Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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habe Sie auf dem See gesehen, Frau Doktor«, sagte sie, »in einem Segelboot, zusammen mit dem charmanten Herrn Holl.«

      Hoffentlich sah man jetzt nicht dass sie errötete wie ein Teenie.

      »Und was ist dabei, Teresa?«, wollte ihr Mann wissen.

      Das hatte ausgereicht, sie ihre Fassung zurückgewinnen zu lassen.

      »Ja, stimmt, ich habe mir da auch schon ein Ruderboot geliehen«, bemerkte Roberta und wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang.

      Sofort hakte Teresa ein.

      »Ach ja, richtig, mit dem waren Sie ja unterwegs, als Sie das Kind retteten.«

      »Teresa«, rief ihr Mann.

      »Mein Gott, Magnus, stimmt doch, man konnte es sogar in der Zeitung lesen.«

      »Das bedeutet nicht, dass du es wieder hervorholen musst, meine Liebe. Du bedrängst die Frau Doktor richtig.«

      Da widersprach seine Frau aber sofort. »Ist doch nicht wahr. Ich finde es toll, was sie gemacht hat, und dass sie mit Kay Holl unterwegs ist, gefällt mir auch. Er ist ein so toller Mann. Finden Sie nicht auch, Frau Doktor?«

      Roberta zuckte die Achseln. »Dazu kann ich nichts sagen, ich weiß nichts über ihn. Aber ja, er ist sehr sympathisch, und von Booten versteht er auch etwas.«

      Teresa war in ihrem Element, in der Regel war sie nicht schwatzsüchtig, aber sie hatte Kay in ihr Herz geschlossen und bedauerte zutiefst, dass sie keine Enkelin oder Urenkelin hatte, die sie mit Kay zusammenbringen konnte. Die eine war vergeben, die anderen zu jung.

      »Kay besaß eine große, bekannte Werbeagentur«, sagte sie und beugte sich ein wenig zu Roberta hinüber, »die hat er Knall auf Fall aufgegeben, als er merkte, dass er ein Leben führte, bei dem man in dieser Form nicht alt werden konnte.«

      »Ist er für eine große Werbeagentur nicht zu jung?«, erkundigte Roberta sich. »So etwas erarbeitet man sich doch erst mit den Jahren.«

      Teresa lachte.

      »Wenn sie so wollen, war Kay so etwas wie ein Wunderkind, ein Genie ist er noch immer. Auf jeden Fall hat er schon als Schüler viel Geld verdient, indem er für Werbeagenturen arbeitete, und das war auch als Student so. Er hatte also mehr als nur einen Fuß drin, als er sich selbstständig machte. Es kam zu großen Kooperationen mit amerikanischen und australischen Agenturen, und er war irgendwann so etwas wie ein Hamster in seinem Rädchen. Er hat gearbeitet, gearbeitet, auf einem Flug von Hongkong nach New York hatte er einen Zusammenbruch, und es wäre beinahe irgendwo zu einer Zwischenlandung gekommen, und da hat er gemerkt, dass das nicht alles sein konnte.«

      »Woher wissen Sie das eigentlich alles, Frau von Roth? Ich halte ihn nicht unbedingt für sehr redselig«, bemerkte Roberta, die natürlich mit sehr großem Interesse zugehört hatte, was hoffentlich von niemandem bemerkt worden war.

      »Kay und ich sind Freunde«, antwortete sie, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt, »und ich habe ihn einfach gefragt. Einer alten Frau schlägt man so leicht keinen Wunsch ab.«

      »Aber eine alte Frau sollte jetzt endlich die Klappe halten«, mischte Magnus von Roth sich ein. Aber das war nicht böse gemeint, das merkte man seiner Stimme an. »Hier sitzen noch andere Leute am Tisch, die sich vielleicht gern ein wenig mit der Frau Doktor unterhalten würden. Inge und Werner verdrehen bereits die Augen.«

      Ehe es allerdings zu einer allgemeinen Unterhaltung kam, trat Sandra an ihren Tisch.

      »Meine Lieben, ich muss euch jetzt für einen Augenblick die Frau Doktor Steinfeld entführen. Mama, mein Schwiegervater, vor allem mein Mann, möchten sie gern kennenlernen, und da gibt es auch noch ein paar andere Leute, die darauf brennen.«

      Als sie die enttäuschten Gesichter bemerkte, sagte sie beschwichtigend: »Keine Sorge, ich bringe sie euch zurück.«

      Roberta fand es nicht besonders prickelnd, herumgereicht zu werden, mit allen nur möglichen Leuten Small Talk zu machen.

      Jetzt allerdings war sie froh, für einen Moment nicht mehr am Tisch sitzen zu müssen. Das, was Teresa von Roth ihr da über Kay Holl erzählt hatte, war interessant, es verwirrte sie allerdings auch, warum auch immer.

      Dass er nicht dumm war, hatte sie daran erkannt, wie er sich ausdrückte. Für einen Aussteiger hätte sie ihn allerdings nicht gehalten.

      Sie fragte sich allerdings, welchen Weg er wohl gegangen sein mochte, um von einem Karriereneurotiker, der sich offensichtlich in der Kurve selbst überholt hatte, zu einem so entspannten, in sich ruhenden Menschen zu werden.

      Das interessierte sie.

      Würde sie es je erfahren?

      Sie hatten Marianne von Rieding erreicht, die nicht weniger herzlich war als ihre Tochter, und auch Carlo Heimberg war ein sehr sympathischer Mann, dem nicht anzumerken war, dass er ein erfolgreicher Architekt war, vielfach preisgekrönt, und mit dem Sonnenwinkel hatte er auch etwas Besonderes geschaffen.

      Es gehörte schon sehr viel Sensibilität dazu, zu etwas Bestehendem Neues zu schaffen und es zu einer Einheit zu vereinen.

      Auch Felix Münster gefiel ihr, der seinen Reichtum in keiner Weise nach Außen kehrte.

      Ja, sie war richtig froh, hergekommen zu sein, und sie würde ganz gewiss auch weiteren Einladungen folgen.

      Sandras Einladung war nur an Sonnenwinkler erfolgt, weil der Grund ursprünglich gewesen war, Roberta auf diese Weise Patienten zuzuführen. Das war nun zum Glück nicht mehr nötig, aber dennoch freute Roberta sich, wirklich nette Leute kennenzulernen.

      Schade war, dass die Auerbach-Kinder nicht dabei waren, die sonst nicht fehlten, weil sie mit Sandra und Anhang eng verbandelt waren.

      Es war ein wunderbares Beisammensein, und der Caterer, der das Buffet geliefert hatte, war ein Meister seines Fachs.

      Die Getränke waren erlesen, die Stimmung perfekt. Und gute Gespräche rissen nicht ab.

      Was wollte man mehr!

      *

      Die ersten Vögel begannen schon zu zwitschern, als Roberta, als eine der Ersten, das gelungene Fest verließ.

      Es hatte aber auch alles gepasst, eine laue Nacht, die wie Samt auf der Haut war, und ein unglaublicher Sternenhimmel.

      Roberta hatte sogar eine Sternschnuppe gesehen, bei deren Anblick man sich ja etwas wünschen konnte. Doch ehe es dazu gekommen war, war sie verglüht. Und Roberta hatte daraus wieder einmal etwas gelernt …, nämlich, dass man manchmal ganz spontan sein musste und handeln, ohne den Verstand einzuschalten.

      In ihrem Haus angekommen, ja, so nannte sie es mittlerweile bereits, ohne dass es ihr schon gehörte, konnte sie noch nicht gleich ins Bett gehen.

      Sie holte sich etwas zu trinken und setzte sich auf die Terrasse, lauschte den Geräuschen der Nacht und des heraufkommenden Morgens.

      Sie dachte an Kay Holl, an das, was sie über ihn gehört hatte. Im Grunde genommen war sie auch eine Aussteigerin. Von einer Großstadtpraxis, die beinahe schon Privatklinikcharakter hatte, in die tiefste Provinz. Von vielen Angestellten hin zu einer einzigen Mitarbeiterin. Kay hatte seine Entscheidung von sich aus getroffen, sie war wegen ihrer Scheidung dazu gezwungen worden, sonst wäre sie gewissermaßen noch immer so was wie der Hamster in seinem Rädchen.

      War es nicht ein Glück, dass es so gekommen war?

      Sie gewann immer mehr an Lebensqualität hinzu, und über fehlende Patienten musste sie sich auch nicht mehr beklagen, und nach diesem Abend würde sie noch mehr hinzugewinnen. Alles nette Leute, die aber auch, wenn sie Bedarf gehabt hätten, so gekommen wären.

      Die Menschen, die man »da oben« antraf, gingen nicht aus lauter Neugier irgendwohin.

      Roberta trank etwas, stellte ihr Glas wieder ab.

      Ja, sie hatte die richtige Entscheidung getroffen, sie hatte Glück gehabt.

      Sie


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