Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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Einakter und auch nicht an die Szeneneinteilung der opera seria gebunden. Sie wurden in der Regel nur einmal aufgeführt und nahmen neben der opera seria den zweiten Rang ein21. Deshalb wurde dem jungen Mozart das Festspiel, Hasse aber die Oper übertragen.

      Parini22 hatte in "Ascanio in Alba" (K.-V. 111, S.V. 6 mit Waldersees R.-B.) allen Ansprüchen einer Festlichkeit, wie die Vermählung des Erzherzogs Ferdinand mit der Herzogin Marie Beatrix eine war, zu genügen gesucht. Götter, Helden und Schäfer sind die handelnden Personen, es fehlt nicht an Dekorationen, Chören und Balletten, schmeichelhafte Anspielungen sind nicht gespart. Für die Ausführung waren ausgezeichnete Künstler berufen23, wie das Verzeichnis der Personen ausweist:

       Venere Signora Falchini (Seconda

       donna, Soprano).

       Ascanio Signore Manzuoli (Primo

       uomo, Mezzosoprano).

       Silvia ninfa del sangue Signora Girelli (Prima

       d'Ercole donna, Soprano).

       Aceste sacerdote Signore Tibaldi (Tenore).

       Fauno uno dei principali Signore Solzi (Soprano).24

       pastori

       Venus steigt mit einem großen Gefolge von Genien und ihrem Enkel Ascanio vom Himmel herab und verkündet ihm, daß sie ihn in diesem ihrem Lieblingslande mit der schönen Nymphe Silvia, aus Herkules Stamm, vermählen wolle. Silvia aber gesteht dem Priester Aceste, daß sie bereits einen ihr im Traum erschienenen schönen Jüngling liebe. Ascanio beschließt auf den Rat der Göttin, zunächst Silvia unerkannt zu beobachten und zu prüfen. Diese hat unterdessen von Aceste erfahren, daß Venus sie mit Ascanio vermählen und ihnen eine neue Stadt gründen werde. Als deren erstes Gebäude zaubern die Genien im Zwischenaktsballett einen prachtvollen Tempel hervor. Im zweiten Akt werden die Liebenden nach verschiedenen Mißverständnissen schließlich von Venus vereinigt, die den Enkel an seine Herrscherpflichten erinnert und zum Schluß wieder zum Olymp emporschwebt.

      Die Schilderung, die Fauno von der Schutzgöttin des Landes entwirft, die Anrede des Aceste an die scheidende Venus und deren eigene Worte enthalten so deutliche Anspielungen auf Maria Theresia, daß ein Verkennen nicht denkbar war; daß die Kaiserin mit Venus gleichgestellt wurde, erregte gar kein Bedenken. Auch Silvia aus dem Geschlecht des Herkules – ihr Vater führte den in der Familie Este häufigen Namen Ercole –, die Schülerin der Minerva und der Musen, das Muster der Tugend und Bescheidenheit, ist deutlich die Prinzessin Beatrix, deren Verstand, literarische Begabung und Liebenswürdigkeit allgemein gelobt wurden25. Vom Erzherzog Ferdinand war weniger zu sagen, es bleibt bei dem angefangenen Porträt eines blonden Jünglings mit Rosenwangen. Charakteristisch ist es, daß, wie lebhaft auch die auf Schönheit und geistige Vorzüge gegründete, gegenseitige Neigung hervorgehoben wird, doch, wie sich es für eine fürstliche Vermählung schickt, die Unterwerfung der Neigung unter die Pflicht als das Höchste gepriesen wird. Die Vermählung war nicht ohne Schwierigkeiten zustande gekommen26; auch war man nicht ohne Sorge um das Verhältnis des jungen Paares27.

      Die 480 Seiten in zwei Bänden umfassende Originalpartitur enthält 22 Nummern. Von der acht Nummern zählenden Ballettmusik ist nur die von einem Kopisten geschriebene Baßstimme erhalten28.

      Mozarts Serenade ist zwar weder dramatisch noch für die innere Entwicklung ihres Schöpfers von besonderer Bedeutung, aber sie hat doch vor sehr vielen ihresgleichen, z.B. auch vor Glucks "Nozze d'Ercole e d'Ebe" (1747)29 einen großen Vorzug voraus: sie erfüllt ihren Zweck durch glücklich gewählte, lebendige Abwechslung. Schon der Beginn bot den Zuhörern, wenn auch nicht vollständig Neues, so doch Ungewöhnliches. Gleich nach dem ersten Allegro der Sinfonie, das übrigens in Bau und Geist den beiden analogen Sätzen der Opern aufs Haar gleicht, hebt sich der Vorhang30, und das Andante wird nicht allein gespielt, sondern auch getanzt, und zwar nach L. Mozart31 von "elf Weibspersonen, nämlich acht Genien und den Grazien, oder acht Grazien und drei Deessen". Im letzten Allegro tritt zu einem Tanz von 16 Personen noch ein Chor von 32 Köpfen hinzu.

      Dieser Vorliebe für den Chor hatte das Werk wohl hauptsächlich seinen Erfolg zu verdanken. Wahrscheinlich waren die Chöre ein Zugeständnis an den Wiener Brauch, der, wie das Beispiel Glucks32 zeigt, auch in derartigen Gelegenheitsstücken den Chor nicht missen mochte; fünf davon sind außerdem mit Tänzen verbunden, zwei selbständig. Die meisten kehren dem Gang der Handlung entsprechend wieder, so gleich der zweite (3) nicht weniger als fünfmal. Es ist ein pastoral gefärbter Männerchor (Tenor und Baß), begleitet von Flöten, Oboen, Hörnern, Fagotten, Celli und Bässen und mit seinen häufigen Wiederholungen der eigentliche Träger des arkadischen Grundtones des Ganzen. Sein Gegenstück sind die beiden Frauenchöre des zweiten Teils (20, 24), die beide durch lebendige Stimmführung ausgezeichnet sind; der zweite, dreistimmige, drückt mit seinem kanonischen Einsatz die Aufregung der Mädchen über Silvias Benehmen mit überraschender Anschaulichkeit aus. Auch die vierstimmigen Chöre, deren homophoner Charakter durch sinnvolle kleine Imitationen nicht berührt wird, sind von trefflicher Wirkung. Der ebenfalls mehrmals wiederkehrende Jubelchor (2), der den ersten Teil umrahmt, ragt besonders durch seinen, bei den Wiederholungen weggelassenen Mittelteil hervor, worin die Gruppen der Männer und Frauen auseinandertreten. Am bedeutendsten aber ist der durch ein großes Crescendo eingeführte, nach kleinen Seccopartien zweimal wiederholte Chor "Scendi celeste Venere" (28), ein merkwürdig hochgestimmtes Stück, dessen dunkler gefärbter Mittelteil auch dem ehrfürchtigen Schauer vor der Gottheit einen glücklichen Ausdruck verleiht.

      Das Terzett (31), das ebenfalls in seinem letzten Teil später wiederholt wird, zeigt nach einem rein musikalischen Andante im Allegro einzelne Ansätze zur Charakteristik und kann damit als Vorläufer des Terzetts im "Lucio Silla" gelten.

      Die meist in gedrängter dreiteiliger Form33 gehaltenen Arien sind noch um einige Grade unpersönlicher gehalten als in den Opern. In der Arie der Silvia (19) hat sich Mozart der vier Hörner des Mitridate, in der des Ascanio (25) in Verbindung mit Streichern, Flöten, Fagotten und Hörnern der alten Serpentini aus der Familie der Zinken34 erinnert. Zu größerer Kraft schwingt sich der Ausdruck nur selten auf, wie z.B. am Schlusse von Silvias Arie (23) mit ihrem an den späteren Mozart gemahnenden, sehnsüchtigen Drängen und der schönen, voll aber ruhig austönenden Schlußphrase (Part. S. 144), deren Eindruck nur durch die angehängten modischen Seufzer wieder abgeschwächt wird.

      Auch die begleiteten Rezitative stehen denen der Opern nach. An einigen (I 2, II 2) ist der Versuch, nach dem Vorgang der "Demofoonte-Szene" den Orchesterpart einheitlicher zu gestalten und auch einzelne Textpartien zu wiederholen, bemerkenswert. Auch im Secco heben sich nur einzelne Partien durch einen wärmeren Ausdruck heraus.

      Die acht Ballettsätze, in denen auf einen raschen Teil stets ein langsamerer folgt35, sind, soweit es sich nach der Baßstimme erkennen läßt, Tanzsätze im Stile von Deller, Rudolph und Starzer gewesen; programmatische Aufgaben waren offenbar nicht zu lösen. Nur das Largo (7) weist eine etwas freiere Form auf. Nr. 1–2 sind zweiteilig, 3–4 dreiteilig (4 in Da-capo-Form), Nr. 5 ist ein französisches Rondo mit Minore, ebenso das "Finale", in dessen Minore der Baß überhaupt aussetzt; es war also offenbar eine Trioepisode. Das ganze Finale war allem Anschein nach eine "Contredanse", mit der die Komponisten mit Vorliebe ihre Ballette zu schließen pflegten36.

      Das zweite Festspiel, der 1772 komponierte "Sogno di Scipione" (K.-V. 126, S.V. 7 mit Gr. Waldersees R.-B.), ist gleichfalls ein allegorischer Einakter nach klassischen Mustern37.

       Dem jüngeren Scipio, der im Palaste des Massinissa eingeschlafen ist, erscheinen die Standhaftigkeit (Costanza) und das Glück (Fortuna) und verlangen, daß er entscheide, welche von ihnen er zur Führerin durchs Leben wählen wolle. Auch seine abgeschiedenen


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