Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg
teilzunehmen, sondern auch als Besucher.
Er hatte sich zum Teil aus dem internationalen Geschäft zurückgezogen, aber es gab dann doch immer wieder etwas, dem er sich nicht entziehen konnte und wo er auch gern dabei war.
Einmal Wissenschaftler, immer Wissenschaftler. Das Interesse hörte mit zunehmendem Alter nicht auf, im Gegenteil, lange Berufserfahrung brachte immer bessere Resultate.
Werner Auerbach war eine Kapazität. Er hatte international gearbeitet, und eigentlich hatte niemand verstanden, warum er sich von jetzt auf gleich aus dem internationalen Geschäft zurückgezogen hatte, um von daheim zu arbeiten und nur hier und da Gastprofessuren anzunehmen, als hochgeschätzter Redner aufzutreten oder sein Know-how in zeitlich bemessene Projekte einzubringen.
Die Fachwelt hatte aufgeschrien, als publik geworden war, wohin Professor Auerbach sich zurückgezogen hatte.
Sonnenwinkel?
Das hatte so überhaupt nichts, war bedeutungslos.
Ja, für die Wissenschaft schon, aber nicht für die Familie. Werner Auerbach hatte im letzten Augenblick die Reißleine gezogen, um wenigstens noch etwas von seinen Kindern mitzubekommen, die er nur am Rande hatte aufwachsen sehen. Dass sie so geworden waren, war einzig und allein seiner Frau Inge zu verdanken, die großartig war und nicht nur ihm den Rücken freigehalten hatte, sondern auch aus den Kindern wunderbare Menschen hatte werden lassen.
Der Sonnenwinkel war schon eine Herausforderung gewesen, und eigentlich auch sehr egoistisch von ihm, denn er hatte mit dem Kauf des Hauses seine Familie überrumpelt.
Jörg hatte es nur am Rande tangiert, denn der hatte mit dem Studium begonnen, lebte in der Stadt.
Ricky, ein Jahr vor dem Abitur, war nur zu besänftigen gewesen mit dem Auto, das sie zum Geburtstag bekommen hatte, und, ja, für sie hatte die Welt auch gleich sofort anders ausgesehen, weil sie sich bereits am ersten Tag in Fabian Rückert verliebt hatte, den allseits bewunderten, gut aussehenden, umschwärmten Lehrer.
Dass aus ihnen letztlich doch ein Paar geworden war, dass sie geheiratet hatten und mit ihren vier Kindern ausgesprochen glücklich waren. Das hatte niemand erwartet, und um diese Beziehung hatte zunächst auch niemand auch nur einen Pfifferling gegeben. Schülerin und Lehrer.
Das war ein heißes Eisen, und es erforderte sehr viel an Disziplin zu wissen, dass man füreinander bestimmt war, es aber nicht zuzulassen, dass daraus etwas wurde, worüber man hämisch reden konnte.
Ricky und Fabian hatten es geschafft, etwas Schönes nicht zum Gesprächsstoff werden zu lassen, und sie hatten sich ihre Gefühle auch erst gestattet zu zeigen, als Ricky mit der Schule fertig gewesen war. Dann allerdings hatten sie nicht mehr lange gewartet, sondern direkt geheiratet.
Professor Auerbach seufzte.
Ja, es war wohl so, dass man alles durchstehen konnte, wenn sich für den richtigen Topf der richtige Deckel fand.
Hannes hatte rebelliert und das in schlechten Schulnoten gezeigt. Doch dann hatte er sich mit dem Sonnenwinkel nicht nur abgefunden, sondern ihn auch so richtig lieb gewonnen, und deswegen hatte er den Schalter umgelegt. Mit seinem Abiturzeugnis hatte er alle anderen, auch seine Geschwister, in den Schatten gestellt, Eins-Komma-Null …, das musste man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Jetzt war Hannes irgendwo unterwegs, mit Rucksack und voller Tatendrang. Er würde seinen Weg gehen, und das auf seine Weise. Ein wenig kam er da wohl auf seinen heißgeliebten Opa, den Baron Magnus von Roth, der für Hannes ein leuchtendes Vorbild war, weil Magnus durch Höhen und Tiefen gegangen war ohne daran zu zerbrechen.
Wo andere liegen geblieben wären, war Magnus aufgestanden, hatte sich den Staub von den Sachen geklopft und war weitergegangen, so ganz unter der Devise: »Jetzt erst recht.«
Jetzt war nur noch Bambi im Haus, ihr geliebtes Nesthäkchen, das ihnen so viel Freude bereitete.
Doch auch hier war ein Ende abzusehen.
Bambi würde ebenfalls ihren Weg gehen, da mussten sie sich keine Sorgen machen. Sie war klug, liebenswert. Sie hatte vom ersten Augenblick an ihre Herzen gewonnen, seines, das von Inge und das der Kinder, die ganz vernarrt in Bambi waren.
Bambi …
Seine Gedanken verdunkelten sich, denn da gab es leider ein Problem, das sich nicht mit wissenschaftlichen Formeln und Erkenntnissen abhandeln und lösen ließ.
Es war allerhöchste Zeit!
Sie saßen auf einem Pulverfass, das ihnen jeden Augenblick um die Ohren fliegen konnte.
Doch wie sollten sie ihrem Sonnenschein Bambi, die eigentlich Pamela hieß, klarmachen, dass sie leider keine echte Auerbach war, was sie so selbstverständlich voraussetzte? Der große Professor Auerbach war ratlos, und das war etwas, was man von ihm nicht kannte.
Er begann eine unruhige Wanderung durch sein komfortables Hotelzimmer und ärgerte sich insgeheim darüber, dass er diese Gedanken zugelassen hatte, aus lauter Sentimentalität.
Er trennte sich nicht mehr gern von seinen Lieben, nicht einmal vorübergehend. Und deswegen musste er auch, kaum war er weg, an sie denken, mit ganz viel Liebe in seinem Herzen, aber auch mit sehr viel Dankbarkeit, weil er es so gut getroffen hatte.
Eine traumhafte Frau, fantastische Kinder, keine Sorgen, keine Probleme, das waren keine Selbstverständlichkeiten. Bambi …
Sie musste erfahren, dass sie zwar keine geborene Auerbach war, aber ein Kind ihres Herzens, das sie über alles liebten, das sie glücklich und froh machte. Und dass sie alle es als ein Geschenk des Himmels gesehen hatten, dass sie als Einjährige auf ihren Weg gekommen war. Ja, so ungefähr würde er es ihr beibringen, und das sofort nach seiner Rückkehr.
Sein Telefon klingelte, ihm wurde mitgeteilt, dass man ihn oben in einem der Konferenzsäle des Hotels zu seinem großen Auftritt erwartete.
Als er wenig später zu den Aufzügen lief, die ihn nach oben bringen sollten, war er der hochangesehene Wissenschaftler, der begehrte Redner, der selbst trockene wissenschaftliche Themen wie einen Krimi rüberbringen konnte.
*
Während ihr Werner in London seinen großen Auftritt hatte, hatte Inge Auerbach im verträumten Hohenborn ihren kleinen.
Sie war nach Hohenborn gefahren, um ein paar Einkäufe zu tätigen und hatte alles im Kofferraum ihres Autos verstaut, um jetzt noch ganz gemütlich einen Kaffee zu trinken, als sie Rosmarie Rückert bemerkte.
Rosmarie war nie zu übersehen. Sie war stets perfekt gestylt. Auch wenn Inge so niemals herumlaufen würde, weil es nicht ihr Stil war, musste sie doch zugeben, dass Rosmarie es vortrefflich verstand, sich in Szene zu setzen und dass sie einen guten Geschmack hatte.
Von der Frisur angefangen bis hin zu den Schuhen und der Tasche stimmte bei ihr immer alles, nicht zu vergessen die wirklich erlesenen »Kronjuwelen«, ohne die sie niemals das Haus verlassen würde und von denen sie mehr als genug besaß.
Der Schlager, von Marylin Monroe gesungen und vor vielen Jahren ein Hit: »Diamonds are a girls best friend« hätte von Rosmarie stammen können.
Ginge es darum, das Äußere einer Frau zu beurteilen, bekäme Rosmarie stets den ersten Platz, unangefochten.
Die Tragik war wirklich, dass sie in Hohenborn lebte, nicht in Düsseldorf oder München. In einer Großstadt könnte sie sich ganz anders austoben, in jeder Hinsicht.
Heute trug Rosmarie eine Komposition in Beige, beiges Kostüm, das vorteilhaft ihre tadellose schlanke Figur betonte, beige Schuhe, beige Tasche. Wenig Schmuck, dafür aber, nicht zu übersehen, eine goldene, diamantbesetzte Piagetuhr, die ein kleines Vermögen wert war.
Inge Auerbach blickte unwillkürlich an sich herunter. Auch sie trug beige, eine Leinenhose, ein schlichtes T-Shirt, und an den Füßen trug sie Sandalen, die im ersten Moment ein wenig wie Elbkähne aussahen, breit, schlicht. Die aber so bequem waren, dass Inge sie am liebsten auch nicht ausziehen würde, wenn sie insBett ging. Sie hatte die Sandalen in einem Ökoladen gekauft, und sie waren