Redemption Road: Vergebung. Katie Ashley
etwas nicht?“
Er schüttelte kurz den Kopf. „Bevor ich dich untersuche, muss ich dich etwas fragen.“
„Okay“, sagte ich gespannt.
Dann nahm er etwas aus seiner Tasche. Als er es hochhielt, schnappte ich nach Luft. Es war der Smaragdring, den ich kurz getragen hatte. Mir war noch gar nicht aufgefallen, dass er fort war. Sicherlich hatten sie ihn mir vor der OP abgenommen. „Mein Ring.“
„Dein Ring?“, fragte er in einem vorwurfsvollen Ton.
Ich schrumpfte etwas in die Kissen zurück. „Ja, er gehört mir. Er war ein Geschenk von jemandem, und ich hätte ihn gern wieder.“
„Wer hat ihn dir gegeben?“, wollte er wissen.
„Ein … Mädchen.“ Unter seinem intensiven Blick musste ich schwer schlucken. „Gestern oder vorgestern, ich weiß es nicht mehr so genau.“
Seine Wut ließ etwas nach. „Hatte sie rotes Haar?“
Ich war überrascht. „Woher wissen Sie das?“
Ein schmerzlicher Ausdruck erschien in seinem Gesicht. „Weil sie meine Tochter war.“
In mir zog sich alles zusammen. „Wirklich?“ Er nickte kurz. Zuerst hatte ich das rothaarige Mädchen vom Fenster in Mendozas Schlafzimmer aus gesehen. Sie kam mit zwei anderen Mädchen an, nachdem drei andere verkauft worden waren. Weil alle anderen blond oder brünett gewesen waren, hatte ich überlegt, ob sie eine Konkurrentin für Mendozas Begeisterung für mich sein würde. Ich nahm an, dass ich das mehr als alles andere gehofft hatte. Doch als sie nicht ins Haupthaus gebracht wurde, wurde mir klar, dass es für mich keine Erleichterung geben würde.
Plötzlich ergab alles einen Sinn. „Also deswegen hat Rev mit seinen Männern das Camp gestürmt. Um Ihre Tochter zu befreien.“
„Ganz genau.“
Ein schrecklicher Gedanke kam mir. „Hat sie es nicht herausgeschafft?“
Gequält schloss Dr. Edgeway die Augen. Sein Gesicht verriet seinen ganzen Kummer. „Nein.“
„Das tut mir so leid“, wisperte ich. Ich hatte nur eine kurze Begegnung mit dem Mädchen gehabt. Zehn Minuten, vielleicht fünfzehn. Doch jetzt trauerte ich um sie, als wären wir enge Freunde gewesen.
Dr. Edgeway starrte auf den Ring. „Er war ein Geschenk von ihrer Mutter und mir zum Highschoolabschluss. Sie wollte immer denselben, den ihre Mutter hatte.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum sie ihn verschenkt hat.“
Mir war klar, was ich zu sagen hatte, würde Dr. Edgeway sich nur noch schlechter fühlen lassen. „Sie wollte ihn nicht verschenken. Sie hat mich nur darum gebeten, ihn für sie aufzuheben für den Fall, dass sie ihn sich irgendwann zurückholen kann.“
Seine silbernen Brauen zogen sich zusammen. „Wie meinst du das?“
Nun schloss ich kurz gequält die Augen. „Als ich im Camp ankam, machte Mendoza mich sofort zu seiner Lieblingsfrau. Neben dieser Aufgabe musste ich mich um die neuen Mädchen kümmern, wenn sie frisch ankamen. Weil ich Englisch sprechen konnte, musste ich ihnen sagen, was von ihnen erwartet wurde. Ihnen wurde ihr ganzer Besitz abgenommen. Und ihr Schmuck wurde dafür benutzt, ihre Verpflegung zu bezahlen, bis sie verkauft wurden.“
Die Galle kam mir hoch, als ich daran dachte, wie ich gezwungen worden war, mit ihnen zu reden. Ich konnte ihre Angst nachvollziehen, auch wenn ich selbst nicht so behandelt worden war. Ich hatte meine Einweisung direkt von Mendoza bekommen. Natürlich war meine völlig anders, da ich dazu ausgesucht worden war, im Camp zu bleiben.
Ich konzentrierte mich auf Dr. Edgeway und fuhr fort. „Ich glaube, erst vor zwei Tagen habe ich Sarah getroffen, und sie hat mich gebeten, auf den Ring aufzupassen. Die anderen Mädchen haben nicht so sehr an ihrem Schmuck gehangen, also habe ich ihr den Gefallen getan. Als Mendoza ihn an mir gesehen hat, habe ich ihn angelogen und behauptet, dass ich gern so tun wollte, als wäre er ein Geschenk von ihm gewesen.“ Ekel kam in mir hoch bei der Erinnerung an die Spielchen, die ich zum Überleben hatte spielen müssen. „Nachdem er mich dafür verprügelt hatte, nahm er ihn mir aber nicht weg.“
Dr. Edgeway fluchte leise. „Es tut mir leid, dass du das durchmachen musstest, nur um Sarah einen Gefallen zu tun.“
Tränen stachen in meinen Augen. Tränen der Wut. Tränen der Qual. Tränen der Verzweiflung. Obwohl ich gerührt sein sollte, dass Dr. Edgeway sich für meine Qualen entschuldigte, wollte ihm der schwarze Teil meiner Seele eine runterhauen. Wie konnte er sich nur einbilden, dass sein Mitgefühl die Erniedrigung und anderen schlimmen Erlebnisse, die ich erlebt hatte, mildern könnte? Worte konnten nur das Minimum von dem beschreiben, was ich durchgemacht hatte. Doch genauso schnell wie meine Wut hochgestiegen war, meldete sich meine rationale Seite, die mir sagte, dass ich einen trauernden Vater vor mir hatte, der sein Bestes tat, um durch den Treibsand zu waten, in dem er sich plötzlich befand. „Es tut mir sehr leid, dass ich ihn ihr nicht wieder zurückgeben kann.“ Meine Stimme versagte mir, als ich versuchte, nun seinen Kummer mit Worten zu mildern.
„Mir auch“, antwortete er. Mit einem resignierten Seufzen steckte er den Ring in seine Tasche. „Jetzt machen wir lieber weiter, sonst wundert sich Rev noch, was wir hier so lange machen.“
„Okay.“ Ich wischte mir die Tränen von den Wangen.
Er überprüfte die Infusion. „Ich sollte wohl dankbar sein, dass es hier dieses Krankenhaus gibt, in das wir dich bringen konnten, aber ich bin wirklich alles andere als beeindruckt von der medizinischen Ausstattung im Vergleich zu den USA.“
Als er nach meiner Zudecke griff, hielt ich automatisch die Ecken fester. Ich schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. „Entschuldigung.“
„Musst du nicht. Das ist nicht anders zu erwarten, nach dem, was du durchgemacht hast. Besonders bei einem männlichen Arzt.“
Nachdem ich die Decke losgelassen hatte, zog er sie hinunter und dann mein Krankenhaushemd über meinen Bauch. „Der Schnitt scheint gut zu verheilen, keine Anzeichen einer Infektion.“ Er klopfte leicht meinen Bauch ab, woraufhin ich zusammenzuckte. „Natürlich fühlt es sich noch wund an. Neben der Operation musstest du noch ganz schön zusammengeflickt werden.“
„Was genau wurde an mir gemacht?“
Dr. Edgeway antwortete nicht sofort, sondern zog mein Hemd wieder herunter und die Bettdecke wieder hoch. Endlich, nach einer halben Ewigkeit, räusperte er sich. „Durch die Schläge hatte die Milz einen Riss. Hätte Rev dich nicht gefunden, wärst du innerhalb einer Stunde verblutet.“
Wieder stieg mir die Galle in die Kehle, als ich an die letzten Stunden im Camp dachte. „Es wundert mich nicht, dass Mendoza mich zum Sterben liegen gelassen hat. Er wollte mich tot sehen.“
„Ja, das war deutlich an deinen Verletzungen zu erkennen.“
„Also haben Sie nur meine Milz rausgenommen?“
Nachdem Dr. Edgeway zu Boden geblickt hatte, schüttelte er den Kopf. „Die Schläge führten auch zu einer Fehlgeburt.“
Erschrocken holte ich Luft und er sah mich wieder an. „Ich war … schwanger?“
„Ja.“
Ich konnte das kaum begreifen. Natürlich hatte ich im Camp nicht an meine Antibabypille kommen können, und Mendoza machte sich nicht die Mühe, Kondome zu benutzen. Ich nahm an, die Natur hatte ihren Weg gefunden. Doch bei dem Gedanken, das Kind dieses Monsters in mir zu tragen, wurde mir im Nachhinein noch übel. Wenigstens eine kleine Gnade, dass ich das Kind verloren hatte. Sosehr ich Kinder auch liebte und eines Tages selbst welche haben wollte, glaubte ich nicht, in der Lage gewesen sein zu können, ein Kind von Mendoza großzuziehen.
„Aber ich fürchte,