Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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      Es war kein Patient, sondern eine Patientin, die eigentlich ganz nett war. Schwierig mit ihr war nur, dass sie sich im Fernsehen alle nur möglichen Gesundheitssendungen ansah und nun glaubte, Bescheid zu wissen, aber auch das eine oder andere Symptom für eine Krankheit an sich zu erkennen.

      Roberta begrüßte die Frau freundlich, bat sie Platz zu nehmen, und dann musste sie gar nicht erst nach irgendwelchen Beschwerden fragen.

      Sie saß kaum, als es aus der Patientin bereits förmlich herausplatzte: »Frau Doktor, dieses Schwindelgefühl deutet ganz eindeutig auf einen leichten Schlaganfall hin.«

      Am liebsten hätte Roberta jetzt die Augen verdreht.

      »Nein, Frau Huber, das hat eindeutig mit Ihrem zweiten Halswirbel zu tun. Das haben die Untersuchungen in der ­Klinik, beim Hals-, Nasen- und­ Ohrenarzt ergeben, der auch ausschließen konnte, dass es im Innenohr eine Störung gibt.«

      »Aber gestern habe ich in …«

      Roberta unterbrach die Frau. »Frau Huber, statt sich all diese Sendungen anzusehen und daraus Rückschlüsse auf sich zu ziehen, sollten Sie die Übungen machen, und Sie sollten die Termine beim Physiotherapeuten nicht ständig ausfallen lassen. Mit einer ­manuellen Therapie, dazu mit ­Packungen aus Naturfango ginge es Ihnen längst besser.«

      Frau Huber wollte ihre Erkenntnisse an den Mann bringen, doch Roberta blieb hart. Anfangs hatte sie das noch belustigt hingenommen, aber jetzt übertrieb die Gute.

      Ihre Mitarbeiterin Ursel Hellenbrink steckte den Kopf zur Tür herein, sprach von einem Notfall.

      Roberta wusste nicht ob das jetzt echt war oder ob Ursel ihr nur helfen wollte, die Patientin loszuwerden. Sie waren ein hervorragendes Team, und Roberta hatte noch nie mit jemandem so gut zusammengearbeitet wie mit dieser Frau.

      »Ich komme sofort«, sagte sie. Ursel ging, Roberta erhob sich, entschuldigte sich bei Frau Huber und verabschiedete sich von ihr.

      Ob die gute Frau nun beleidigt war oder nicht, konnte Roberta nicht erkennen, aber, wenn sie ehrlich war, wäre sie nicht einmal böse, wenn Frau Huber nicht mehr zu ihr in die Praxis käme.

      Sie stahl ihr Zeit, die Roberta für Patienten, die ihre Hilfe wirklich nötig hatten, benötigte.

      *

      Roberta freute sich wirklich auf den Abend bei den Münsters, es war ein schöner Abschluss nach einer arbeitsreichen Woche.

      Am Wochenende hatte sie frei, sie war für keinen Notdienst eingeplant, und wenn es spät werden sollte, hatte sie die Gewissheit, dass sie am nächsten Morgen ausschlafen konnte.

      Und vielleicht würde sie danach zum See wandern, sich bei Kay Holl ein Boot ausleihen. Sollte er ebenfalls Gast bei den Münsters sein, dann würde sie das gleich perfekt machen.

      Hatte sie sich seinetwegen überlegt, was sie anziehen sollte? Er ging ihr nicht aus dem Kopf, weil er ein so außergewöhnlicher Mann war, dessen Ausgeglichenheit und Ruhe sie faszinierte. Wenn man von jemandem sprach, der in sich ruhte, dann konnte man ihn als leuchtendes Beispiel vorführen. Natürlich sah er auch fantastisch aus, aber das war es nicht. Es war eher etwas, was sie vorsichtig sein ließ. So etwas hatte sie bereits gehabt, mit schmerzlichem Ausgang, und sie würde auf jeden Fall künftighin an die Worte ihrer Freundin Nicki denken, die immer sagte: »Von einem schönen Teller isst man nicht.«

      Aber solche Gedanken musste sie sich nicht machen, sie wollte mit Kay keine Beziehung eingehen, aber sich mit ihm anfreunden? Warum nicht?

      Im Übrigen war sie neugierig, und die Frage, wer er war, welche Vergangenheit er hatte, interessierte sie schon.

      Auf jeden Fall fühlte Roberta sich in ihrem taupefarbenen Leinenkleid sehr wohl. Sie hatte damals lange überlegt, ob sie es sich kaufen sollte, weil es ziemlich teuer war. Doch das edle Leinen und der Schnitt hatten sie überzeugt. Und dann hatte sie auch noch festgestellt, dass sie ein Paar Schuhe in genau dieser Farbe besaß.

      Sie hatte sich entschlossen, den Weg zum Herrenhaus zu Fuß zurückzulegen. Sie konnte ihren Patienten nicht immer eindringlich ans Herz legen, sich mehr zu bewegen und es für sich selbst ignorieren.

      Autos fuhren an ihr vorbei, und als sie oben ankam, sah sie, dass schon viele Gäste da waren.

      Es war ein milder Sommerabend. Wegen der großen Terrassen, der herrschaftlichen Räume, vor allem wegen des wundervollen Parks, hatte man alles ins Herrenhaus verlegt. Da waren die Bewohner hier oben sehr flexibel. Drinnen war ein fantastisches Buffet aufgebaut, und die Gäste hatten die Wahl, selbst zu entscheiden, wo sie speisen wollten, drinnen oder draußen.

      Es war ein beeindruckendes, ein herrliches Ambiente, und die Ruine der Felsenburg vervollkommnete das Besondere.

      Allmählich begriff Roberta, warum man sich so sehr darum riss, von den Münsters, von Marianne von Rieding und deren Ehemann Carlo Heimberg eingeladen zu werden.

      Alles hatte Stil, und die Gastgeber verstanden es, nicht eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft einzuladen, sondern Menschen, die zueinander passten, die sich etwas zu sagen hatten.

      Sandra Münster kam sofort auf sie zugelaufen, als sie Roberta entdeckte. Auch sie hatte ein Kleid an, blaugrundig mit kleinen Blümchen, einem Mille-Fleur-Muster, das Roberta an jeder Frau schön fand, nur an sich nicht. Sie fand diese Mille-Fleurs ganz wundervoll, hatte sich sogar selbst einmal ein Kleid mit einem solchen Muster gekauft, war begeistert davon gewesen. Nicht lange, denn ihr Exmann hatte es ihr gründlich vermiest, indem er ihr zugerufen hatte, sie möge doch, um Himmels willen, diese schreckliche Kittelschürze ausziehen. So etwas prägte. Leider manchmal auch für immer.

      Sandra Münster sah auf jeden Fall entzückend aus, und sie war wirklich eine äußerst sympathische Frau.

      Sie begrüßte Roberta freudig, die sich nochmals artig für die Einladung bedankte und Sandra einen Umschlag in die Hand drückte.

      Die Münsters wünschten sich weder Blumen noch Gastgeschenke, sondern stellten es ihren Gästen frei, wenn sie wollten, einen Umschlag dazulassen mit einer mehr oder weniger großen Geldspende.

      Sandra, ihr Mann ebenfalls, spendeten großzügig, und es gab immer ein Projekt, das sie unterstützten.

      Diesmal war es, es konnte durchaus sein, wegen des ­Zwischenfalls am See, für eine Initiative, die sich dafür stark machte, dass Kinder das Schwimmen erlernten. Es war erschreckend, dass es viele Kinder und Jugendliche nicht konnten.

      Sandra vergaß nie, dass sie zwar schwimmen konnte, aber auch nicht viel besessen hatte außer einem klangvollen Namen … von Rieding.

      Ihr Großvater, den sie niemals kennengelernt hatte, wollte mit ihr und ihrer Mutter nichts zu tun haben, weil er nicht damit einverstanden gewesen war, dass sein Sohn eine Frau geheiratet hatte, die er liebte und keine, die sein Vater für ihn vorgesehen hatte.

      Das hatte er ihm nie verziehen, und selbst als sein Sohn verstorben war, war er unversöhnlich geblieben.

      Sandra und ihre Mutter waren höchst erstaunt gewesen, dass der alte Baron ihnen seinen gesamten Besitz vermacht hatte. Manchmal ging das Leben wirklich seltsame Wege.

      Anfangs war es nicht einfach gewesen, sie hatten sich auch nicht sonderlich wohlgefühlt. Doch das war längst vorbei, im Herrenhaus, in der Dependance, waren das Glück eingekehrt.

      Sandra machte Roberta mit einigen Leuten bekannt, als sie schließlich auf die Terrasse ­kamen, sahen sie Teresa und Magnus von Roth, sowie Inge und Werner Auerbach.

      Roberta war froh, sich zu ihnen gesellen zu können, und sowohl die von Roths als auch die Auerbachs schienen erfreut zu sein, die junge Ärztin zu sehen.

      Sie baten sie zu sich, und das ließ Roberta sich nicht zweimal sagen, es war der perfekte Platz, um von hier aus alles zu sehen, ohne andauernd hallo sagen zu müssen, weil der Tisch ein wenig in der Ecke stand.

      Roberta sah sich ein wenig unauffällig um, doch sie konnte Kay Holl nicht entdecken, was sie ein wenig enttäuschte.

      Konnte


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