Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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sich durch ihr Äußeres zu definieren. Sie würde sich nicht für alles Geld der Welt in hochhackige, grazil aussehende Schühchen hineinquetschen, nur weil die einen schlanken Fuß machten und die Beine länger erscheinen ließen.

      Sie war kein ausgesprochener Öko-Freak, doch es beruhigte sie schon zu wissen, dass für die Kleidung, die sie trug, keine Kinder ausgebeutet wurden oder dass sie voller Pestizide oder anderer Schadstoffe war.

      Rosmarie hatte sie entdeckt, also gar keine Chance zur Flucht. Sie kam auf sie zugestöckelt: »Hallo, Inge, das ist aber eine schöne Überraschung. Was treibst du in Hohenborn?«

      »Ich war einkaufen, und jetzt möchte ich einen Kaffee trinken. Hast du Lust?«

      »Ja, gern, aber nicht in dem schrecklichen Palatini, da ist es­ mir einfach zu laut. Drüben am Marktplatz wurde ein ­französisches Bistro eröffnet, ›Chez Gaston‹ – da gibt es einen göttlichen Café au lait. Ich finde, da werden die Italiener mit ihrem Kaffee vollkommen überbewertet. Also, wie gesagt, bei Gaston ist der Milchkaffee einsame Spitze, nicht ganz billig …, du bist selbstverständlich eingeladen.«

      Würde Inge Auerbach die Schwiegermutter ihrer Kinder nicht kennen, wüsste sie nicht, wie sie drauf war, müsste sie sich jetzt umdrehen und gehen. Eine Einladung war nett, und es sprach nichts dagegen, sie anzunehmen. Doch dieses »nicht ganz billig« davor war so unnötig wie ein Kropf, besagte es doch, dass sie, Inge, sich das nicht leisten könne.

      Klar besaßen die Rückerts sehr viel mehr Geld, und Inge gönnte ihnen jeden Cent davon. Doch arm waren die Auerbachs nicht, und ein Milchkaffee, auch wenn er teuer war, war alle Male drin.

      Ach ja, Rosmarie war wie sie war.

      »Danke für die Einladung, meine Liebe«, sagte Inge, dann folgte sie Rosmarie und musste insgeheim lächeln. Sie hatten den Marktplatz erreicht, der erst kürzlich mit einem sehr hübschen Kopfsteinpflaster neu gepflastert worden war.

      Wie Rosmarie darüber stöckelte, sah nicht unbedingt graziös aus, Inge hatte mit ihren »Elbkähnen« kein Problem, die waren für jeden Bodenbelag geeignet. Man konnte mit ihnen sogar ins Wasser gehen und auch ganz wunderbar durch nassen Sand am Strand laufen.

      Inge kannte das »Chez Gaston« noch nicht. Es sah sehr hübsch aus, und von innen war es beeindruckend. Für die ­Einrichtung wurde sehr viel Geld ausgegeben, da hatte man an nichts gespart. Hoffentlich lohnte sich in dem beschaulichen Hohenborn eine solche Investition.

      Es waren nur zwei Tische besetzt, doch als sie hereinkamen, wurden sie wie alte Freunde begrüßt. Rosmarie kannte sich hier aus, und sie genoss es, von Gaston, einem etwas dicklichem kleinen Franzosen, sogar mit Wangenküsschen begrüßt zu werden. Rosmarie brauchte so etwas, und sie genoss es.

      Natürlich bekamen sie den besten Tisch zugewiesen und direkt ein Gläschen Champagner angeboten, natürlich auf Kosten des Hauses, was Rosmarie entzückt annahm, Inge ablehnte, auch wenn sie dadurch eine Spielverderberin war. Sie musste noch Auto fahren und war auf ihren Führerschein angewiesen. Außerdem trank sie lieber Wein und hatte dem prickelndem Nass noch nie etwas abgewinnen können, und tagsüber, das ging nur im Urlaub, in einem südlichen Land, bei einem entspannten Essen, zu dem nur Wein passte.

      So, jetzt hatte Rosmarie gepunktet, und das genoss sie.

      Es war nur schade, dass Inge jetzt nicht begeistert ausrief: »Baooh, wie toll!«

      Nun, Rosmarie nahm es ihr nicht übel, sie kannte Inge und wusste, dass die eher bei einem schönem Gemälde, einem interessanten Buch oder einem Hortensienstrauch quietschen würde. Die beiden Frauen stritten selten miteinander und wenn, dann nur kurzzeitig. Im Grunde genommen respektierten sie sich gegenseitig, und das war schon sehr viel. Schließlich waren sie familiär miteinander verbandelt, wenn auch nur angeheiratet.

      Rosmarie genoss ihren Champagner, und Inge probierte den Café au lait, der gerade in dunkelbraunen, bauchigen, den typischen Tassen, serviert wurde.

      Er war köstlich, und auch wenn das ganze Ambiente nicht so ihr Ding war, würde Inge auf jeden Fall wegen des Kaffees wieder herkommen.

      Rosmarie stellte ihr Glas ab, sagte etwas von nicht zu viel versprochen zu haben, dann kam sie auf das, was sie wirklich interessierte.

      »Hast du mit Stella gesprochen?«, wollte sie wissen.

      Inge verstand zunächst diese Frage nicht ganz, weil sie oft mit ihrer Schwiegertochter telefonierte. Sie verstanden sich prächtig miteinander, und Inge dankte dem Himmel ständig, dass er ihr eine solche Schwiegertochter beschert hatte.

      »Ja.«

      »Sie war bei uns, hat sie darüber geredet?«

      Wieder kam nur ein einsilbiges: »Ja.«

      »Was hat sie gesagt?«, kam die nächste Frage.

      Das kannte Inge, Rosmarie liebte diese Art von Verhören, anders konnte man das nicht nennen, und sie war ziemlich schmerzfrei und dachte nicht einen Moment daran, dass sie mit solchen Fragen Persönlichkeitsrechte verletzte.

      »Du, nicht viel. Sie hat gesagt, dass sie eine Käsetorte gebacken hat und Fabian zufällig vorbeikam.«

      »Und deswegen hat sie angerufen?«

      »Nein, Rosmarie, deswegen nicht, das hat sie nur so ganz nebenbei erwähnt. Sie rief an, weil sie wissen wollte, wo ich den Stift gekauft habe, den Jörg von mir zum Geburtstag bekommen hat. Er hat ihn entweder verloren, oder man hat ihn gestohlen. Auf jeden Fall ist er untröstlich, und deswegen möchte Stella ihm einen neuen Stift schenken.«

      »Nun ja, Geld genug hat sie jetzt ja, um großzügig sein zu können«, bemerkte Rosmarie.

      Manchmal könnte Inge die andere wirklich schütteln.

      »Rosmarie, der Stift hat zwanzig Euro gekostet, es ist also keine Investition, über die es sich zu reden lohnt. Und wenn du jetzt gleich sagst, dass zwanzig Euro für ein Geburtstagsgeschenk ziemlich dürftig sind, dann antworte ich. Finde ich nicht. Es kommt nicht auf Quantität an. Einen solchen Stift wünschte Jörg sich schon lange, mit dieser ganz besonderen Mine, und ich war froh, ihm diesen Wunsch erfüllen zu können. Wir haben lange schon aufgehört, uns großartige Geschenke zu machen, kleine Aufmerksamkeiten sind bei den Erwachsenen angesagt, Geschenke, an denen der Beschenkte erkennt, dass man sich seinetwegen Gedanken gemacht hat. Bei den Kindern ist es anders, die können Wünsche äußern und bekommen sie erfüllt, wenn sie nicht ausufern.«

      Das war als kleiner Seitenhieb gedacht, denn die Rückerts beschenkten ihre Enkel in einer Weise, die nicht einmal die Queen Elizabeth für ihre Enkel angebracht hielte. Die war in dieser Hinsicht sehr sparsam, um nicht zu sagen, geizig.

      Inge brauchte nicht die Queen als Maßstab oder Vorbild.

      Sie schenkte gern, doch es musste im Rahmen bleiben.

      Im Grunde genommen war alles gesagt worden, allerdings nicht für Rosmarie Rückert. Das lag teilweise ganz gewiss daran, dass sie es nicht zugeben würde, insgeheim jedoch ahnte, dass sie sich ihren Kindern gegenüber nicht so verhielt, wie sich eine Mutter verhalten sollte.

      »Noch mal, Inge, sonst hat Stella nichts gesagt?«, wollte sie wissen.

      »Nein, Rosmarie, sonst hat sie nichts gesagt. Eigentlich müsstest du deine Tochter so gut kennen, um zu wissen, dass sie keine Plaudertasche ist, dass sie nicht über andere Leute spricht, auch nicht über ihre Mutter. Und außerdem – warum sollte sie es gerade mir gegenüber tun?«

      »Weil du und sie …«

      Rosmarie Rückert brach ihren Satz ab.

      Nein, das wollte sie nun wirklich nicht sagen, das würde ja so etwas wie das Zugeben einer Schwäche bedeuten.

      Inge Auerbach mischte sich grundsätzlich nicht in die Angelegenheiten anderer Menschen ein, auch nicht in die ihrer Kinder und nicht in die der angeheirateten Familie. Doch jetzt glaubte sie, etwas sagen zu müssen, sagen zu dürfen.

      »Rosmarie, es geht mich nichts an, und du musst wissen, was du tust. Ich finde, und das ist allein


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