Im Bett mit dem Teufel. Dolores Schmidinger

Im Bett mit dem Teufel - Dolores Schmidinger


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und die großen, braunen Augen sind immer sehr sorgfältig geschminkt. Ein ehemaliger Freund hat »Rehlein« zu ihr gesagt. Aber Rita »hat nun mal«, wie sie gerne Wilhelm Busch zitiert, »einen Hang zum Küchenpersonal.«

      Sie steht auf verschwitzte Männer mit Muskeln und einer Reihe von Vorstrafen. Eine unglückselige Veranlagung für eine wohlerzogene Arzttochter.

      Aber diesmal ist es die Eva, die ein Problem hat. Sie möchte einerseits mit diesem Kaunitz Hackenberg in Kontakt treten, andrerseits aber ihre Ehe nicht aufs Spiel setzen.

      »Der Paul muss ja nichts erfahren. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß!«, zitiert jetzt die Rita ihre Oma. »Außerdem – vielleicht ist er verheiratet oder impotent oder schwul. Hast du gewusst«, sagt sie dann versonnen, »dass der blonde Bühnenarbeiter mit der Vokuhila-Frisur im Bett zu Höchstleistungen fähig ist?«

      Am Abend, nachdem die Eva die Franziska schlafen gelegt hat, holt sie das Telefonbuch aus der Lade. Sie will es gerade aufschlagen, da kommt der Paul nach Hause und sie führt ihn geradewegs ins Schlafzimmer.

      Am nächsten Tag steht die Eva sehr zeitig auf, denn sie muss um halb sechs in der Maske sein. Es gibt einen Drehtag für eine Komödie mit dem fantasielosen Namen »Das verlorene Glück«, und die Eva spielt die Freundin des verheirateten Liebhabers und kauft am Brunnenmarkt Zwetschgen ein, um ihn zu verführen.

      Als Aufenthaltsraum für die Crew hat man das Extrazimmer einer Konditorei auf der Neulerchenfelderstraße gemietet. Zwei Stunden später fällt »Klappe … die vierte« und die Eva sagt ihren Text:

      »Ich möchte bitte ein halbes Kilo von den schönen Pflaumen da.«

      (Die Eva muss »Pflaumen« sagen und nicht »Zwetschgen«, denn der Film wird von einer deutschen Filmfirma mitfinanziert.)

      Der türkische Kleindarsteller, der als Standler verkleidet ist, nimmt ein Papiersackerl und sagt seinen Text: »Schöne Pflaumen für eine schöne Frau!«

      »Aus!«, schreit der Regisseur, »Herr Güner, man versteht ja kein Wort! Deutlich! Schöne Pflaumen für eine schöne Frau!«, er zieht die Silben in die Länge, als ob der Herr Güner nicht Deutsch könnte.

      »So müssen Sie das sagen!«

      Der Regisseur ist eigentlich mit allen Schauspielern per Du, nur beim Herrn Güner macht er eine Ausnahme. Er will demonstrieren, dass man zu unseren türkischstämmigen Mitbürgern höflich sein soll.

      »Klappe … die fünfte.« Und wieder:

      »Ich möchte bitte ein halbes Kilo von den schönen Pflaumen da!«

      Endlich ist die Szene im Kasten und es beginnt das Warten auf die nächste Einstellung – »Totale, Eva geht mit den Pflaumen zwischen den Ständen entlang.«

      Ein Standler mit einer blauen Schürze und einem Strohhut kommt daher. Er trägt einen Korb mit Gemüse.

      »Entschuldigen«, sagt er zur Eva, »Sie sind doch die Frau Traxler?«

      »Ja«, sagt die Eva, will in ihrer Tasche nach den Autogrammkarten suchen.

      »Ich habe den Bio-Stand da hinten«, sagt der Mann, »ich soll Ihnen das bringen, von einem Verehrer«, und er übergibt ihr den Korb.

      Drinnen sind Brokkoli, Paradeiser, Zucchini und ein großer, weißer Rettich, kunstvoll nebeneinander geschlichtet. Obenauf eine Karte aus Büttenpapier »Herzliche Grüße vom Rosenkavalier Joachim Kaunitz Hackenberg«.

      Evas Herz macht eine kleine Rhythmusstörung. Kaunitz Hackenberg? Der Mann vom Friedhof?

      Der Bio-Standler sagt: »Alles rein biologisch! Wir sind ein Musterbetrieb! Na dann – bis zum nächsten Mal!«, und er geht in die Richtung seines Standes, vor dem ein großes Sauerkrautfass steht.

      »Na, das ist aber ein lieber Verehrer«, sagt die Regieassistentin, eine rundliche Person mit einer Hornbrille. Sie steht neben der Eva und hat die Szene mitverfolgt.

      Die Eva starrt auf den weißen Rettich, als plötzlich hinter dem Käsestand der Mann vom Friedhof auftaucht.

      »Keine Angst«, sagt er, »Sie werden nicht von mir verfolgt, ich wohne hier gleich um die Ecke. Ich habe erfahren, dass hier gefilmt wird, und wollte ein bisschen zuschauen. Ich bin nämlich auch Schauspieler.«

      Die Eva, die sonst eher zu viel redet, ist sprachlos.

      »Und da hab ich gesehen, dass Sie hier mitmachen«, er lacht, und sie bemerkt, dass seine beiden Wangen je ein Grübchen haben.

      Bei näherer Betrachtung ist er überhaupt eine angenehme Erscheinung. Bei Theaterproduktionen würde man ihn mit komischen Rollen besetzen, denn abgesehen von seinen Grübchen hat sein Gesicht etwas Liebenswertes, Fröhliches. Seine grauen Augen sind leicht schräg gestellt, und die buschigen Brauen darüber lassen in der Mitte Platz für eine Senkrechtfalte. Kleine Ohren, runder Hinterkopf.

      Sein Lachen ist ansteckend und die Eva lacht jetzt auch. »Na dann gehen wir in der Mittagspause vielleicht auf einen Kaffee?«, sagt sie.

      »Ich habe heute keine Zeit«, antwortet er, »drei Schüler!« Jetzt wird er ein bisschen wichtigtuerisch. »Wissen Sie, ich gebe Privatstunden in Sprachgestaltung! ›Starke Scheite schichtet mir dort am Rande des Rheines zuhauf!‹«, deklamiert er und betont dabei jeden Konsonanten. »Aber am Freitagnachmittag würde es passen. Kommen Sie zu mir, mein Kaffee ist der beste, frisch gemahlen. Und ich werde einen Ribiselkuchen machen!«

      No, der geht’s aber flott an, denkt die Eva und sagt: »Ich weiß nicht …«

      »Natürlich alles in Ehren, ich weiß doch, dass Sie verheiratet sind. Die Ehe ist ein Zentrum der Ich-Kraft, sie darf nicht zerstört werden durch das Begierden-Leben. Wir müssen unsere Lust zügeln, um uns des Ätherleibes bewusst zu werden.«

      Die Eva hat keine Ahnung, wovon er redet, und es fällt ihr ein, dass sie am Freitag eigentlich mit der Franziska in den Prater hätte gehen wollen. Aber das kann man ja eine Woche verschieben.

      »Freitag um drei könnte ich vielleicht kommen, aber da muss ich einen Termin verschieben«, fügt sie hinzu, damit er sich nicht einbildet, er sei etwas Wichtiges in ihrem Leben.

      »Wenn Sie den Freitag nicht für Ihre Familie reserviert haben? …«

      »Nein, nein, das geht schon in Ordnung!« Sie hat jetzt ein wenig hastig zugesagt. Er soll ja nicht glauben …

      »Das wird mich freuen«, sagt er. »Ich wohne wie gesagt gleich um die Ecke. Gaullachergasse 72. Ich erwarte Sie.«

      »Wir könnten eigentlich Du zueinander sagen …«

      »Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, bleibe ich beim Sie«, antwortet er. »Also, wir sehen uns.« Und er verschwindet wieder hinter dem Käsestand an der Ecke.

      Die Eva steht vor der Gaullachergasse 72. Es ist ein einstöckiges Biedermeierhaus, gelb gestrichen, in den Fenstern im ersten Stock Blumenkästchen mit roten Geranien. Im Erdgeschoß ist die Fassade mit einem Regenbogen bemalt und in den Fenstern kann man frisch gewaschene, weiße Leinenvorhänge sehen. Über dem Regenbogen gibt es ein Schild aus Holz, wo der Schriftzug »Kindergarten Immerfroh« eingeschnitzt ist. Dahinter hört man, wie zur Begleitung einer Gitarre einige Kinder ein Lied singen.

      Auch die Franziska ist jetzt in ihrem Kindergarten, und dem Paul hat die Eva gesagt, dass sie mit der Rita ins Schafbergbad geht. Und dort war sie auch bis vor einer halben Stunde. Dann hat sie sich das Sonnenöl weggeduscht und ihre neue Wäschegarnitur angezogen. BH und Höschen in einem unschuldigen Weiß, drüber ein grünes Sommerkleid, das ihre schönen, gebräunten Beine zeigt. Und einen Hauch Eau de Parfum, nicht zu süß, ihre Lieblingsmarke Chanel Nr. 19.

      Es gibt zwei Klingeln, neben einer steht »Kindergarten«, neben der anderen sein Name. »Joachim Kaunitz Hackenberg.« Sie läutet. Keine Reaktion. Sie läutet ein zweites Mal, diesmal länger – nichts. Nach dem dritten Läuten will sie sich umdrehen und gehen. Vielleicht ein wenig enttäuscht, aber im Grunde erleichtert, dass sie der Versuchung noch einmal entkommen ist. Plötzlich


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