Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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      Roberta zögerte.

      Lust hatte sie eigentlich schon, aber …

      Ehe sie über das »aber« nachdenken konnte, fuhr er fort: »Das ist eine Einladung.«

      Sie sah an sich herunter.

      »Die Schuhe ziehst du aus, und eine Jacke habe ich für dich, draußen kannst du nicht in diesem Blüschen auf dem Boot sitzen.«

      Für ihn war alles so einfach, so selbstverständlich. Er hinterfragte nichts, war nicht beleidigt, dass sie, trotz ihres Versprechens, nicht gekommen war. Auf einmal fühlte Roberta sich unternehmungslustig und unglaublich jung.

      Sie stimmte in sein Lachen mit ein, und während sie sich bereits die Schuhe auszog, sagte sie: »Ja, eine gute Idee, ich nehme die Einladung dankend an. Es ist gefühlte Ewigkeiten her, seit ich zum letzten Mal in einem Segelboot saß.«

      Er grinste. »Das verlernt man auch nicht, und ich denke, dass du gut bist, ich freue mich. Also los.«

      Es dauerte nicht mehr lange, bis sie das Boot ins Wasser schieben konnten, und dann ging es los. Er war ein Ass, und sie war auch nicht schlecht. Bei einer Segelregatta hätten sie gute, nein, sehr gute Karten gehabt, den obersten Platz auf dem Siegertreppchen zu erobern.

      *

      Als sie sich nach diesem ­unglaublichen Bootstrip ihre Schuhe wieder anzog, ihm seine Jacke zurückgab, fühlte Roberta sich wie an Weihnachten und Ostern zugleich.

      Alles war von ihr abgefallen.

      Sorgen?

      Welche Sorgen denn?

      Stress?

      Was war das?

      Natürlich hatte es Spaß gemacht, auch ihm zu zeigen, dass sie ebenfalls etwas vom Segeln verstand. Der Wind, die frische Brise, das wilde Gekreische der Möwen. Alles war­ ganz wunderbar gewesen, doch das Unglaublichste war die Gegenwart dieses Mannes gewesen, der ruhig, entspannt, kompetent …

      Sie hörte auf, er war nicht zu beschreiben, weil er so anders war.

      Jemand wie dieser Kay Holl war ihr noch nie zuvor begegnet.

      Sie würde gern mehr über ihn erfahren, doch sie traute sich nicht, Fragen zu stellen, weil sie nicht als neugierig erscheinen wollte, zumal er überhaupt nichts wissen wollte.

      Seiner Einladung auf einen Wein widerstand sie. Sie hatte noch nichts gegessen, schon der erste Schluck würde seine Wirkung haben.

      Sie lehnte ab, entschuldigte sich damit, nach einem langen Arbeitstag müde zu sein.

      Jetzt hätte er einhaken können, das hätte vermutlich jeder andere getan, hätte sich erkundigt, was sie denn so machte.

      Von ihm kam keine Frage, er sagte nur: »Schade, dann eben ein andermal. Es war schön mit dir.«

      Sie hatte einen Kloß im Hals, nickte, bedankte sich nochmals, dann hastete sie davon.

      Kein besonderer Abgang, doch es war nicht nur dass sie hungrig war, es war auch seine Gegenwart, die sie irritierte.

      Schade, dass er nicht älter war.

      Du liebe Güte, wohin verirrten sich ihre Gedanken?

      Kein neuer Mann, keine Probleme!

      Dennoch, eines interessierte sie schon … Wer war er?

      *

      Roberta hatte ihr Haus beinahe erreicht, als mit quietschenden Bremsen ein schnittiger Sportwagen neben ihr hielt, eine junge Frau ausstieg, auf sie zukam.

      »Frau Dr. Steinfeld?«

      »Ja, ich bin Roberta Steinfeld«, antwortete sie und musterte die Frau. Wer war sie? Sie hatte sie bislang noch nicht gesehen.

      »Und ich bin Sandra, eigentlich Alexandra Münster und wohne dort oben.«

      Sie zeigte in Richtung Felsenburg, die nicht zu übersehen war, weil diese alte Burgruine die ganze Gegend dominierte.

      Roberta wusste sofort Bescheid, denn Enno hatte auch über die Leute von »da oben«, wie er sich ausgedrückt hatte, gesprochen, allerdings nur Gutes.

      Dann erzählte sie Roberta, dass sie bereits einige Versuche unternommen hatte, sie einzuladen, aber immer gescheitert war, weil sie nicht daheim gewesen oder die Praxis überfüllt gewesen war.

      »Ich bin froh, Sie jetzt zufällig zu treffen, Frau Doktor«, sagte Sandra, »wir möchten Sie nämlich einladen, zu einem kleinen geselligen Beisammensein unter Freunden und guten Bekannten, das allerdings schon am Sonnabend stattfinden soll …, ich weiß, dass man Einladungen nicht so kurzfristig ausspricht, doch, wie gesagt, ich konnte Sie nicht erreichen und wollte Sie auf jeden Fall persönlich einladen.«

      Eine reizende Frau, Roberta nahm die Einladung dankend an. Von Enno wusste sie, dass er und seine Frau keine dieser Einladungen ausgelassen hatten.

      Es war eine nette Geste, Sie mit einzubeziehen.

      Sandra freute sich, doch ihr war anzusehen, dass sie noch etwas auf dem Herzen hatte und dass es ihr ein wenig peinlich war, darüber zu sprechen.

      Schließlich fasste sie sich ein Herz.

      »Frau Doktor, da gibt es noch etwas, was Sie wissen sollten, ehe es Ihnen von anderer Seite zugetragen wird und Sie es …, nun ja, banal ausgedrückt, in den falschen Hals bekommen.«

      Roberta konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

      Von Enno wusste sie, dass die Bewohner vom Erlenhof, dem Herrenhaus, Marianne von Rieding und ihr Mann Carlo Heimberg und die Münsters, die in der Dependance lebten, hochangesehene Leute waren, von denen konnte überhaupt nichts Negatives kommen.

      »Und was sollte ich wissen, Frau Münster?«, erkundigte Roberta sich.

      »Nun … nun, wir konnten es nicht fassen, wie sehr die Leute hier Sie ignorierten. Von Professor Auerbach wussten wir, welch ein Glück es für uns ist, eine so hochqualifizierte Nachfolgerin für den Doktor Riedel zu bekommen. Und Inge Auerbach hat mir halt erzählt, dass niemand in die Praxis kommt.«

      Ehe Roberta ihr erzählen konnte, dass sich das mittlerweile geändert hatte, fuhr Sandra fort: »Ich … wir … hatten die Idee, für Sie so eine Art Willkommensparty auszurichten, damit Sie Menschen kennenlernen, damit man vor allem Sie kennenlernt …, nun, im Grunde genommen ist die Party überflüssig, die Praxis brummt, seit es da diesen Artikel über Sie gab.«

      Roberta antwortete nicht sofort, weil sie gerührt war, welche Sorgen man sich ihretwegen gemacht hatte. In der Stadt wäre niemand auf so etwas gekommen.

      »Danke, Frau Münster, ich finde das ganz großartig von Ihnen, und ich bin sehr berührt. Nachdem ich das jetzt weiß, komme ich noch viel lieber zu der Party.«

      Sandra atmete insgeheim auf.

      »Großartig, dann will ich Sie jetzt nicht länger aufhalten. Neunzehn Uhr, ist Ihnen das recht?«

      Es war Roberta recht, und nachdem das alles nun geklärt war, stieg Sandra, sehr erleichtert, in ihr Auto und fuhr los, wie immer, viel zu schnell.

      Roberta ging langsam und ein wenig nachdenklich auf ihr Haus zu, nun, noch war es nicht ihr Haus, noch hatte sie es von Enno gemietet mit der Option, es kaufen zu können, wenn sie es denn wollte.

      Wie rührend …

      Sich ihretwegen solche Gedanken zu machen …

      Sie freute sich auf den Samstag, und sie fragte sich, ob sich Kay Holl wohl auch unter den Gästen befinden würde.

      Kay Holl …

      Nun war es aber gut. Sie musste aufhören, an ihn zu denken. So einfach war es nicht. Noch war sie ihm ganz nah, weil der unverhoffte Ausflug auf dem Segelboot, dieses schnittige Dahingleiten so unglaublich schön gewesen war.

      *

      Werner Auerbach war nach London


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