Redemption Road: Vergebung. Katie Ashley
hatten wir uns schwarze Schuhcreme ins Gesicht, auf den Hals und auf die Arme geschmiert.
Trotz der angespannten Stimmung lachte ich. „Himmel noch mal, du benimmst dich genau wie damals, als du die Windpocken hattest. Unsere Eltern konnten drei Tage nicht schlafen, weil sie aufpassen mussten, dass du dich nicht zu Tode kratzt.“
„Mir doch egal“, knurrte Bishop.
Als der Van langsamer wurde, setzte ich mich aufrechter hin.
Chulo drehte sich auf dem Beifahrersitz um und sah zu uns nach hinten. „So, Jungs, hier steigen wir aus und lassen die Vans stehen. Die letzte halbe Meile gehen wir zu Fuß. Wenn das Tor in die Luft geflogen ist, kommen uns die Vans abholen.“
Ich nickte und öffnete die Tür. Ich sprang auf den weichen Wüstenboden. Breakneck folgte mir und danach Bishop. Dann kamen Ranger und Nero, zwei der El Paso Raiders, die wegen ihrer Fähigkeiten ausgesucht worden waren.
Mit seinen zwei Metern Größe und 136 Kilo Lebendgewicht hatte Ranger seinen Namen bei der Army bekommen. Nach zwei Einsätzen in Afghanistan als Army Ranger war er zu seinen MC-Brüdern zurückgekehrt und hatte sein traumatisches Erlebnis geheilt, indem er jeden erledigte, der den Raiders in die Quere gekommen war.
Nero, ein rauflustiger Italiener aus Jersey, war als Sprengstoffexperte dabei. Mit seinen dicken Brillengläsern sah er eher wie ein Technik-Nerd und nicht wie ein knallharter Biker aus. Doch all meine Zweifel an ihm waren verschwunden, als er uns einen Test mit einer selbst gebauten Bombe gezeigt hatte. Da war mir klar geworden, dass er ein wichtiger Teil der Mission war.
„Er bleibt bei den Autos“, sagte Chulo und deutete auf Breakneck.
Sogar im Dunkeln konnte ich Breakneck die Fäuste ballen sehen. „Ich gehe da rein und hole meine Tochter.“
„Du bist ihr keine Hilfe, wenn du dich erschießen lässt“, wandte Chulo ein.
Ich legte eine Hand auf Breaknecks Schulter. „Es ist besser, wenn du hierbleibst. Wenn das hier schiefgeht, werden wir alle dich in einem Stück brauchen, nicht nur Sarah.“
„Fuck“, fluchte Breakneck leise. Nach ein paar angespannten Sekunden nickte er und kletterte in den Van zurück.
Wir checkten unsere Waffen und waren bereit.
„Los geht’s“, befahl Chulo.
Als ich über das raue Wüstengelände rannte, musste ich an meinen einzigen Einsatz in Afghanistan denken. Direkt nach der Highschool hatte ich mich für zwei Jahre bei der Army verpflichtet. Es war die kürzeste Zeit, die man wählen konnte, was mich aus der Stadt brachte, aber immer noch nicht sehr lange von den Raiders fort. Es ging mir weniger um Patriotismus oder darum, dass ich unbedingt zum Mann werden wollte, sondern ich brauchte das Geld zum Studieren. Doch dann endete alles damit, dass ich nach zwei Jahren am technischen College aufhörte und Preacher Man mich dazu brachte, mehr Verantwortung im Club zu übernehmen.
Was ein Kriegstrauma anging, so hatte mich der Lebensstil im Club bereits auf den Horror des Krieges vorbereitet. Das bedeutete zwar nicht, dass ich nicht gelegentlich Albträume hatte, aus denen ich schreiend und schweißgebadet aufwachte. Am Ende waren die Albträume jedoch nur ein Teil von dem, was sich in mir auftürmte. Ich war sicher, dass jeder Seelenklempner, der je in meinen Kopf sehen würde, schreiend davonlaufen würde.
Direkt vor uns erschien eine Reihe von dicht wachsenden Büschen, vielleicht sechshundert Meter vom Tor entfernt. Nachdem wir sie auf der Karte gesehen hatten, hatte Chulo beschlossen, dass hier unser Treffpunkt sein sollte. Als wir alle dort angekommen waren, funkte Chulo dem Waffenwagen. Ich packte mein Sturmgewehr fester und versuchte, mein rasendes Herz zu beruhigen. Das Adrenalin sorgte dafür, dass es Überstunden pumpte. Im Moment gab es nichts weiter zu tun, als auf den Van und die Explosion zu warten.
Als der Transporter ins Sichtfeld kam, sog ich scharf die Luft ein. Er erreichte das Gebüsch, die Tür ging auf und einer der El Paso Raiders sprang heraus. Das Gaspedal war festgeklemmt, sodass der Van weiterfuhr. Kurz vor dem Tor gingen Schüsse los und durchsiebten die Motorhaube. Doch es war sinnlos. Der Transporter krachte gegen das Gitter und explodierte in einem orangeroten Feuerball, der einen Teil des Tors fortriss.
„Jetzt!“, brüllte Chulo.
Ich sprang hinter dem Gebüsch hervor und klemmte mich hinter Ranger. Mit gezogener Waffe trat er ein Stück Tor zur Seite, das nur noch an einem Scharnier baumelte. Er winkte uns, ihm zu folgen. Als ich Mendozas Hof betrat, kam ich mir vor wie in die Army zurückversetzt. Alles wurde mit militärischer Präzision ausgeführt.
Kugeln regneten auf uns herab. Gebückt erwiderten wir das feindliche Feuer, bis wir die zwei Ziele ausgeschaltet hatten. Dann war nur noch die Alarmsirene auf dem Gelände zu hören.
„Geht weiter. Ich gebe euch Deckung“, sagte Ranger.
„Rev, du, Nero und Snake gehen ins Haus“, ordnete Chulo an.
„Okay.“
„Wir übernehmen den hinteren Bunker“, sagte Chulo und nickte Bishop und noch zwei anderen zu.
Mit Nero und Snake eilte ich über den Hof. Als wir die Veranda erreicht hatten, gingen hinter uns Schüsse los. Ich blickte über die Schulter und sah, wie Ranger drei Männer ausschaltete, die auf ihn zurannten. Ich hatte keine Ahnung, wie der Kerl es schaffte, nicht getroffen zu werden.
Mit brutaler Gewalt trat Snake die Haustür ein, während Nero und ich ihn deckten. Als wir auf keine Gegenwehr trafen, betraten wir das Foyer. Der Marmorboden, die Kristallleuchter und die teuren Kunstwerke bewiesen, was man mit Drogengeld alles kaufen konnte. Mendoza genoss offensichtlich die schönen Dinge des Lebens.
Nero räusperte sich. „Okay, ich übernehme den vorderen Teil. Rev den Flur und die Schlafzimmer und Snake die Mitte.“
„Klingt gut“, antwortete ich.
Ich schlich aus dem Foyer und am Wohnzimmer vorbei. Als ich im Flur um eine Ecke bog, empfing mich eine Salve Schüsse. Ich wich in ein offenes Schlafzimmer aus. In der Dunkelheit zog ich ein Messer aus meinem Gürtel. An die Wand gepresst hörte ich Schritte im Flur. Der Kerl mit der Knarre betrat das Zimmer und ich rammte ihm das Messer in die Brust. Der Schlag machte ihn kurz bewegungsunfähig. Ich packte ihn an den Schultern, drückte ihn an die Wand und entwaffnete ihn.
„Wo ist die Amerikanerin?“
„Fick. Dich.“
Ich drückte ihm das Messer an die Kehle. „Die gringa mit den roten Haaren. Wo ist sie?“
Als er den Kopf standhaft schüttelte, erreichte die Wut, die in mir brannte, einen kritischen Punkt. Den, an dem ich die Sinnlosigkeit erkannte. Da der Kerl mir so nichts nutzte, rammte ich ihm das Messer in den Hals. Nachdem seine Arterie durchgeschnitten war, ließ ich ihn auf den Boden sinken.
Er spuckte und zuckte und blutete den weißen Marmor voll. Angewidert sah ich auf ihn hinab und neue Wut kochte in mir hoch. Obwohl ich mich zügeln sollte, trat ich ihm immer wieder in den Bauch und den Schritt.
Als er sich nicht mehr rührte, zog ich das Messer aus seinem Hals. Da eine weitere Waffe immer praktisch war, schulterte ich sein Gewehr.
Das Zimmer hatte leer gewirkt, als ich zuerst hineingesehen hatte. Doch jetzt hörte ich ein anderes Stöhnen. Mit dem Finger am Abzug ging ich weiter über den Marmorboden. Als ich neben dem Bett stand, sah ich eine Blutlache auf dem Boden und eine Frau darin.
„Heilige Mutter Gottes“, murmelte ich beim Anblick der zusammengerollten Frau vor mir. Ich ließ die Waffen sinken und kniete mich auf den Marmor. Die Frau trug nur ein weißes Männeroberhemd. Außer dem Blut war ihr Körper voller schwarzer und blauer Hämatome. Jemand hatte sie gründlich zugerichtet. Offensichtlich hatte man sie hier zum Sterben liegen lassen.
Ich hielt inne, als ich ihr das rotbraune Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte. Sarah hatte diese Haarfarbe. Hatte ich sie etwa zufällig gefunden? Konnte es wirklich so einfach sein?