Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Worte rauschten an ihr vorbei wie der Wind durch die Linde.

      Sein plötzliches Auftauchen war unangenehm, doch es hatte auch etwas Gutes.

      Jetzt war sie endgültig geheilt!

      Sie sagte nichts mehr, weil alles gesagt worden war, sie riss die Haustür auf.

      Sie hätte jetzt triumphieren und ihm an den Kopf werfen können, dass er an allem selbst schuld war. Sie hätte ihm sagen können, dass seine Frauengeschichten ihn vollkommen an den Abgrund bringen würden, dass er sich besinnen musste, um nicht seine Existenz zu verlieren.

      Sie sagte nichts. Es ging sie nichts an. Und sie triumphierte auch nicht, weil ihm das um die Ohren flog, was sie aufgebaut hatte. Und das tat ein bisschen weh, diese mangelnde Wertschätzung.

      Er machte noch einen Versuch. »Und du willst es dir wirklich nicht überlegen? Die Praxis war dein Baby.«

      Das hätte er jetzt nicht sagen dürfen, dazu musste sie sich äußern.

      »Stimmt, aber du hast es mir brutal entrissen. Mach’s gut, Max. Ich will dich niemals mehr sehen und auch nie mehr etwas von dir hören.«

      Sie schlug die Haustür zu, lehnte sich für einen Moment von innen dagegen.

      Schreck in der Morgenstunde nannte man wohl das, was sie gerade erlebt hatte.

      Jetzt brauchte sie noch einen Kaffee, dann würde sie unter die Dusche gehen, sich was anziehen und ein Stück am See entlanglaufen, um sich zu beruhigen. Aber eines stand auf jeden Fall fest. Sie würde die andere Richtung nehmen.

      Dr. Max Steinfeld tauchte einfach hier auf, damit sie für ihn die Kastanien aus dem Feuer holte.

      Wie dreist war das denn?

      Hatte er wirklich geglaubt, sie würde auf sein Angebot hereinfallen?

      Sie riss die Terrassentür auf, weil noch immer der Duft seines After Shaves im Raum hing. Das brauchte sie auch nicht, ganz gewiss nicht, und mit spitzen Fingern trug sie auch seinen Kaffeebecher in die Küche und steckte ihn sofort in den Geschirrspüler.

      So, und nun konnte sie duschen gehen, und wenn sie zurückkam, dann war auch das Letzte, was an ihn erinnerte, verflogen.

      *

      Monika und Hubert Lingen verließen als Letzte das Notariat. Sie hatten noch ein paar Fragen an Heinz Rückert.

      Nun war es also geschehen!

      Der »Seeblick« war verkauft, und obwohl sie es doch beide so gewollt hatten, war es ein komisches Gefühl, das in ihnen war.

      Sie hatten viele Jahre im Sonnenwinkel verbracht, es hatte gute und schlechte Zeiten gegeben.

      Jetzt war der Weg zu Ende.

      Sie würden das, was sie mitnehmen wollten, zusammenpacken, das letzte versprochene Essen geben, und danach würde ein anderer im Seeblick schalten und walten, ein sehr netter junger Italiener, Roberto Andoni, noch dazu jemand, der aus Rom stammte.

      Bei einer solchen Konstellation konnte man an Mafia oder ähnliche Strukturen denken, zumal Andoni widerstandslos den geforderten Kaufpreis gezahlt hatte, ohne einen Cent herunterzuhandeln.

      Heinz Rückert hatte Andoni überprüft und nichts Dubioses feststellen können.

      Er hatte im Internet den Seeblick gesehen, sich darin verliebt und sich entschlossen, ein italienisches Restaurant daraus zu machen.

      Ein Restaurant, keine Pizzeria, wenngleich es natürlich auch Pizza im Angebot geben würde.

      Nun, wenn sie an ihre Anfänge zurückdachten, dann waren sie auf ähnliche Weise hergekommen. Es war wohl wirklich so, dass das, was auf den Weg kommen sollte auch kam.

      Sie würden ihr Leben neu ordnen müssen, und ein Anfang war bereits gemacht. In dem geerbten Mehrfamilienhaus war eine Wohnung frei geworden, und die ließen sie augenblicklich für sich herrichten.

      Sie waren nicht mehr in dem Alter, in dem man, ohne feste Adresse, mit dem Rucksack durch die Welt ziehen konnte.

      Das Umherziehen war eh nicht geplant, der Jakobsweg schon. Und ansonsten?

      Sie waren offen für alles und mussten sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, keine Verpflichtungen mehr zu haben, mit ihrer Zeit anfangen zu können was sie wollten. So etwas musste auch erst wieder gelernt werden.

      Sie gingen zum Parkplatz, auf dem sie ihr Auto abgestellt hatten.

      Monika blieb stehen.

      »Hubsi, bitte kneif mich mal.«

      Ein wenig irritiert schaute er sie an, dann begriff er, lachte und zwickte sie leicht.

      »Du willst dich davon überzeugen, dass alles wahr ist, dass du nicht träumst.«

      Monika nickte, dann sagte sie: »Guck mal nach oben, siehst du die rosarote Wolke am Himmel? Was meinst du, ist es die Wolke sieben? Wenn ja, dann möchte ich genau dort mit dir sein.«

      Er legte einen Arm beschützend auf ihre Schulter.

      »Es ist die Wolke acht«, lachte er, »aber ob sieben, acht oder fünf. Das spielt keine Rolle. Wir müssen uns nichts zusammenträumen. Unser Leben findet hier unten statt, und mit dir an meiner Seite, Monilein, ist das Leben auch hier ein ganz wunderbarer Traum.«

      Er war wieder so weich geworden, so sensibel. Ganz wie früher. In den letzten Jahren war davon nichts mehr zu spüren gewesen. Sie war gerührt, berührt, und sie musste sich sehr bemühen, vor lauter Sentimentalität die Tränen zurückzuhalten.

      »Trinken wir noch irgendwo etwas?«, wollte er wissen.

      Sie, noch immer stumm vor lauter Glück, schüttelte den Kopf. »Nein, lass uns nach Hause fah…«

      Unvermittelt brach sie ihren Satz ab. Es war nicht mehr ihr Zuhause. Sie hatten es verkauft.

      Spürte er, was in ihr vorging?

      »Liebes, es ist immer schwer, Altes, auch wenn man es nicht mehr liebt, zu verlassen, wegzugeben, zu vergessen. Erinnerst du dich an das rote Kleid, das du niemals geliebt hast, allein schon nicht wegen der Farbe. Du hast es kaum getragen, und doch hattest du Probleme damit, es zu entsorgen. Du hast es dreimal mindestens aus dem Kleidersack wieder heraus­geholt.« Dieser Vergleich hinkte zwar ein wenig, dennoch brachte er Monika zum lachen.

      Ja, sie konnte sich erinnern.

      Dann wollte sie zurück zum Seeblick.

      Und als sie dort ankamen, zeigte sich alles von seiner schönsten Seite.

      Das Haus, die Terrasse, das Grundstück, der fantastische Blick hinunter zum See, auf dem sich die Wellen kräuselten, auf dem die Enten und Schwäne schwammen, die Boote dahinglitten und über den auf majestätische Weise die Möwen hinwegflogen.

      Es war schön, es war wunderschön.

      Und merkwürdig.

      So sentimental sie nach der Vertragsunterzeichnung beim Notar auch noch gewesen war, jetzt war sie es nicht mehr. Dabei hätte sie gerade jetzt, bei dieser Postkartenansicht, allen Grund dazu.

      Fast schien es, als habe jemand in ihr einen Hebel umgelegt. Sie konnte loslassen, weil alles seine Zeit hatte.

      Und Trennungen mussten nicht immer schmerzhaft sein, nicht immer etwas Zerstörerisches haben.

      Man konnte sich auch in Frieden trennen.

      »Hubsi, es ist so schön. Komm, setzen wir uns für einen Augenblick auf die Terrasse und genießen diesen herrlichen Blick. Weißt du noch? Damals, als wir zum ersten Mal herkamen, schien ebenfalls die Sonne und wir konnten von diesem herrlichen Blick nicht genug bekommen.«

      Er nickte.

      »Ich erinnere mich, mein Schatz – ein Deja-vu. So wie jetzt sollten wir den ›Seeblick‹ in Erinnerung behalten.«

      Sie nickte, denn ein wenig ergriffen war sie schon.


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