs Leben.

      Monika mochte diese Frau nicht, und bislang hatten sie kaum miteinander gesprochen, deswegen war es schon ziemlich dreist, dass sie jetzt vor ihnen stand.

      »Wie ich sehe, haben wir hier ein neues Gesicht«, gurrte sie und blickte Hubert tief in die Augen. »Alles ziemlich langweilig und öde, man muss von sich aus etwas tun, um Spaß zu haben …, ich bin übrigens Helga Busch.«

      Monika schnappte nach Luft, hatte eine heftige Erwiderung auf den Lippen. Doch sie musste nichts sagen. Ihr Hubert meisterte die Situation.

      Er schenkte dieser Frau


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