"Wer seiner Seele Flügel gibt …". Renate Holm


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es gar nicht so einfach, in den Berliner Renate-Holm-Fanclub aufgenommen zu werden. Denn über Neuaufnahmen musste einstimmig entschieden werden! Ich erinnere mich, dass von etwa hundert Bewerbern damals nur zwanzig beitreten durften. Welche Kriterien dabei ausschlaggebend waren, weiß ich allerdings bis heute nicht …

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      Autogramme für den Berliner Fan-Club, zu dem auch die spätere Schauspielerin Karin Baal (in weißer Bluse hinter mir) gehörte

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      Bei einem Besuch in Berlin, kurz nach dem Mauerfall, kamen Erinnerungen an meine vielen Auftritte jenseits der Mauer im damaligen Ostdeutschland hoch. Wie unendlich schwierig es war, durch die Grenzkontrollen geschleust zu werden, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Aber der unglaubliche Erfolg – sei es an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, bei den großen Rundfunkkonzerten in Leipzig und Dresden oder bei den TV-Produktionen – und die Dankbarkeit des Publikums für meine Treue haben mich für alles entschädigt.

       Von der »Berliner Nachtigall« zum »Wiener Lercherl«

      In meiner Schlager- und Filmzeit wurde ich von Publikum und Presse als »Berliner Nachtigall« apostrophiert. Darauf legen meine Berliner Fans heute noch großen Wert! In Wien wurde aus der »Nachtigall« sofort das »Lercherl« – diese zauberhafte »Konkurrenz« meiner Berliner und Wiener Fans amüsiert mich schon ein Leben lang und erfüllt mich ein bisschen mit Stolz. Denn »Lercherl« und »Nachtigall« sind ja wirklich zwei außergewöhnlich schön singende Vögel …

      Inzwischen sind die Damen des Holm-Fanclubs seit Jahrzehnten verheiratet und ihre Ehemänner zählen ebenso zum Fan-Kreis wie ihre mittlerweile erwachsenen Kinder. Wenn ich sie so alle um mich habe, bin ich einfach nur glücklich und genieße es, nach Herzenslust zu reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist, denn das ist in Wien nicht wirklich möglich.

      Seit sechzig Jahren frage ich mich, warum das wohl so ist? Ich glaube, dass es sprachliche Barrieren sind. Obwohl wir ja an sich die gleiche Sprache sprechen, ist sie doch nicht dieselbe … Der Berliner macht kurze Sätze, der Wiener viele Umwege, längere Schlangensätze, um das zu sagen, worum es eigentlich geht. Diese Geduld haben wir Berliner nicht. Wir sind viel direkter! Der kurze Weg ist das Ziel. Das mag nicht so charmant wie das Wienerische sein, hat aber den Vorteil, dass nicht lange um den heißen Brei herumgeredet wird. Aber offensichtlich habe ich mir im Laufe der Jahre schon etwas von der Wiener Art angeeignet. Das merke ich spätestens, wenn meine Berliner Freunde oder meine Halbgeschwister Bianca und Oliver mitten im Gespräch plötzlich verwundert fragen: »Renate, was ist denn mit dir los? Was meinst du eigentlich? Komm doch mal auf den Punkt!« Und lachend ertappe ich mich dabei, dass ich anscheinend mit »Schlangensätzen« um den heißen Brei rede! Kurzum: Man spricht in Berlin »Tacheles«!

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      Es gibt noch einen Unterschied: In Wien wird ein bisschen viel »geraunzt« – das gehört irgendwie zum »typischen« Wiener dazu. Ich glaube, in Berlin halten wir uns da eher an das Sprichwort: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht!« Und ich hoffe, dass ich mir dieses Fünkchen Humor immer erhalten kann … Denn auch meine Wiener Freunde sagen mir oft: »Du mit deinem Humor schaffst es immer wieder, uns zum Lachen zu bringen. Und dafür lieben wir dich!« Humor ist für mich einfach sehr wichtig und ich glaube, gerade wenn man älter wird, ist es ganz wesentlich, dass er einem nicht abhandenkommt. Das ist zugegebenermaßen nicht immer einfach. Besonders dann nicht, wenn man merkt, dass die Energie und Kraft, die man immer im Übermaß hatte, einem da und dort Grenzen setzt. – Das muss man lernen zu akzeptieren … und dann sage ich mir: Auch die Flügel von einer »Nachtigall« und einem »Lercherl« werden im Laufe der Jahre schwerer und das Fliegen bekommt ein anderes Tempo. Doch selbst wenn der Flügelschlag verlangsamt ist, kann man sein Ziel erreichen!

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      Die Woche in Berlin verging viel zu schnell. – Schon bin ich wieder im Flugzeug und kaum, dass ich Platz genommen habe, klingt es bereits verbindlich Wienerisch: »Möchten Sie Tee oder Kaffeeee?« Worauf ich antworte: »Bitte einen Kaffee und viel Milch!« Eine Stunde später hört man durch den Lautsprecher: »Bitte anschnallen, wir landen in Kürze in Wien« – und ich freue mich darauf und denke mir: Berlin ist meine Heimatstadt

       … und ein Koffer bleibt immer dort

      und das hat seinen Sinn,

      denn wenn ich Sehnsucht hab’,

       dann fahr’ ich wieder hin …

      Aber Wien ist meine künstlerische Heimatstadt, in der ich nunmehr mein sechzigstes Bühnenjubiläum feiern darf …

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      Nach der Landung steige ich in ein Taxi ein und höre lustigerweise ähnliche Worte wie in Berlin, nur eben »umgekehrt« und auf Wienerisch: »Jööö, die gnä’ Frau kommt aus Berlin! Des is a tolle Stadt!« Und während ich mich mit dem »Taxler« unterhalte, sagt er plötzlich: Na, gnä Frau, für a Berlinerin reden Sie aber sehr gut Wienerisch!« Hoppla, denke ich, bin ich vielleicht im Laufe der Jahre doch schon ein bisschen eine »wienerische Berlinerin« geworden? – In den Augen von meinem wunderbaren Freund Marcel Prawy (einem der größten Opernführer, die es je gab), der 1991 das folgende Vorwort zu meinem Buch Ein Leben nach Spielplan verfasst hat, ist mir das vielleicht sogar einigermaßen gelungen:

       Renate Holm, geliebte wienerische Berlinerin!

       Ich habe den Sommer des Jahres 1957, wie die meisten meiner Sommer, in Newark bei New York im Hause von Maria Jeritza verbracht und habe ununterbrochen eine ihr ganz dumm vorkommende Zeile gesungen: »Im Kopf ein kleines Schwipserl …«

      Jedes Mal sagte sie: »Prawičky, was singst du da für Blödsinn, was ist das für eine Oper?« Und ich konnte ihr das nicht erklären.

      Es war das Lied, das Renate Holm im Walzertraum 1957 in der Wiener Volksoper gesungen hat – in einer so bezaubernden Weise, mit einem so bemerkenswerten Vortrag und so einem einprägsamen Stimmklang, dass es mir nicht aus den Ohren und nicht aus dem Hirn gegangen ist.

      Ich war bei ihrem ersten Vorsingen an der Wiener Volksoper dabei. Dass es dazu kam, hat tiefe Wiener kulturpolitische Hintergründe, die man vielleicht heute nicht mehr so ganz versteht. Im Jahr 1956 war dieser ungeheure Erfolg von Kiss me Kate gewesen, dem ersten Musical in amerikanischem Stil in Europa. Daraufhin hat man in der Volksoper – sehr zu Unrecht – gefürchtet, dass diese Musicals, die ich bringe, die Operette totschlagen werden oder totschlagen wollen, was niemand beabsichtigte. Man hat dann überall nach außerordentlichen Dingen auf dem Gebiet der Operette gesucht, um ein attraktives Gegengewicht zum Musical zu schaffen.

      Es wurde Hubert Marischka engagiert, den Walzertraum zu inszenieren, und man wollte eine besonders interessante Be -setzung auftreiben. Hubert Marischka hatte uns gesagt, er könnte Renate Holm dafür interessieren. Darauf meinten alle: Das ist ja absolut lächerlich, das wird sie doch niemals machen. Sie war damals noch blutjung, aber bereits ein populärer Filmstar, war durch ihre Filme mit Rudolf Schock und anderen wirklich schon ein Begriff. Wir dachten, die wird doch nie im Leben an die Volksoper kommen und dort Operette singen. Aber sie kam.

       Ich erinnere mich an ihr phänomenales Vorsingen. Sie hat mir eigentlich vom ersten Augenblick eine große Bewunderung eingeflößt, weil sie etwas gemacht hat, von dem viele schon gesagt haben, dass sie’s tun, aber Renate Holm war die einzige, die es dann wirklich getan hat: Sie hat am Höhepunkt einer sehr schönen Filmkarriere gesagt, damit ist Schluss,


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