"Wer seiner Seele Flügel gibt …". Renate Holm
Beim 2. Festival internazionale della canzone konnte ich mit der italienischen Tarantella Chi sa den ersten Preis für Deutschland gewinnen.
Erinnerungen an meine Filmzeit
Szenenfotos aus einem meiner wichtigsten Filme: Schön ist die Welt mit Rudolf Schock. Dieser Film war das Sprungbrett an die Wiener Volksoper und der Grundstein für meine spätere Opernkarriere.
Meine erste Rolle an der Wiener Volksoper war die Prinzessin Helene in der Operette Ein Walzertraum von Oscar Straus mit dem berühmten Schwipslied, das mir gleich zum Durchbruch verhalf. Mein erster Bühnenpartner war der wunderbare Fred Liewehr als Niki – unforgettable …
Doch plötzlich gab es wieder eine 180-Grad-Wende! Ich erhielt ein Telegramm aus Wien mit dem Angebot, an der Wiener Volksoper im Walzertraum die Partie der Prinzessin Helene zu singen. Mit einem Schlag rückte mein Traum, Opernsängerin zu werden, in unmittelbare Nähe! Und wieder war Mut gefragt, denn zur selben Zeit bekam ich ein Angebot, in Berlin im Theater des Westens in der deutschsprachigen Erstaufführung von My Fair Lady die Rolle der Eliza zu übernehmen. Hätte ich die Eliza gesungen, wäre mein Weg wahrscheinlich in Richtung Musical gegangen … Aber ich entschied mich für die klassische Musik und folgte dem Ruf nach Wien und habe es nie bereut!
Wohin letztendlich die Reise führt, konnte man im Vorhinein natürlich nicht genau wissen. Das Glück ist eben ein Vogerl … Aber du kannst – und das war immer meine Hoffnung – dein Möglichstes tun, dein Allerbestes geben, damit du gut vorbereitet bist, wenn es nach dir ruft …
Dass dieser aus tiefstem Herzen kommende Wunsch, Sängerin zu werden, in Erfüllung gegangen ist, war für mich der unangefochtene Beweis dafür, dass es eine höhere Macht gibt, der ich bis zum heutigen Tag in allen schicksalhaften Momenten vertrauen kann.
»Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin, deswegen muss ich nächstens wieder hin. Die Seligkeiten vergangener Zeiten sind alle noch in meinem Koffer drin. Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin. Der bleibt auch dort und das hat seinen Sinn. Auf diese Weise lohnt sich die Reise, denn, wenn ich Sehnsucht hab’, dann fahr’ ich wieder hin.«
Auszug aus dem Lied
ICH HAB’ NOCH EINEN KOFFER IN BERLIN …
Mein Gott, ich freu’ mich, dass ich endlich wieder Zeit gefunden habe, nach Berlin zu reisen! Ich sitze im Flugzeug und genieße den herrlichen Ausblick. Auch nach sechzig Jahren Wien–Berlin hat der Landeanflug nichts von seinem Reiz verloren. Heute ist klares, sonniges Wetter, und man kann die vielen kleinen Seen im Berliner Umland ganz genau erkennen. Dann beginnt die Stadt und man fliegt – im Unterschied zu Wien – ziemlich lange und sehr dicht über die Häuser. Wenn man abends ankommt, sieht das aus der Vogelperspektive wie ein riesiges Lichtermeer aus. Ich bin jedes Mal fasziniert, wie groß mein Berlin ist …
Die Landung ist ebenfalls ein ganz besonderer Moment für mich: Tiefes Ausatmen … dann dieses Gefühl: Jetzt bin ich daheim … Die erste Begegnung am Flughafen ist meist der Taxichauffeur, und da kommt gleich das zweite Heimatgefühl auf, wenn man in dem herrlichen Berliner Dialekt gefragt wird: »Wo woll’n Se denn hin?« (Früher wurde noch »Frolleinchen« dazugesagt …). Meine Antwort: »Bitte zum Hotel Kempinski am Kurfürstendamm!« Dann die nächste übliche Frage: »Na – von wo kommen Se denn?« Wenn ich sage: »Aus Wien!«, geht ein Strahlen über sein Gesicht und er gerät ins Schwärmen: »Ach, aus dem schönen Wien!« Und nach einem kurzen Blick in den Rückspiegel: »Sagen Se mal, Ihr Jesicht kenn ick doch von irgendwo! Sind Sie nicht die Sängerin vom Film? Na klar! Meine Mutter hat doch alle Ihre Schallplatten!« Und im Stillen denke ich mir: Heute habe ich Glück, denn meistens heißt es mittlerweile »meine Großmutter …« Was auch kein Wunder ist, schließlich sind meine Musikfilme schon über sechzig Jahre her … und hier in Berlin kennt man mich hauptsächlich aus meiner Schlager- und Filmzeit … Lachend verabschiede ich mich und schreibe natürlich noch ein Autogramm für die Frau Mama.
Nun bin ich angekommen in meinem geliebten Kempinski – ebenfalls seit nunmehr sechzig Jahren mein absolutes Lieblingshotel in Berlin. Leider werde ich jetzt nicht mehr in der Karajan-Suite übernachten, die vor einiger Zeit in zwei Doppelzimmer umgebaut worden ist, aber meinen Welcomedrink werde ich wie immer in der Gobelin-Halle einnehmen: Seit über 25 Jahren bringt mir derselbe Oberkellner meinen Lieblings-Cocktail: ein Teil Gin, ein Teil Wodka, ein Teil Martini (very dry!), zwei Oliven und ein kleines Stück Zitronenschale. Das Ganze wird mit etwas Eis gemixt (für mich allerdings nur ein Eiswürfel – wegen der Stimme …). Auf diesen Cocktail hat übrigens Queen Mum geschworen, und wie man weiß, ist sie 102 Jahre alt geworden – da könnte man doch fast von einem Anti-Aging-Drink sprechen!
Treffpunkt der Weltprominenz in Kempinskis Gobelin-Halle
Die Gobelin-Halle ist seit jeher ein beliebter Treffpunkt für viele Prominente dieser Welt. Herbert von Karajan war hier ebenso Stammgast wie Leonard Bernstein, Robert Stolz, Hildegard Knef, Romy Schneider, O. E. Hasse, Viktor de Kowa, Harald Juhnke oder die Kessler-Zwillinge. Das Kempinski war auch für den legendären Traumschiff-Produzenten Wolfgang Rademann sein zweites Wohnzimmer. Ich erinnere mich gut an unsere allererste Begegnung im Jahr 1953. Damals war gerade mein erster Film Schlagerparade in den Kinos, und Rademann war der erste Journalist, der ein Interview mit mir machte. So etwas vergisst man natürlich nicht … Von da an verband uns eine wunderbare Freundschaft, die bis zu seinem Tode anhielt.
Die Berliner Luft hat mir wieder so gutgetan, dass ich herrliche acht Stunden geschlafen habe. Am nächsten Tag ist das obligate Treffen mit meinem Berliner Fanclub. Dann wird meine Suite zu einem »Partyroom«. Aufgetischt werden: Berliner Buletten (Wiener Fleischlaberln), Berliner Kartoffelsalat (mit Mayonnaise und Salzgurke) und eine gute Flasche Sekt aus Deutschland. Als Nachtisch gibt es Käsekuchen (Topfentorte), den Irene nun schon seit mehr als fünfzig Jahren für mich bäckt. Dazu trinken wir eine Tasse Berliner Kaffee, für den ich von meinen Wiener Freunden ausgelacht werde, weil er so dünn ist, dass man – wie wir Berliner sagen – am Grund »ne« Landkarte erkennen kann. Aber dieser »Blümchenkaffee« hat immerhin den Vorteil, dass wir ein gesundes Herz haben! Und dann wird endlos erzählt, alle Neuigkeiten ausgetauscht, Autogramme geschrieben und zum Schluss muss ich ausführlich über meine Menagerie in meiner Mühle erzählen und Bilder zeigen.
Wenn ich daran denke, dass Marianne, Christel, Irene und Gitta den Berliner Renate-Holm-Fanclub im Jahre 1954 gegründet haben, und wir bis heute in Kontakt geblieben sind, ist das schon eine unglaubliche Geschichte … Ja, man kann sogar sagen, die vier gehören mittlerweile zum engsten Kern meiner Berliner Freunde.
In den Fünfzigerjahren waren Star-Fan-Clubs in Deutschland weit verbreitet und es gab in den verschiedenen Städten nach mir benannte Clubs, wobei klarerweise der Berliner Fanclub den engsten Kontakt zu mir pflegte.