Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg
Was hätte sie sich denn dann gewünscht?
Nun ja …
So richtig traute sie sich nicht, daran zu denken, weil es schon ein wenig verrückt war und bestimmt nur ihrer derzeitigen Stimmung entsprach, die ein wenig sentimental war.
Man spürte deutlich den neuen Tag, und um den nicht zu verschlafen oder ihm mit dicken Augen zu begegnen, sollte sie schleunigst ins Bett gehen.
Sie stand auf, nahm das Glas mit hinein, und wenig später lag sie in ihrem Bett, kuschelte sich in ihre weiche, seidige Decke und lächelte.
Es war schön gewesen, irgendwann würde sie auch ein paar Leute zu sich einladen. Platz hatte sie genug.
Über die Gedanken, wen sie einladen würde, schlief sie ein, noch immer mit einem Lächeln.
*
Roberta schreckte hoch, versuchte, sich zurechtzufinden, und da hörte sie es erneut. Es wurde ganz heftig an ihrer Tür geklingelt, und davon war sie wach geworden.
Ein Notfall, schoss es ihr durch den Kopf, und ohne zu überlegen, barfuß, in ihrem feinen Batistnachthemd, rannte sie zur Tür, riss sie auf.
Sie prallte zurück!
Sie hätte mit allem gerechnet, damit nicht.
Von wegen Notfall!
Vor ihrer Tür stand Max, ihr Exmann!
Sie starrte ihn an wie eine Fata Morgana, dann fiel ihr Blick auf eine kleine Wanduhr, die in der Diele hing.
Es war noch keine acht Uhr!
»Was willst du denn hier?«, erkundigte sie sich, als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte.
»Ich muss mit dir reden.«
Was sagte er da?
»Max, weißt du, wie spät es ist?«
Er zuckte die Achseln.
»Ich kenne dich nur als Frühaufsteherin, aber hier in der Pampa scheint alles anders zu laufen, nun ja, viel mehr als essen, schlafen und fernsehen ist hier wohl auch nicht drin. Darf ich reinkommen, oder willst du mich vor der Tür stehen lassen, Roberta? Ich habe nämlich noch eine Verabredung, die ich unbedingt einhalten muss. Es macht keinen guten Eindruck, direkt zum ersten Date zu spät zu kommen.«
Er hatte sich nicht verändert.
Sollte sie es sich wirklich antun, ihn ins Haus zu lassen, oder sollte sie ihm einfach die Tür vor der Nase zuschlagen?
Sie hatte zu lange gezögert, das ging nicht, denn er schob sich einfach an ihr vorbei, und sie hatte keine Wahl, als die Tür zu schließen und ihm zu folgen.
»Sieht alles noch ein bisschen kahl aus«, bemerkte er.
»Tja, das ist alles, was du mir nicht wegnehmen konntest, weil ich es mit in die Ehe brachte«, konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen. Sie hätte noch viel mehr sagen können, doch welchen Sinn sollte das machen?
Also wiederholte sie ihre Frage: »Was willst du, Max?«
Sie bot ihm keinen Platz an, doch das ignorierte er, setzte sich, wollte einen Kaffee haben, den sie ihm allerdings nicht verweigerte, weil sie den auch brauchte.
Sie ging in die Küche, ihre Gedanken überschlugen sich.
Was wollte er von ihr?
Sie waren geschieden, es war alles geregelt.
Trieb die Neugier ihn hierher?
Sie wusste es nicht, und es war auch müßig, darüber nachzudenken.
Als sie mit dem Kaffee aus der Küche kam, bemerkte sie, wie er sie anstarrte.
»Du siehst gut aus«, sagte er, »und in diesem dünnen Nachthemd ganz schön sexy. Da kann man ja gleich auf ganz andere Gedanken kommen.«
Das war Max!
Sie ignorierte die Bemerkung, schob ihm seinen Kaffeebecher zu, heiß, süß, mit viel Milch.
So etwas wusste man, wenn man so viele Jahre verheiratet gewesen war.
Sie trank ihren Kaffee schwarz, trank etwas, spürte, wie ihre Lebensgeister wieder erwachten.
Sie sah ihn an, er hatte verloren, sah verlebt aus, was bei seinem Lebenswandel auch kein Wunder war.
»Max, jetzt frage ich dich zum dritten und letzten Mal, was du von mir willst.«
Welch ein Glück, dass sie saß, denn das, was er nun von sich gab, war geradezu ungeheuerlich.
»Ich will dir ein Angebot machen. Ich möchte, dass du bei mir wieder einsteigst. Das hier kann ja nun wirklich nicht dein Leben sein, bei mir hast du die Chance, wieder wer zu sein. Ich werde dich selbstverständlich entsprechend bezahlen.«
Roberta sagte nichts, schaute ihn nur an.
Er deutete ihr Schweigen falsch.
»Meinetwegen biete ich dir auch eine Partnerschaft an.«
Es war ungeheuerlich.
Es war ihre Praxis gewesen, sie hatte Geld, ihr ganzes Know-how hineingesteckt. Sie hatte gearbeitet von Montag bis Sonntag, hatte so manches Mal überhaupt nicht gewusst, welcher Tag eigentlich war. Und er, er war in seinem weißen Kittel mehr oder weniger nur herumstolziert, hatte die Patientinnen und die Mitarbeiterinnen angemacht. War einfach nicht in die Praxis gekommen, wenn er da etwas laufen hatte, und nun war er hier und bot ihr eine Stelle an.
Dreister ging es ja wohl nicht!
Roberta wollte erst anfangen zu toben, doch dann riss sie sich zusammen. Derjenige, der emotional bewegt war, war immer in der schwächeren Position, das wusste sie aus Erfahrung.
Also riss sie sich zusammen. Man konnte daran fühlen, dass er in der Bredouille war, sie wusste es sogar. Die Patienten blieben weg. Er hatte sogar schon Personal entlassen müssen.
Sie trank einen Schluck Kaffee, stellte bedächtig den Becher auf den Tisch, dann sagte sie: »Du, Max, ich finde es wirklich sehr nett, dass du an mich denkst, dass du dir meinetwegen Gedanken machst. Das musst du nicht, ich bin mit dem, was ich hier habe, sehr zufrieden. Du wolltest unsere Praxis haben, oder soll ich sagen, du hast sie dir unter den Nagel gerissen? Ich habe verzichtet, und dabei soll es bleiben. Ich bitte dich, jetzt zu gehen. Und, Max, bitte komme niemals wieder hierher. Und rufe mich auch nicht mehr an. Das Band zwischen uns ist zerschnitten, für immer.«
Sie wollte ihm an den Kopf werfen, für wie blöd er sie eigentlich hielt. Sie tat es nicht.
Er kannte sie anders, weinend, schreiend.
Er war irritiert.
Doch er war noch nicht bereit aufzugeben, weil es bei ihm um alles ging. Er war ein grottenschlechter Arzt, das hatten die Patienten längst erkannt. Und nach Roberta fragten sie immer noch und blieben weg, weil sie nicht mehr da war.
»Nun, ich gebe zu, dass da einiges dumm gelaufen ist. Du, wenn du noch Möbel oder was anderes haben willst, bitte schön, kein Problem. Es ist eh fast alles eingelagert. Und das mit der Praxis. Roberta, du bist gut, du bist hervorragend, und du brauchst Herausforderungen. Das hier kann es ja nun wirklich nicht für dich sein. Das ist, entschuldige bitte, Perlen vor die Säue geworfen.«
Sie konnte ihn und sein dummes Geschwätz nicht mehr ertragen. Was hatte sie bloß an ihm gefunden? Enno Riedel und die anderen Freunde von früher hatten es auch nicht begreifen können, dass sie sich für Max entschieden hatte. Sie waren schlauer gewesen, doch das brachte sie nicht weiter. Geschehen war geschehen. Und das war nicht zu korrigieren und auch nicht auszuradieren.
»Max, du solltest jetzt wirklich gehen, sonst kommst du noch zu spät zu deinem Date.«
Sie stand einfach auf, schickte sich an, den Raum zu verlassen.
Er starrte sie an, konnte es nicht glauben, doch dann hatte er keine andere Wahl, er musste ihr folgen.
Natürlich